DeutschPflege und Health professionals

Informieren, Beraten, Schulen – wichtige Pflegeaufgaben

Krankheiten, Behinderungen oder auch Pflegebedürftigkeit fordern Anpassungen von den betroffenen Menschen und Familien. Viele Menschen sind chronisch krank, leben Jahrzehnte mit Einschränkungen, sie benötigen Informationen, um Entscheidungen treffen zu können. Patienten- und Familienedukation dient der Steigerung der Gesundheitskompetenz. Unter Gesundheit ist hier nicht die Freiheit von Krankheit gemeint, sondern Alltags-und Lebensqualität für die Betroffenen. Neben den in der Überschrift benannten Pflegeaufgaben ist Familienmoderation eine weitere edukative Strategie. Sie bezeichnet beispielsweise moderierte gemeinsame Überlegungen, ein gemeinsames Aushandeln im Familienkreis darüber, wie ein pflegebedürftiger Mensch am besten versorgt werden kann. Patienten- und Familienedukation ist ein weites Feld – von Hinweisen im Akut-Krankenhaus, über die Begleitung psychisch Kranker, Unterstützung von „jungen“ Eltern bis hin zu Gesprächen in der Palliativpflege. „Patient education“ ist der internationale Oberbegriff und meint alle pädagogisch-psychologischen Interventionen der „sprechenden Pflege“.

Die Pflegeberufe bilden die größte Berufsgruppe im Gesundheitswesen, wenn hier edukative Aufgaben deutlicher wahrgenommen würden: die Qualität unseres Gesundheitswesens stiege enorm!

Für Patientinnen und Patienten und deren Familien geht es darum, den Alltag mit der Erkrankung oder Einschränkung zu bewältigen. Es geht um ein individuelles Vorgehen, das auch Selbstpflege für alle Beteiligten einschließt. Dies unterscheidet sich in der Regel von einer klassischen „ärztlichen Aufklärung“ zur Erkrankung, ergänzt diese sinnvoll. Gerade im Krankenhaus kann der Zeitraum nach einer Akutphase gut genutzt werden, um eine gute Bewältigung anzubahnen. Hier ist es wichtig, Programme und Materialien zu entwickeln und zu evaluieren.

Handlungsfelder der Patientenedukation

Es gibt viele Handlungsfelder, in denen Pflegende mit ihren Klientinnen und Klienten sprechen, sie edukativ unterstützen. Im Praxishandbuch zur Information, Schulung und Beratung sind zahlreiche Beispiele dargestellt. Es geht um Wundexpertise und Stomatherapie, um die Begleitung Nierenkranker, um Beratung von im Kontext von Demenz, um Hebammenarbeit, um Fachpflege im Sinne erweiterter Praxis (ANP) und vieles andere mehr. Viele dieser Tätigkeiten werden öffentlich kaum wahrgenommen. Auch im Rahmen der Pflegeversicherung sind eine Menge beratender Tätigkeiten durch Fachpflegende entstanden, etwa durch Pflegekurse oder häusliche Einzelschulungen.

Die Entwicklung der Patientenedukation in der Pflege

Die Entwicklung der pflegebezogenen Patientenedukation begann in Deutschland Mitte der 90er Jahre durch den Aufbau von Patienten-Informationszentren (PIZ) – nach amerikanischem Vorbild. Ein PIZ ist eine Biblio-Mediothek unter pflegerischer Leitung, an wichtigen Anlaufpunkten für Nutzerinnen und Nutzer, etwa in Kliniken. Dort findet individuelle Beratung und Hilfe zur Info-Findung statt. Patienten-Informationszentren vernetzen alle edukativen Aktivitäten in den Krankenhäusern, pflegen aber auch Kontakte zu Angeboten in der Umgebung, bieten Veranstaltungen an.

Die edukative Strategie „Information“

Zur edukativen Strategie Information gehören beispielsweise auch die Grundlagen zur Entwicklung eigener Broschüren oder Flyer. Schon früh wurde die „Wittener Liste“ zur Beurteilung und Erstellung von schriftlichen Informationen für Patientinnen und Patienten entwickelt. Sie enthält zehn Kriterien, die leicht anzuwenden sind. Sie bildet auch des Grundlage des Broschürenwettbewerbes des Netzwerks Patienten- und Familienedukation in der Pflege e.V. (www.patientenedukation.de). Dieser 2001 gegründete Verein koordiniert Aktivitäten rund um die pflegerische Patienten- und Familienedukation. 

