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Power Posing

Von Robert Körner und Astrid Schütz.

Seit Jahrzehnten zeigen Forscherinnen und Forscher empirisch enge Verbindungen zwischen Körper und Geist auf. Diese Verbindung wird auch als Embodiment bezeichnet. Zahlreiche spannende Erkenntnisse wurden generiert, allerdings wurden Befunde, die lange Zeit als etabliert galten im Zuge der so genannten Replikationskrise (in der sich herausstellte, dass viele klassischen Studien bei Wiederholung andere Ergebnisse erbrachten) kritisiert, da bestimmte Effekte in Folgestudien nicht auftraten. So wurde vielfach angenommen, dass Facial Feedback in Form von intentionalem Lächeln zu mehr erlebter Freude fühlt. Doch konnte dieses Ergebnis in groß angelegten Studien nicht repliziert werden. Ein Thema, dass seit einigen Jahren intensiv beforscht wurde und ähnlich kontrovers diskutiert wurde ist Power Posing. Die Frage ist, ob die Art und Weise, wie wir stehen oder sitzen, Effekte darauf hat, wie wir uns fühlen und verhalten oder wie wir wahrgenommen werden. Wird man sich beispielsweise stärker fühlen, wenn man wie Wonder Woman oder Superman steht? Und wird man tatsächlich stärker sein?

Mann und Sohn mit Power Pose

Phase der Begeisterung und Faszination

Eine einflussreiche Studie, die 2010 veröffentlicht wurde, legte nahe, dass Power Posen - Körperhaltungen wie ein breiter Stand mit Händen in den Hüften oder Sitzen mit Füßen auf dem Tisch und Armen hinter dem Kopf verschränkt - Machtgefühle und Risikobereitschaft erhöhen und sogar hormonelle Effekte haben. Berichtet wurde, dass die Posen zu einer höheren Ausschüttung des männlichen Sexualhormons Testosteron führen und den Spiegel des wichtigsten Stresshormons, Cortisol, senken. Hoher Testosteronspiegel und niedriger Cortisolspiegel werden wiederum mit Furchtlosigkeit, Risikobereitschaft und Unempfindlichkeit gegenüber Strafen in Verbindung gebracht. Das Forschungsteam um Dana Carney, Amy Cuddy und Andy Yap schlussfolgerte, dass die Einnahme von Machtpositionen für eine oder zwei Minuten Einfluss darauf hat, wie sich Menschen fühlen, wie sie sich verhalten und wie sie von anderen wahrgenommen werden.

Diese Erkenntnisse wurden von zahlreichen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern aufmerksam verfolgt und weitere Forschung zu Power Posing folgte. Dass auch die Öffentlichkeit von den Vorteilen machtvoller Körperhaltungen erfuhr, wurde vor allem durch einen TedTalk von Amy Cuddy unterstützt: Your body language may shape who you are“ steht mit 65 Millionen Klicks (Stand: Juli 2022) auf Platz zwei der am meisten gesehenen TedTalks. Hinzu kommen über 21 Millionen Klicks (Stand: Juli 2022) auf Youtube. Power Posing wurde in der Öffentlichkeit als Möglichkeit gesehen, Selbstvertrauen zu gewinnen und das eigene Leben zu verbessern. Die Idee wurde in Populärliteratur, Fernsehen und Zeitungen verbreitet.

Konträre Ergebnisse und Ernüchterung

In den folgenden Jahren konnten mehrere Forscherinnen und Forscher in Folgestudien die ursprünglichen Ergebnisse nicht replizieren. Eine Meta-Analyse, die die Befundlage zusammenfasste, stellte keinen generellen Effekt von Körperhaltungen auf die Agierenden fest. Ein groß angelegtes Replikationsprojekt, in dem verschiedene vorliegende Befunde zu Power Posing auf Wiederholbarkeit hin getestet wurden, fand ebenfalls keinen Effekt von Körperhaltungen auf Verhalten. Beispielsweise war 2014 von Amy Cuddy und anderen berichtet worden, dass das Einnehmen einer Power Pose vor einem Vorstellungsgespräch zu einer höheren Wahrscheinlichkeit einer Jobzusage führt. Zwei Studien aus dem Jahr 2017 mit größerer Teilnehmerzahl fanden diesen Effekt nicht. In Folge der Kritik räumte die Erstautorin der ursprünglichen Studie, Dana Carney, Fehler ein und distanzierte sich von ihrer Studie.

