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Neuer IQ-Test: AID-G

Die Erfassung von Intelligenz gehört nach wie vor zu den häufigsten Fragestellungen der Psychologischen Diagnostik. Mit dem AID-G liegt nun ein neuer Intelligenztest für Kinder und Jugendliche vor, der in der Gruppe durchgeführt werden kann und vielfältige Einsatz- und Auswertungsmöglichkeiten bietet. Inhaltlich ist der Gruppentest AID-G an das bewährte Konzept des AID 3 angelehnt.

Prof. Dr. Klaus D. Kubinger, einer der Testautoren, gibt einen Einblick in die Grundlagen und Anwendungsmöglichkeiten des AID-G.

Der AID-G ermöglicht leistungsangepasste Intelligenzdiagnostik in der Gruppe.

Herr Professor Kubinger, gerade ist Ihre neue Intelligenz-Testbatterie AID-G erschienen. Wie kamen Sie auf die Idee, den AID-G zu entwickeln?
Praktiker und Praktikerinnen, die vom Konzept und vor allem von den Inhalten des AID (3 – Kubinger & Holocher-Ertl, 2014) überzeugt sind, wünschten sich schon lange eine Version, die auch für ältere Personen und insbesondere für eine Gruppentestvorgabe geeignet ist. Der Anstoß kam in diesem Fall also direkt von den Anwenderinnen und Anwendern des AID.

In so einem Test steckt viel Arbeit. Wie lange hat es von der ersten Idee bis zur Publikation gedauert?
Vor etwa sieben Jahren haben wir mit den ersten Entwürfen begonnen. Die Entwicklung eines neuen Tests erfordert viele Einzelschritte von der Konzeption der Aufgabentypen über Voruntersuchungen bis hin zur Eichung und Prüfung der Gütekriterien. Oft müssen Aufgaben revidiert oder ersetzt werden, weil sie den wissenschaftlichen Anforderungen empirisch belegt nicht entsprechen.

Inwiefern unterscheidet sich der AID-G von anderen Intelligenztests bzw. Intelligenz-Testbatterien?
Die meisten Intelligenztests werden auf Grundlage der Klassischen Testtheorie entwickelt. Die psychometrische Fundierung des AID-G beruht dagegen auf der Item-Response-Theorie, was, abgesehen von der garantierten Eindimensionalität der Messung jedes Untertests, insbesondere Folgendes ermöglicht: Es wird trotz beschränkter Bearbeitungsdauer der Untertests ausschließlich „Power" und nicht auch „Speed" gemessen, weil nur diejenigen Aufgaben bei der Verrechnung als gelöst oder nicht gelöst herangezogen werden, die in der verfügbaren Zeit auch tatsächlich bearbeitet wurden. Wie schnell die Schüler arbeiten („Speed“), spielt daher keine Rolle. Was zählt, ist die Fähigkeit an sich, die Aufgaben zu lösen („Power”).
Die Fundierung in der Item-Response-Theorie ermöglicht es auch, besser leistungsangepasst zu testen als dies normalerweise der Fall ist: Auch wenn eine schwierigere oder leichtere Testform als grundsätzlich altersentsprechend verwendet wird, sind die Testleistungen aller Personen gleichen Alters miteinander vergleichbar.

Wie kann man sich das genau vorstellen?
Ein leistungsschwächeres Kind in der 5. Klasse kann z.B. auch mit dem Testheft für die 3. bis 4. Klasse getestet werden, so dass es einfachere Aufgaben bearbeiten kann. Trotzdem kann die Leistung anschließend mit Gleichaltrigen verglichen werden und eben nicht nur mit den jüngeren Dritt- und Viertklässlern.
Für jedes Testheft stehen Normen für die komplette Altersspanne von 8 bis 20 Jahren zu Verfügung. Daher kann dann eben auch für das „Testheft Klasse 3–4" für jede Person zwischen 8 und 20 Jahren der entsprechende Altersnormwert ermittelt werden.

Und wie sieht das bei der Testung konkret aus, wenn man trotz Zeitbegrenzung bei den Aufgaben nur die „Power" misst?
Die Testpersonen werden nach Ablauf der Bearbeitungszeit je Untertest aufgefordert, einen Strich unter die zuletzt bearbeitete Aufgabe zu setzen. Aufgaben, die nicht mehr bearbeitet wurden, werden, anders als bei anderen Testbatterien, NICHT einfach als falsch verrechnet.
Übrigens wird die Option geboten, die Untertestvorgabe dann zu beenden, wenn die langsamste Testperson zumindest eine bestimmte Mindestanzahl von Aufgaben bearbeitet hat. Trotzdem sind – weil die Kalibrierung der einzelnen Untertests nach der Item-Response-Theorie erfolgte – die Testleistungen von Testpersonen auch dann untereinander vergleichbar, wenn sie eine unterschiedliche Anzahl von Aufgaben bearbeitet haben.

Für welche Fragestellungen ist der AID-G besonders geeignet?
Der AID-G eignet sich für alle Fragestellungen der ausbildungs- und berufsbezogenen Eignungs- sowie Rehabilitationsdiagnostik, für die Schulpsychologie und die klinische Psychologie. Er kann bei 8- bis 20-Jährigen und Älteren eingesetzt werden.

Der AID-G offenbart schon dem Namen nach seine Verwandtschaft zum Adaptiven Intelligenz Diagnostikum 3 (AID 3). Ist der AID-G auch adaptiv?
NEIN. Da es sich um einen Papier-und-Bleistift-Test handelt, der in der Gruppe durchgeführt werden kann, war eine adaptive Umsetzung, wie sie beim AID 3 vorliegt, nicht möglich. Die adaptive Vorgabe der Aufgaben wäre bei einer Gruppentestung durch den Testleiter schlicht nicht zu leisten. Jede Testperson müsste ja eine individuelle Zusammenstellung von Aufgaben erhalten, so wie man es eben vom AID 3 in der Einzeltestung kennt.
ABER, wie gesagt: Der Testleiter kann beim AID-G je Testperson (auch in der Gruppe) entscheiden, ob er dieser eine altersentsprechende oder eine leichtere oder eine schwierigere Testform vorgibt. Man kann also durchaus auf die individuellen Voraussetzungen der Testpersonen eingehen.

Welche anderen Gemeinsamkeiten bzw. Unterschiede bestehen zwischen dem AID-G und dem AID 3?
Zwar mussten zugunsten einer (Papier-und-Bleistift-)Gruppentestung einige Untertestkonzepte gegenüber dem ursprünglichen AID grundsätzlich ersetzt, zumindest stark modifiziert werden; dennoch besteht der Anspruch, die gleichen Fähigkeiten zu messen, die auch mit dem AID 3 erfasst werden. Allerdings haben einige Untertests im AID-G statt des freien Antwortformats ein Multiple-Choice-Format.

Prof. Dr. Klaus D. Kubinger

Klaus Kubinger war bis 2012 Professor für Psychologische Diagnostik und Leiter des Arbeitsbereichs Psychologische Diagnostik an der Universität Wien.

Seine Forschungsschwerpunkte sind Modellentwicklungen in der Item-Response-Theory (IRT) sowie die globalisierte Intelligenztestung.