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Therapeutischer Zugang: Emotionen von Kindern und Jugendlichen

Wie sich Gefühle und Emotionsregulation entwickeln sowie testen und trainieren lassen, beschreiben unsere Autorinnen Katharina Kupper und Sonja Rohrmann.

Freude können Kinder am besten, Angst und Ekel am wenigsten gut erkennen.

Basisemotionen sind kulturübergreifend gleich

Ärger, Freude, Angst, Ekel, Verachtung, Trauer, Überraschung: diese Emotionen definierte der Psychologe Paul Ekman im Zuge seiner langjährigen Forschung als Basisemotionen, da sie anhand ihres charakteristischen Gesichtsausdrucks kulturübergreifend gleich verstanden werden.

Mit diesen Basisemotionen sind jeweils auch noch andere Emotionen verknüpft, die in ihrer Art und Intensität variieren. Es haben sich jedoch noch weitere Theorien etabliert, die eine andere Anzahl von Basisemotionen vorsehen. So werden laut Izard beispielsweise zehn Basisemotionen in unterschiedlichen Intensitätsgraden dargestellt: Interesse ­– Erregung, Vergnügen – Freude, Überraschung – Schreck, Kummer – Schmerz, Zorn – Wut, Ekel – Abscheu, Geringschätzung – Verachtung, Furcht – Entsetzen, Scham/Schüchternheit – Erniedrigung und Schuldgefühl – Reue. Darüber hinaus können die Emotionen auch danach klassifiziert werden, ob sie als momentane Zustände (sogenannte States) auftreten oder als zeitlich überdauernde Eigenschaften (sogenannte Traits) erfasst werden. Entscheidend ist dabei die zeitliche Komponente, aber auch die Intensität spielt eine Rolle.

Wie fühlen Kinder und Jugendliche?

Gerade im Kindes- und Jugendalter zeigen sich Emotionen oft sehr direkt und intensiv. Beobachtet man Kinder im Alltag, sind folgende Szenarien häufig anzutreffen: Ein Kind weint, weil ihm ein anderes Kind sein Spielzeug weggenommen hat, ein Kind bekommt in einem Laden einen Wutanfall, weil ihm seine Eltern keine Süßigkeiten kaufen wollen und ein Jugendlicher zieht sich zurück, weil er in der Schule gemobbt wird und mit niemandem darüber sprechen möchte.

Dabei stellen sich verschiedene Fragen: Ab welchem Alter können Kinder einzelne Emotionen bei sich und anderen erkennen und wie gehen sie dann damit um? Und wie kann man Kinder dabei unterstützen, ihre Emotionen zu erkennen und zu regulieren?

Vor der Emotionsregulation muss die Emotionserkennung gelernt werden

Bereits im Alter zwischen 4 und 8 Jahren entwickeln Kinder ein Wissen über Emotionen und deren Regulation. Vor der Emotionsregulation steht jedoch die Wahrnehmung und Unterscheidung der Emotionen. Die Forschung hierzu legt nahe, dass die Emotionserkennung im Kindes- und Jugendalter unterschiedlich ausgeprägt ist. Im Alter von 3 bis 6 Jahren zeigt sich ein deutlicher Alterseffekt in der Emotionserkennung dahingehend, dass sich diese Fähigkeit mit zunehmendem Alter verbessert, vor allem hinsichtlich der Emotionen Trauer und Überraschung. Freude können Kinder in diesem Altersbereich am besten, Angst und Ekel am wenigsten gut erkennen.

Es hat sich auch gezeigt, dass Kinder zwischen 5 und 10 Jahren Ekel am wenigsten häufig korrekt benennen können. Dies gelingt vor allem den Jüngeren weniger gut. Freude und Trauer hingegen können die Kinder am besten benennen. Darüber hinaus zeigen sich auch Geschlechtereffekte: Mädchen können die Emotionen Ärger und Ekel besser erkennen als Jungen.

Probleme mit der Regulation von Emotionen

Was passiert nun aber, wenn ein Kind oder Jugendlicher seine Emotionen nicht mehr regulieren kann und dauerhaft wütend, traurig oder ängstlich ist? Zunächst einmal ist das Auftreten von negativen Emotionen nicht ungewöhnlich. Bereits im Grundschulalter ärgern sich Kinder durchschnittlich einmal am Tag über Personen in ihrer näheren Umgebung. Kommt dies aber häufiger vor und verursacht es einen Leidensdruck bei den Betroffenen sowie Probleme im sozialen Umfeld, ist gegebenenfalls eine Psychotherapie notwendig.

Die einzelnen Störungsbilder der Kinder- und Jugendpsychotherapie stellen häufig Emotionen in den Fokus. Unter internalisierenden Störungen werden zum Beispiel Angststörungen oder Depression zusammengefasst, die sich auf die Emotionen Angst und Trauer beziehen. Die externalisierenden Störungen beinhalten unter anderem die Störungen des Sozialverhaltens, die häufig mit Wut und Ärger assoziiert sind. Das Ziel in der Psychotherapie ist es dann, an der Regulation genau dieser Emotionen zu arbeiten. Die Kinder und Jugendlichen sollen lernen, die Emotionen wahrzunehmen, zu differenzieren und adäquat mit ihnen umzugehen.