Seitdem gibt es eine hitzige Debatte, ob das Einnehmen von Machtpositionen überhaupt etwas bewirkt. Zwar fanden spätere Meta-Analysen von Amy Cuddy sowie einer Gruppe dänischer Wissenschaftlerinnen einen Effekt der Körperhaltung auf die Psyche, doch hatten diese Analysen einige Schwachstellen. So inkludierte keine bisherige Meta-Analyse alle publizierten Studien und unveröffentlichte Arbeiten wurden nicht berücksichtigt. Gerade die Berücksichtigung nicht veröffentlichter Studien, die häufig keine signifikanten Effekte zeigen, ist wichtig, um dem sogenannten Publikationsbias zu begegnen (d.h., Studien mit erwartungskonformen Ergebnissen werden häufiger als Studien mit unerwarteten oder nicht statistisch signifikanten Effekten publiziert).

Was bleibt?

Noch immer wird das Thema und dessen Entwicklung im wissenschaftlichen Diskurs von Zeitungen wie der Washington Post, dem New York Times Magazine und Forbes aufgegriffen. Selbst in international erfolgreichen Serien, wie Greys Anatomy oder auf Plattformen, wie StepStone, hört man von Power Posing. Das anhaltende Interesse war Anlass für eine umfassende unlängst durchgeführte Meta-Analyse.

Um herauszufinden, welche Erkenntnisse über Power Posen haltbar sind und welche nicht, haben wir eine umfassende Meta-Analyse durchgeführt, d. h. wir haben Daten aus allen methodisch streng durchgeführten verfügbaren Forschungsarbeiten zu diesem Thema zusammengetragen. Insgesamt flossen 128 Studien, an denen mehr als 10.000 Probanden teilgenommen hatten, in unsere Analysen ein. Auf der Grundlage dieser publizierten und unpublizierten Studien (die durch Aufrufe in der Wissenschaftscommunity zusammengetragen wurden) kommen wir zu dem Schluss, dass bestimmte Befunde tragfähig sind, andere nicht.

Befundlage zu Effekten auf Psyche, Verhalten und Physiologie

Wir haben drei Arten möglicher Auswirkungen von Power Posen untersucht. Erstens gab es selbstberichtete Effekte. Das umfasst Gedanken und Gefühle, etwa wie kraftvoll, selbstbewusst und positiv man sich fühlt. Diese Variablen wurden durch Power Posen beeinflusst. Die Effekte waren signifikant und robust, d. h. sie wurden in vielen Studien immer wieder beobachtet. Die Teilnehmenden berichteten, dass sie sich stärker und besser fühlten, wenn sie eine dominante oder aufrechte Körperhaltung einnahmen.

Außerdem fanden wir Verhaltenseffekte, z. B. wie lange Personen eine Aufgabe bearbeiteten, ob sie antisoziales Verhalten an den Tag legten und wie handlungsorientiert sie waren. Auch diese Wirkungen wurden in vielen Studien festgestellt, doch waren die Ergebnisse weniger zuverlässig und unterlagen tendenziell einem Publikationsbias.

Schließlich analysierten wir physiologische Effekte wie Auswirkungen auf Hormonspiegel, Herzfrequenz und Hautleitwert. Diese Parameter werden in psychologischen Forschungsstudien häufig zur Messung von Stress herangezogen. In unserer Meta-Analyse waren diese Effekte nicht statistisch signifikant. Das bloße Einnehmen von ausladenden Körperpositionen hat, anders als ursprünglich angenommen, also keinen Einfluss auf Hormone oder andere physiologische Indikatoren.

