Sie benennen bereits in Titel und Vorwort Pflegefachpersonen als Zielgruppe. Wäre nicht der interdisziplinäre Fokus angebrachter?
Der interdisziplinäre Fokus steht bei uns natürlich hoch im Kurs. Akutpsychiatrische Versorgung ist ein interdisziplinäres/professionelles und im Wesentlichen ein teambasiertes Versorgungsangebot. Die psychisch erkrankten Menschen profitieren sicher davon, dass die unterschiedlichen Akteur*innen im Behandlungs- und Begleitungsprozess ihren ureigenen Beitrag leisten und ihre jeweilige Kompetenz bei Bedarf in den Diagnose-/Behandlungs- und Pflegeprozess einbringen. Sie haben die Gelegenheit, das für sie passende Angebot zu wählen, mit dem sie glauben, zu einer Gesundung zu kommen. Bevor die interdisziplinäre Brille aufgezogen werden kann, müssen sich die einzelnen Berufsgruppen vergegenwärtigen, was ihr Beitrag dabei sein kann.
Konkret: In vielen Alltagssituationen müssen sich psychiatrisch Pflegende vergegenwärtigen, dass ihr Verhalten und Handeln einen direkten Einfluss auf den Genesungsprozess hat
Es gilt auch in einem interdisziplinären/-professionellen Setting für das eigene Handeln die Verantwortung zu übernehmen und das der Pflege eigene aktiv in den Diagnose-, Behandlungs- und Pflegeprozess einzubringen. Manche Berufskolleg*innen neigen dazu, Interventionen in Richtung anderer Berufsgruppen zu verschieben. Dabei ist es doch dasjenige, was die Arbeit als Pflegende oder Pflegender ausmacht und Selbstwirksamkeit erfahren lässt. In der Gegenwart erleben wir viele Diskussionen um die pflegerischen Vorbehaltsaufgaben (nach § 4 Pflegeberufegesetz). Wir haben es selbst in der Hand, unserem Berufsbild, unserer Profession ein Profil zu geben.
Als psychiatrisch Pflegender habe ich ein ganz individuelles Selbstverständnis. Wenn uns im beruflichen Alltag Phänomene begegnen, liegt es an uns, mit den uns anvertrauten Menschen Lösungswege zu erarbeiten; ihnen Wege zu eröffnen, die z.B. helfen, die akute Krise zu bewältigen. Wir tun dies aufgrund unserer persönlichen, sozialen und fachlichen wie methodischen Kompetenzen, die wir auch in der Ausbildung oder im Studium vertieft erwerben konnte. Aber auch durch unsere eigene Lebenserfahrung und -wege, unsere Praxiserfahrung und unseren Überzeugungen und Werten. Oder um es in einem Bild zu sagen: Erst wenn wir die eigenen Instrumente gelernt und gestimmt haben, dann können wir auch im interprofessionellen Orchester mitspielen.