Das Lehrbuch der Sportpsychiatrie und -psychotherapie behandelt die psychische Gesundheit und Erkrankungen im Leistungssport. Wir sprachen mit Herausgeber Dr. Malte Christian Claussen über das noch junge Fach, seine Verortung und welche Chancen eine adäquate psychiatrisch-psychotherapeutische Versorgung im Leistungssport bietet.
Das Fach Sportpsychiatrie und -psychotherapie ist ein noch recht junges Fachgebiet – wie hat es sich entwickelt?
Die Ursprünge der Sportpsychiatrie und -psychotherapie liegen Ende der 80er und Anfang der 90er-Jahre. Geprägt wurde der Begriff unter anderem durch Dan Begel, der die Sportpsychiatrie als die Anwendung des Wissens der Psychiatrie in der Welt des Sports beschrieb. Anfang der 90er-Jahre wurde zudem bereits in den USA mit der International Society for Sports Psychiatry ISSP eine erste Fachgesellschaft gegründet. Der Fokus der Sportpsychiatrie und -psychotherapie in Nordamerika und in der ISSP lag und liegt im Besonderen im Leistungssport und hier auf der Förderung der psychischen Gesundheit und dem Umgang mit und der Behandlung von psychischen Beschwerden und Erkrankungen.
Im deutschsprachigen Raum ist die Entwicklung der Sportpsychiatrie und -psychotherapie eng mit der Gründung des gleichnamigen Referats in der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde e. V. DGPPN verbunden. Der Gründung des DGPPN-Referats „Sportpsychiatrie und -psychotherapie“ ging der tragische Suizid von Robert Enke – damals Torwart der Deutschen Fußball Nationalmannschaft – im November 2009 voraus. Und anders als in den USA und der ISSP wurde durch das DGPPN-Referat von vornherein neben dem Leistungssport, Sport und Bewegung bei psychischen Erkrankungen bzw. Sport und Bewegung in der Prävention und Therapie psychischer Erkrankungen als weiteres Tätigkeitsfeld aufgenommen.
In der Schweiz gründete sich 2019 mit der Schweizerischen Gesellschaft für Sportpsychiatrie und -psychotherapie SGSPP die erste nationale und zweite eigenständige sportpsychiatrische Fachgesellschaft, in deren Folge sich weitere nationale Gesellschaften gründeten. Eingefügt wurde durch die SGSPP unter anderem ein drittes Tätigkeitsfeld, sportspezifische psychische Störungen und Erkrankungen im Breitensport. Dies war nötig, da beispielweise suchthaftes Sport- und Bewegungsverhalten, die Muskeldysmorphie oder der Gebrauch sogenannter form- und leistungsfördernder Substanzen im Freizeitsport den Tätigkeitsfeldern von Sportpsychiater*innen und -psychotherapeut*innen zwar zugerechnet wurden, sich aber in den beiden etablierten Tätigkeitsfeldern nicht ausreichend abbilden ließen.
Aufgrund der Schnittmenge sowohl mit dem Leistungssport als auch dem Gesundheitssport wird dieses dritte und jüngste Tätigkeitsfeld im Lehrbuch der Sportpsychiatrie und -psychotherapie mitaufgenommen. Ein zweiter Band zum Thema befindet sich derzeit in Vorbereitung und wird Sport und Bewegung bei psychischen Erkrankungen und damit das zweite Tätigkeitsfeld adressieren.