Aussagen über Emotionen von Kindern und Jugendlichen treffen

Um zu lernen, Emotionen regulieren zu können, müssen diese jedoch zunächst erfasst werden. Daher sind geeignete Verfahren notwendig, die unterschiedliche Emotionen umfassen. Nur so ist eine Aussage über Emotionen möglich, die im Alltag von Kindern und Jugendlichen zu Problemen führen. Geeignete Verfahren sollten dabei so konzipiert sein, dass Kinder und Jugendliche diese auch verstehen können und ihre Erlebens- und Gefühlswelt möglichst genau abbilden. Entsprechende Testverfahren sind vor allem notwendig, da Kinder und Jugendliche nicht so offen und frei über ihre Emotionen sprechen können wie Erwachsene, was vor allem bei jüngeren Kindern relevant ist.

Emotionsregulationsverhalten testen und trainieren

Ein Verfahren zur Anwendung bei Kindern und Jugendlichen ist etwa der FEEL-KJ (Grob & Smolenski, 2005), der das Emotionsregulationsverhalten erfasst. Mit Hilfe des Verfahrens kann man somit Hinweise auf das Risiko für die Entwicklung psychopathologischer Auffälligkeit erhalten. Um entdeckte Defizite in der Emotionsregulation auch konkret anzugehen, gibt es Trainingstools wie zum Beispiel das Emotionsregulationstraining ERT für Kinder im Grundschulalter (Heinrichs, Lohaus & Maxwill, 2017), die dabei helfen, Emotionsregulationskompetenzen zu stärken.

Einer der aktuellsten Tests im Bereich Emotionen bei Kindern und Jugendlichen ist das EMO-KJ (Kupper & Rohrmann, 2018). Es bietet die Möglichkeit, sich der Gefühlswelt von Kindern und Jugendlichen in der klinischen Anwendung zu nähern. Das EMO-KJ beinhaltet Materialien zur Diagnostik von grundlegenden Emotionen wie glücklich, traurig, verärgert, ängstlich, schüchtern, angeekelt, stolz, beschämt und verliebt. Dabei gliedert sich das Diagnostikverfahren in einen Teil zur Emotionsdifferenzierung sowie einen Selbstbeurteilungsfragebogen, der die einzelnen Emotionen als Zustandsemotionen (States) und überdauernde Eigenschaften (Traits) erfasst.

Darüber hinaus beinhaltet das Verfahren spielerische Bestandteile, die unter anderem in der Psychotherapie bei Kindern und Jugendlichen angewendet werden können, wie etwa ein Gefühle-Memo-Spiel oder auch Materialien zu den einzelnen Emotionen, die beispielsweise im Rahmen von Verhaltensanalysen genutzt werden können. Mit dem EMO-KJ kann bei Kindern und Jugendlichen ein erster Zugang zu grundlegenden Emotionen, zu deren Differenzierung und Umgang in einem breiten Altersbereich von 5 bis 16 Jahren gewonnen werden. Das EMO-KJ kann störungsübergreifend eingesetzt werden und stellt damit ein adäquates Screening-Verfahren dar, das durch weitere spezifische Verfahren bezüglich der gewünschten Emotionen ergänzt werden kann.

Literatur

Theoretische Grundlagen und Fachliteratur zu Emotionen bei Kindern und Jugendlichen sind im Manual des EMO-KJ zu finden.

Grob, A. & Smolenski, C. (2005). Fragebogen zur Erhebung der Emotionsregulation bei Kindern und Jugendlichen. Bern: Hogrefe.

Heinrichs, N., Lohaus, A. & Maxwill, J. (2017). Emotionsregulationstraining (ERT) für Kinder im Grundschulalter. Göttingen: Hogrefe.

Kupper, K. & Rohrmann, S. (2018). EMO-KJ – Ein Diagnostik- und Therapieverfahren zum Zugang von Emotionen bei Kindern und Jugendlichen. Bern: Hogrefe.

Sonja Rohrmann

Prof. Dr. Sonja Rohrmann ist Dekanin des Fachbereichs für Psychologie und Sportwissenschaften an der Goethe Universität in Frankfurt am Main. Hier leitet sie seit 2009 die Professur für Differentielle Psychologie und Psychologische Diagnostik.

Ihr Forschungsschwerpunkt liegt in der Stress- und Emotionsforschung mit Anwendungsbezug in den klinischen und arbeitspsychologischen Bereich zur Förderung von Gesundheit, Arbeitszufriedenheit und Leistungsfähigkeit unter der Berücksichtigung von Persönlichkeitsunterschieden.

Dipl.-Psych. Katharina Kupper

  • 2006–2012: Studium der Psychologie an der Goethe-Universität Frankfurt am Main
  • 2012–2015: Lehrbeauftragte und Doktorandin an der Goethe-Universität Frankfurt am Main in der Abteilung für Differentielle Psychologie und Psychologische Diagnostik
  • 2015–dato: Wissenschaftliche Mitarbeiterin und Doktorandin an der Goethe-Universität Frankfurt am Main in der Abteilung für Differentielle Psychologie und Psychologische Diagnostik
  • seit 2016: Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutin (Verhaltenstherapie)
  • 2016–dato: Psychologische Psychotherapeutin in Ausbildung