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DeutschPflege und Health professionals

Hoffnung – ein wichtiger Faktor für die Genesung!

Von Anna Eisold. 

Hoffnung wird als eine essenzielle menschliche Erfahrung angesehen. Sie äußert sich als bestimmte Art des Fühlens, des Denkens, des Verhaltens und des Umgangs mit sich selbst und der Welt, in der man lebt. Hoffnung geht mit einem positiven Grundgefühl und Vertrauen einher und kann in Krisen für eine bessere Lebensqualität sorgen. 

Hände die halten Hoffnung und Zuversicht in der Pflege Bild: Shutterstock. PeopleImages.com/Yuri A.

Auch im professionellen pflegerischen Kontext beschäftigt man sich seit vielen Jahren mit dem Aspekt der Hoffnungsförderung. Dabei ist häufig vor allem von einer Kultur der Hoffnung die Rede. Dies meint, dass es ein Umfeld und einer grundsätzlichen hoffnungsvollen Einstellung von Pflegenden bedarf, damit Menschen mit (psychischer) Erkrankung darin unterstützt werden können, ein Gefühl von Hoffnung zu entwickeln. Bestehende Hoffnungskonzepte betonen die optimistische Zukunftsorientierung und sie unterscheiden zwischen einem objektbezogenen Hoffen, das mit einem konkreten, realistischen Ziel verbunden ist und dem unspezifischen, positiven Hoffnungsgefühl. Hoffnung ist multidimensional, individuell und als ein Prozess zu verstehen, der sich über einen langen Zeitraum hinweg zieht. Gerade diese Vielfältigkeit von Hoffnung macht es schwer, sie zu definieren. Die individuelle Hoffnung eines jeden Menschen wird von (Lebens-) Erfahrung und Spiritualität geprägt. 

Die Rolle der Pflegenden

Pflegende sind nah am Patienten dran. Sie begleiten und versorgen Menschen rund um die Uhr. Daher sind sie in ihrer Profession besonders geeignet, sich mit dem Aspekt der Hoffnung im individuellen Kontext des jeweiligen Menschen auseinander zu setzen. Sie können als so genannte „Holders of Hope“ fungieren. Das bedeutet, dass sie vor allem in Situationen, in denen die Betroffenen selbst keine Hoffnung mehr empfinden können und es ihnen nahezu unmöglich erscheint, jemals wieder eine bessere Zeit zu erleben, die Hoffnung halten, also stellvertretend übernehmen.

Die Rolle der Bezugsperson(en)/Angehörigen

Die enge Zusammenarbeit von Pflegenden mit den Patient*innen, den Angehörigen bzw. den Bezugspersonen und anderen therapeutischen Gruppen, ist ein wichtiger Bestandteil pflegerischen Handelns. Pflegende müssen sich mit den individuellen Zielen, aber auch Ängsten und Fragen der Betroffenen und ihrer Bezugspersonen auseinandersetzen, um dabei helfen zu können, individuelle und realistische Ziele stecken und unterstützen zu können. Dabei sind die Ziele und deren Erreichen ein wichtiger Faktor in der Hoffnungsförderung. Es notwendig, mit den Angehörigen/Bezugspersonen in Kontakt zu treten und  in den Austausch über die individuellen Ziele und Pläne zu gehen und auf ihrem Weg dahin zu unterstützen, aber auch dafür zu sorgen, dass es realistische Ziele sind. 

Das therapeutische Team

Alle Informationen aus den verschiedenen Perspektiven der unterschiedlichen Akteure im therapeutischen Team müssen zusammengetragen und abgeglichen werden. Pflegenden kommt hier eine Schlüsselrolle zu, denn sie sind häufig sehr nah an den betroffenen Menschen dran. Hier gilt es, alle Fänen zusammenzuführen. So ist es möglich, sich in den unterschiedlichen Versorgungssettings (ambulant, teilstationär und stationär) auf bestimmte Ziele und Themenbereiche zu fokussieren, die sowohl für den Patienten prioritär sind als auch für das therapeutische Team im Vordergrund stehen. Eine gängige Praxis dafür sind Fallbesprechungen und gemeinsame Visiten, an denen auch die Patient*innen teilnehmen. 

