Schule und Entwicklung

Emotionale Kompetenzen

Die eigenen Gefühle ausdrücken, verstehen und regulieren können, aber auch die Gefühle anderer richtig deuten: Alle diese emotionalen Kompetenzen müssen Kinder erst entwickeln. Auch Kinder ohne Entwicklungsrisiko können dabei von einer angemessenen Förderung profitieren. Denn emotionale Kompetenzen unterstützen auch die Entwicklung in anderen Bereichen.

Emotionen entwickeln sich schon sehr früh. Säuglinge haben ein bipolares Emotionserleben, das zwischen Gestresst-Sein und Zufriedenheit hin und her schwankt. Diese Gefühle differenzieren sich zunehmend und entwickeln sich zu den sogenannten Basisemotionen (= primäre Emotionen). Basisemotionen, wie Freude, Angst, Ärger und Traurigkeit, kann man schon gut unterscheidbar im ersten Lebensjahr bei Kindern erkennen. Selbstbezogene und soziale Emotionen (= sekundäre Emotionen) kann man ab dem dritten Lebensjahr gut beobachten. Solche Gefühle, wie Stolz, Scham, Schuld, Neid, Verlegenheit und Einfühlungsvermögen, setzen voraus, dass sich das Kind seiner selbst bewusst und zur Selbstreflexion fähig ist. So ist es für das Erleben von Stolz, Scham und Schuld erforderlich, sozial anerkannte Verhaltensstandards und Verhaltensregeln zu kennen sowie das eigene Verhalten zu diesen Regeln in Beziehung zu setzen. Weiterhin ist es nötig, sich selbst die Verantwortung für das erfolgreiche oder fehlende Einhalten dieser Regeln zuzuschreiben. Es ist naheliegend, dass die Reaktionen der Eltern auf das Verhalten ihrer Kinder und weitere Sozialisationseffekte die Entstehung dieser Emotionen prägen.

Was macht ein emotional kompetentes Kind aus?

Emotional kompetente Kinder wissen, wann sie im Kontakt mit anderen Personen Gefühle erleben. Sie können diese Erfahrungen erkennen und richtig deuten. Außerdem können sie angemessene Entscheidungen darüber treffen, ob sie im Kontakt mit anderen Personen ihre emotionalen Erlebnisse abschwächen, zurückhalten oder verstärken müssen.

Zur emotionalen Kompetenz gehören

  • Emotionsausdruck,
  • Emotionsverständnis und
  • Emotionsregulation.

Da sich diese Fertigkeiten über mehrere Jahre bei Kindern entwickeln, können je nach Alter und Entwicklungsstand eines Kindes einige Fertigkeiten bereits vorliegen, während in anderen Bereichen noch entsprechende Fertigkeiten fehlen.

Emotionale Kompetenzen als entscheidende Entwicklungsressourcen

Vielfältige Befunde verdeutlichen, dass Kinder, die umfangreiche emotionale Kompetenzen entwickelt haben (z.B. ihre eigenen Gefühle angemessen ausdrücken und regulieren oder die Gefühle anderer richtig interpretieren), auch in anderen Bereichen, wie Sprache, Kognition oder Selbstregulation, gute Kompetenzen zeigen.

Eine frühe Förderung emotionaler Fertigkeiten im Kindesalter kann also wichtige Ressourcen stärken und die Entwicklung in anderen Bereichen unterstützen. Insgesamt sind die Zusammenhänge zwischen Emotionen und Lernen komplex. Es ist gut belegt, dass sich emotionales Befinden und emotionale Fertigkeiten von Kindern auf ihre Aufmerksamkeitsleistungen, ihre Lernmotivation und kognitive Lernprozesse auswirken.

Warum sollte man emotionale Kompetenzen bei Kindern überprüfen?

Kinder mit geringen emotionalen Kompetenzen weisen ein erhöhtes Risiko für psychische und schulische Probleme auf. Um solche Folgeprobleme zu vermeiden, müssen beeinträchtigte emotionale Kompetenzen möglichst früh diagnostiziert und ausgeglichen werden. Um die geeigneten Fördermaßnahmen bestimmen zu können, sollten Ansätze zur Frühdiagnostik im Vorschulalter (also zwischen drei und sechs Jahren) zum Einsatz kommen.