Wir fanden die selbstberichteten und verhaltensbezogenen Auswirkungen sowohl in Studien aus westlichen Ländern wie den USA, Deutschland und Großbritannien, als auch in asiatischen Ländern wie China, Japan und Malaysia. Alter und Geschlecht spielten bei den Auswirkungen keine Rolle. So wurden beispielsweise auch bei Kindern und alten Menschen Dominanzgefühle durch das Einnehmen von Power Posen berichtet. Auch spielte es keine Rolle, ob die Versuchsteilnehmenden Studierende waren oder nicht. Aus den vorliegenden Daten geht jedoch nicht hervor, wie lange solche Effekte anhalten, nachdem jemand eine bestimmte Körperposition verlassen hat. Dies bleibt eine offene Forschungsfrage.

Differenzierte Sicht auf Verhaltenseffekte

Insgesamt kann man folgern, dass Power Posing (zumindest kurzfristige) Auswirkungen auf die Psyche derjenigen hat, die die Pose einnehmen, sowie gegebenenfalls Verhaltensvariablen beeinflusst. Manche Verhaltensweise, wie eine gesteigerte Risikofreudigkeit, können jedoch aufgrund zahlreicher gescheiterter Replikationsversuche als nicht haltbar betrachtet werden. Doch könnten bestimmte Arten der Körperhaltungen auf bestimmte Verhaltensvariablen einen Effekt haben. So können Power Posen, also kraftvolle, ausladende, raumeinnehmende Haltungen als Ausdruck von Dominanz interpretiert werden. Aufgrund des Zusammenhangs von Dominanz mit antisozialen Verhalten ist es plausibel und das wurde auch in mehreren Studien gezeigt, dass Power Posen antisoziale Verhaltensweisen (wie Überbezahlungen verschweigen; Verkehrsdelikte begehen) wahrscheinlicher machen. Dagegen sind Haltungen wie aufrechtes Stehen und Sitzen eher mit Prestige assoziiert. Prestige bedeutet Ansehen und Respekt aufgrund von bestimmten Fähigkeiten und Kenntnissen. Solche Haltungen sind mit höherer Ausdauer bei der Bearbeitung von Aufgaben verbunden.

Einschränkungen

Es gibt es einige Einschränkungen in der bisherigen Power Posing-Forschung zu bedenken, weshalb die gefundenen Effekte noch mit Vorsicht zu betrachten sind. So enthielten viele Studien in unserer Meta-Analyse keine Kontrollgruppe von Teilnehmerinnen und Teilnehmern, die eine neutrale Körperhaltung einnahmen. Das bedeutet, dass wir nicht mit Sicherheit sagen können, ob es die dominanten Posen und aufrechten Körperhaltungen sind, die dazu führen, dass sich die Menschen positiver und selbstbewusster fühlen -  oder ob es die submissiven und zusammengesunkenen Körperhaltungen sind, die die Menschen weniger positiv und selbstbewusst fühlen lassen -  oder ob es eine Kombination aus beiden Effekten ist. Außerdem nahmen an den meisten Studien Personen aus westlichen, gebildeten, industrialisierten, reichen und demokratischen Gesellschaften teil. Die Auswirkungen der Körperhaltungen auf das Erleben und das Verhalten sollten auch in anderen Ländern und Bevölkerungsgruppen untersucht werden.

Implikationen

Power Posen beeinflussen, wie wir uns fühlen und wie wir über uns denken. Möglicherweise können dominante oder aufrechte Körperhaltungen auch zu Verhaltensänderungen führen. Dies impliziert, dass sowohl in therapeutischen Kontexten als auch im Coaching-Bereich der Einbezug von Körperhaltungen eine vielversprechende Technik sein kann, damit sich Klientinnen und Klienten besser und selbstbewusster fühlen. Jedoch handelt es sich lediglich um eine kleine Interventionstechnik, die weder zu physiologischen noch zu lebensverändernden Effekten führt. Auch ist unklar, wie lange die Effekte durch Power Posing anhalten. Personen, die Power Posen anwenden oder anderen empfehlen, können positive Veränderungen auf psychischer Ebene erwarten, doch dürfen dabei keine überzogenen Erwartungen entstehen.