Handeln in Sachen Hoffnung

Halten wir fest: Hoffnung zu fördern, bedarf einer engen Zusammenarbeit aller pflegerisch-therapeutischen Berufsgruppen, aber gleichermaßen auch mit den Angehörigen/Bezugspersonen und natürlich den betroffenen Menschen selbst. 
In der Literatur finden sich folgende unterstützende Interventionsmöglichkeiten, die für die Entwicklung individueller Hoffnung förderlich sein können:

Stärkung von Beziehung
Menschen mit psychischen Erkrankungen müssen erleben, dass Pflegende und andere therapeutisch-medizinische Berufe für sie da sind, ihnen ein offenes Ohr und Zeit schenken, damit sie sich gehört und gesehen fühlen. Hier ist es wichtig, Präsenz und Offenheit zu zeigen, dabei jedoch nicht aufdringlich zu sein. Der Aufbau von Vertrauen im Rahmen einer professionellen Beziehung nimmt dabei einen hohen Stellenwert ein. Dabei geht es vor allem um Verbindlichkeit, Verständnis und um das Angebot von Unterstützung. In vielen Versorgungsstrukturen hat sich mittlerweile die Integration von Genesungsbegleitenden etabliert. Der Peer-Support, aber auch die Unterstützung beim Aufbau neuer und dem Erhalt bestehender sozialer Kontakte spielt dabei eine große Rolle.

Erfolgserlebnisse unterstützen
Ein wichtiger Bestandteil von Hoffnungsförderung ist es, mit den Menschen gemeinsam Ziele zu identifizieren. Dabei ist ausschlaggebend, ob ein Ziel realistisch ist oder nicht. Manchmal reicht es aus, erst einmal kleinste „Mikro-“ Veränderungen anzustreben und zu fördern. Diese wiederum bieten aber die Möglichkeit, realistische, sinnvolle Aufgaben und Tätigkeiten zu integrieren und so den Menschen wieder das Gefühl zu geben, Erfolg im und Kontrolle über das eigene Leben zu haben. 

Kontrolle erleben
Ein weiterer wichtiger Aspekt ist das Erleben von Kontrolle. Häufig gehen mit einer psychischen Erkrankung Erfahrungen von Kontrollverlust im Rahmen von Zwangsmedikation, freiheitsentziehenden Maßnahmen, aber auch der Kontrollverlust über das eigene (gewohnte) Leben einher. Um die Kontrolle über das eigene Leben wiederzugewinnen, kann es hilfreich sein, zunächst bei der Einhaltung von einer festen Tagesstruktur zu unterstützen und somit Orientierung zu bieten, die sukzessive ausgeweitet wird. Betroffene müssen zudem an Behandlungsentscheidungen beteiligt werden. Ein gutes Instrument dafür können beispielsweise der Abschluss von Behandlungsverträgen sein, die nach einem stationärem Aufenthalt für den Fall einer neu aufkommenden Krise zwischen den Patient*innen und dem Behandlungsteam abgeschlossen werden und in denen festgehalten wird, wie mit einer erneuten Krise umzugehen ist (Dos and Donts). Überhaupt ist es unerlässlich, die betroffenen Menschen in Behandlungsentscheidungen zu involvieren und nicht vor vollendete Tatsachen zu stellen. 

Behandlungsmöglichkeiten im sicheren und gewohnten Umfeld, wie zum Beispiel die Stationsäquivalente Behandlung (StäB) oder eine andere ambulante (Intensiv-) Versorgung sind ebenfalls eine gute Möglichkeit, den Menschen ein höchstmögliches Maß an Kontrolle über die Behandlung und das eigene Leben zu überlassen, da die Begleitung in deren gewohntem Umfeld stattfindet. 