Zur Diagnostik emotionaler Kompetenzen liegen z.B. Verfahren zur Verhaltensbeobachtung und Verhaltensbeurteilung durch pädagogische Fachkräfte, wie die „Verhaltensskalen für das Kindergartenalter (VSK)“ und das „Inventar zur Erfassung emotionaler Kompetenzen bei Drei- bis Sechsjährigen (EMK 3-6)“ vor. Mit dem EMK 3-6 wird eine große Bandbreite von emotionalen Kompetenzen erhoben. So lassen sich primäre und sekundäre Emotionen differenziert durch die Befragung der Kinder ebenso erfassen wie die folgenden Fertigkeiten:

  • Emotionen benennen,
  • Emotionen erkennen,
  • mimische Kennzeichen für Emotionen erkennen,
  • Ursachen für Emotionen verstehen und
  • Emotionen regulieren.

Mit dem EMK 3-6 ist es darüber hinaus auch möglich, prosoziales Verhalten und Einfühlungsvermögen zu erfassen.

Was muss man bei Förderprogrammen beachten?

Mit Förderprogrammen werden vor allem das Emotionswissen und die Emotionsregulation von Kindern verbessert. Kinder sollen in die Lage versetzt werden, ihre eigenen Gefühle und die von anderen zu entschlüsseln, und sich dadurch besser in andere hineinversetzen zu können. Vor allem Schwierigkeiten in der Regulation von Gefühlen begünstigen verschiedene Auffälligkeiten bei Kindern. So führt eine problematische Ärgerregulation häufig zu aggressivem Verhalten. Depressive und Angstsymptome treten deutlicher hervor, wenn schon in früher Kindheit Probleme mit der Emotionsregulation bestanden.

Förderprogramme sollten im Vorschulalter ansetzen oder spätestens zu Beginn der Pubertät (z.B. „Emotionstraining in der Schule“ für die 5. bis 7. Klasse), da die Pubertät besondere Risiken für die emotionale Entwicklung bereithält. Auch in diesem Lebensabschnitt wird deutlich, dass ängstliche, aufbrausende oder traurige Schüler und Schülerinnen weniger Chancen besitzen, angemessene soziale Beziehungen aufzubauen und gute Schulleistungen zu zeigen.

Ein Beispiel für ein Programm zur Förderung emotionaler Kompetenzen bei Kindern zwischen drei und sechs Jahren ist das „EMK-Förderprogramm“. Dieses Programm zielt auf die Optimierung von emotionalen Kompetenzen in folgenden Bereichen:

  • Emotionen erkennen und benennen,
  • Emotionen mimisch ausdrücken,
  • Ursachen von Emotionen verstehen,
  • mit positiven und negativen Emotionen angemessen umgehen,
  • prosoziales und empathisches Verhalten anhand von Alltagsbeispielen erlernen sowie
  • Einüben von Selbstregulation.

Diese Bereiche werden spielerisch mit der Kindergartengruppe durch pädagogische Fachkräfte bearbeitet. Hierzu liegt eine Vielzahl von Spielen vor, die jeweils zwischen 5 und 30 Minuten in Anspruch nehmen. Mit dem EMK-Förderprogramm können so die Ressourcen der Kinder gezielt gestärkt und Risikofaktoren begegnet werden. HM

Fördern Sie soziale und emotionale Kompetenzen in jeder Altersstufe

Kindergarten:

1.-2. Klasse:

3.-4. Klasse:

5.-7. Klasse:

8. Klasse und Übergang zum Berufsleben:

Prof. Dr. Franz Petermann

1991-2007 Lehrstuhl für Klinische Psychologie und 2007-2019 Lehrstuhl für Psychologische Diagnostik an der Universität Bremen, 1996-2019 Direktor des Zentrums für Psychologie und Rehabilitation an der Universität Bremen.