 

Zitierte Literatur

Carney, D. R., Cuddy, A. J. C., & Yap, A. J. (2010). Power posing brief nonverbal displays affect neuroendocrine levels and risk tolerance. Psychological Science, 21, 1363–1369.

Cuddy, A. J. C., Schultz, S. J., & Fosse, N. E. (2018). P-curving a more comprehensive research on postural feedback reveals clear evidential value for „power posing“ effects: Reply to Simmons and Simonsohn (2017). Psychological Science, 29(4), 656–666.

Körner, R., Köhler, H., & Schütz, A. (2020). Powerful and confident children through expansive body postures? A preregistered study of fourth graders. School Psychology International, 41(4), 315–330.

Körner, R., Petersen, L.-E., & Schütz, A. (2021). Do expansive or contractive body postures affect feelings of self-worth? High power poses impact state self-esteem. Current Psychology, 40(8), 4112–4124.

Körner, R., Röseler, L., Schütz, A., & Bushman, B. J. (2022). Dominance and prestige: Meta-analytic review of experimentally induced body position effects on behavioral, self-report, and physiological dependent variables. Psychological Bulletin. Advance online publication.

Nair, S., Sagar, M., Sollers, J., Consedine, N., & Broadbent, E. (2014). Do slumped and upright postures affect stress responses? A randomized trial. Health Psychology, 34, 632–641.

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Witkower, Z., Tracy, J. L., Cheng, J. T., & Henrich, J. (2020). Two signals of social rank: Prestige and dominance are associated with distinct nonverbal displays. Journal of Personality and Social Psychology, 118(1), 89–129.

Yap, A. J., Wazlawek, A. S., Lucas, B. J., Cuddy, A. J. C., & Carney, D. R. (2013). The ergonomics of dishonesty: The effect of incidental posture on stealing, cheating, and traffic violations. Psychological Science, 24(11), 2281–2289.

Prof. Dr. Astrid Schütz

Prof. Dr. Astrid Schütz ist seit 2011 Inhaberin des Lehrstuhls für Persönlichkeitspsychologie und Psychologische Diagnostik sowie Leiterin des Kompetenzzentrums für Angewandte Personalpsychologie an der Universität Bamberg. Nach Studien der Psychologie, Soziologie, Erwachsenenbildung, Gender Studies und Forensic Studies in Erlangen, Bamberg und Tuscaloosa erfolgte ihre Promotionsschrift zu Selbstdarstellung von Politikern und ihre Habilitationsschrift zu Selbstwertregulation und Selbstwerterhöhung. Tätig war sie an der University of Virginia, der Case Western Reserve University, der University of Southampton und der TU Chemnitz tätig. Sie hat über 30 Bücher und über 100 Artikel in internationalen Zeitschriften veröffentlicht. Forschungsschwerpunkte sind Persönlichkeit und Interaktion, Emotionale Kompetenz und Emotionsregulation, Gesundheit, Selbstwert, Narzissmus und Selbstüberschätzung.

(Foto: Barthel, Bamberg)

Robert Körner

Robert Körner, M.Sc., ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Persönlichkeitspsychologie und Psychologische Diagnostik an der Universität Bamberg sowie Doktorand im Arbeitsbereich Sozialpsychologie an der Universität Halle-Wittenberg. Außerdem forschte er an der Melbourne Business School, Australien. Forschungsschwerpunkte sind nonverbale und verbale Aspekte von Macht und Status, die Messung von hierarchiebezogenen Variablen sowie Macht in romantischen und Arbeitsbeziehungen.

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