Die edukative Strategie „Schulung“

Auch das Feld der Schulungen wird schon seit etwa 20 Jahren bearbeitet. Patientinnen und Patienten müssen oftmals viele kleine Maßnahmen erlernen. Im Netzwerk Patienten- und Familienedukation in der Pflege e.V. wurden mehrere Konzepte zu Mikroschulungen zu unterschiedlichen Themen angefertigt z.B. zur subkutanen Injektion. Dabei handelt es sich um Dossiers, in denen u.a. eine wissenschaftlich gestützte Sachanalyse, Vermittlungsschritte sowie Hinweise zur Evaluation und Material aufgeführt sind. Das Praxishandbuch gibt darüber weitere Tipps zur Gestaltung von Schulungen unterschiedlicher Art. 

Die edukative Strategie „Beratung“

Beratung stützt sich auf viele Konzepte, von denen viele im Buch vorgestellt werden. Zentraler Punkt ist dabei immer, sich als Beraterin oder Berater die Sichtweise des Ratsuchenden erschließen. Dazu hat Carl R. Rogers mit seinen Ausführungen zu den Grundhalten Empathie, Wertschätzung und Echtheit die Grundlagen gelegt. Allerdings unterscheidet sich das Pflegesetting von längerfristigen Begleitungen. Beratung in der Pflege findet oft „zwischen Tür und Angel“ als Nebentätigkeit statt – ist aber nicht weniger wichtig. Die „Wittener Werkzeuge“ sind ein bekannter Beratungsansatz für und in der Pflege geworden, mit entwickelt durch den bekannten Psychologen Günther G. Bamberger. Dieser Ansatz wird neben anderen pflegespezifischen Konzepten und praktischen Hinweisen zur Gestaltung von Beratungssituationen ebenfalls im Buch vorgestellt.  

Die edukative Strategie „Moderation“

Moderation hat sich als jüngste Hauptstrategie der Patienten- und Familienedukation entwickelt und meint die methodische Leitung von Gruppen- bzw. Familiengesprächen. Sie kann sinnvoll sein, wenn Familien oder andere Gruppen Unterstützung bei einer gemeinsamen, pflegebezogenen Entscheidungsfindung benötigen. Moderation hilft den einzelnen Gruppenmitgliedern, sich gegenseitig besser zu verstehen und dann gemeinsam praktikable und zufriedenstellende Lösungen für alle Beteiligten zu entwickeln. Dafür muss Moderation allerdings kompetent durchgeführt werden.

Bildung ist das Ziel

Im Rahmen der Patienten- und Familienedukation steht somit Bildung von Einzelpersonen und Gruppen im Mittelpunkt. Patientinnen und Patienten oder Angehörige sind dabei keineswegs als „Laien“ zu betrachten. Im Laufe ihrer Erfahrungen werden sie zunehmend sachkundiger und sind immer besser in der Lage, ein der Krankheit, Einschränkung, Pflegebedürftigkeit angemessenes Verhalten in ihren Alltag zu integrieren. Sie dabei – insbesondere initiativ – zu unterstützen, ist Aufgabe der Patienten- und Familienedukation.

 

Unter Mitarbeit von Martin Schieron.

Porträtfoto von Angelika Zegelin.

Prof. Dr. Angelika Zegelin

Prof. Dr. Angelika Zegelin Krankenschwester, Pflegewissenschaftlerin, Magisterabschluss Erziehungswissenschaften, langjährige Tätigkeit in der Pflege- Aus- und Weiterbildung, von 1995 bis 2015 Curriculumbeauftragte im Institut für Pflegewissenschaft der Universität Witten/Herdecke, Promotion zum Thema Bettlägerigwerden, Honorarprofessur der Mathias-Hochschule Rheine, Arbeitsschwerpunkte: Patienten-und Familienedukation, Mobilitätsförderung im Altenheim, Sprache und Pflege, Professionalisierung. Seit 8/2015 im Ruhestand. Zahlreiche Publikationen, vielfältige Gremienarbeit, mehrere Auszeichnungen, u.a. Bundesverdienstorden.

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