Copingstrategien
Die individuelle Copingstrategie bzw. Symptomkontrolle kann mit verschiedenen Methoden unterstützt werden. So können Menschen beispielsweise ein (Gefühls-) Tagebuch führen. Damit können sie ihre aktuelle Befindlichkeit reflektieren und frühzeitig gegensteuern, wenn Ihnen dadurch bewusst wird, dass sie in irgendeiner Art und Weise für sich instabil werden. Auch ein Skills Koffer (auch bekannt als Notfallkoffer) kann in Situationen der Unsicherheit hilfreich sein. Dieser Koffer (es kann auch eine Box, Schuhkarton etc. sein) wird von den betroffenen Menschen selbst mit Dingen bestückt, die als hilfreich empfunden werden. Das können beispielsweise Bilder von vertrauten Personen oder Tieren, angenehm oder hilfreich empfundene Gerüche, Knete, Schokolade, Antistressball etc. sein. So ist es den betroffenen Personen möglich, eigenständig tätig zu werden, um sich in Krisensituationen zu stabilisieren und sich etwas Gutes zu tun. Auch (sportliche) Angebote, wie Yoga oder Progressive Muskelentspannung sind unterstützend für die Rückfallprophylaxe, da sie die Achtsamkeit für die eigenen Bedürfnisse und die Selbstfürsorge in den Vordergrund stellen. 

Sinn finden
Die Entwicklung von Spiritualität wird in der Fachliteratur immer wieder als ein wichtiger Faktor für das Empfinden von Hoffnung beschrieben. Hier gilt es natürlich für jeden individuell die passende Form der Spiritualität oder auch Religiosität zu finden. Hilfreich ist die Unterstützung im Ausleben derselben. Dafür ist es nötig, sich wertfrei in die Lebenswelt der Personen hineinzuversetzen und diese nicht zu verurteilen. Es geht vor allem um das Erleben einer Sinnhaftigkeit der Erkrankung oder Einschränkung, vielleicht auch einer Form der Annahme von sich selbst, der Stärkung des Selbstbildes, mit allem, was dazu gehört – gesunden und kranken Anteilen. 

Zusammenfassung

Die in diesem Artikel dargestellten Methoden und Vorschläge zu Unterstützung von Hoffnung und einer positiven Einstellung erheben keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Sie sollen dem Leser einen Überblick über die verschiedenen Möglichkeiten und Konzepte geben, die mit dem Thema einhergehen. Er soll aber zeigen, dass es häufig die kleinen Dinge sind, die gar nicht viel mehr an Zeit oder Aufwand benötigen, um Menschen Hoffnung zu geben oder ein hoffnungsvolles Umfeld zu gestalten. Wenn Sie sich tiefergehend mit dem Thema auseinandersetzen möchten, empfehlen wir Ihnen folgende Literatur:

Sauter et al. (2023) Lehrbuch Psychiatrische Pflege. Bern: Hogrefe Verlag (siehe unten)

Hans, M (2020) Hoffnung vermitteln im Pflegeprozess. Köln:Psychiatrie Verlag

Literaturauswahl:

Amering, M.; Schmolke, M. (2011) Recovery: Das Ende der Unheilbarkeit. Psychiatrie Verlag

Benzein, I. &  Savemann, B.I. (1998). One step towards the understanding of hope: a concept analysis. International Journal of Nursing Studies, 35(6), 322-329. 

Cutcliffe, J.R. (2006a) The principles and processes of inspiring hope in bereavement counselling: a modified grounded theory study – part one. Journal of Psychiatric and Mental Health Nursing 13(5), 598-603 

Farran, C.J.; Herth, K.A.; Popovich, J.M. (1999) Hoffnung und Hoffnungslosigkeit: Konzepte für Pflegeforschung und -praxis. Ullstein Medical.

Knuf, A. (2016). Empowerment und Recovery. Psychiatrie Verlag.

Mc Kenna, B.; Furness, T.; Dhital, T. & Ireland, S. (2014). Recovery oriented care in older-adult acute inpatient mental health settings in Australia: an exploratory study. Journal of American Geriatrics Society, 62(10), 1938-1942.

Anna Eisold

Anna Eisold, Krankenschwester, Diplom Pflegewirtin (FH), M.Sc. Gesundheits- und Pflegewissenschaften; mehr als zehn Jahre in der Leitung einer Langzeitpflegeeinrichtung für Menschen mit Demenz, inklusive eines Tageszentrums; seit dreieinhalb Jahren Leitung und wissenschaftliche Mitarbeiterin im Bereich Implementierung digitaler Pflegeprozessdokumentation mit epaASSESSMENTS bei der epaCC GmbH.

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