DeutschKlinik und Therapie

ADHS im Erwachsenenalter

Die Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS) im Erwachsenenalter tritt erst langsam ins Bewusstsein der Öffentlichkeit, obwohl Hunderttausende davon betroffen sind. Zur Diagnostik stehen verschiedene Untersuchungsverfahren zur Verfügung, die in den Homburger ADHS-Skalen für Erwachsene zusammengefasst sind. Mit dem Autor Prof. Dr. Rösler haben wir über die Besonderheiten der Störung und die aktuelle Neuauflage des HASE gesprochen.

 

ADHS im Erwachsenenalter ist – obwohl in den letzten Jahren das Bewusstsein gewachsen ist – noch immer recht unbekannt. Gibt es eine Einschätzung, wie viele Menschen in den deutschsprachigen Ländern davon betroffen sind?

Die Untersuchungen zur Prävalenz der ADHS bei Erwachsenen in den deutschsprachigen Ländern zeigen, dass etwa 4-5% der Bevölkerung betroffen sind. Die Behandlungsprävalenz liegt viel niedriger. Ca. 20-30% der Betroffenen sind in Behandlung.

Unterscheiden sich Symptome einer ADHS im Kindes- und im Erwachsenenalter?

Im Prinzip ist die Symptomatik gleich. Im Erwachsenenalter geht die motorische Unruhe zurück und wandelt sich zu einer inneren Unruhe. Die Zeichen der emotionalen Dysregulation (Impulsivität, Stressintoleranz und emotionale Labilität) werden deutlicher.

Welche Rolle spielen Komorbiditäten in der Diagnostik und Behandlung einer adulten ADHS?

ADHS „pur“ ohne komorbide Leiden ist ausgesprochen selten. Eine sorgfältige Diagnostik komorbider Leiden ist unentbehrlich, weil dies für den Behandlungsplan von ausschlaggebender Wichtigkeit ist.

Hat sich die Diagnostik der adulten ADHS durch die Einführung des DSM-5 und durch die bereits jetzt bekannten Änderungen in der ICD-11 geändert?

Die Unterschiede zwischen DSM-5 und der ICD-11 werden geringer sein als bei den bisherigen Konzeptionen. Insbesondere gibt die ICD-11 den Begriff der hyperkinetischen Störungen zugunsten des Terminus ADHS auf. Die verschiedenen Bilder des DSM-5 werden von der ICD-11 übernommen, so dass es in der Klassifikation keine Unterschiede mehr geben wird. Divergent sind weiterhin die diagnostischen Prozeduren. DSM-5 stützt sich auf diagnostische Kriterien, während die DSM-11 auf glossariellen Beschreibungen fußt.

Welche Lücke schließt die in der 2. Auflage des HASE hinzugekommene Wender-Reimherr-Selbstbeurteilungsskala?

Die Wender-Reimherr SB erweitert die Möglichkeiten der Selbstbeschreibung durch die Patienten. Das Spektrum der angesprochenen Symptomatik erfasst nicht nur die klassische Trias mit Impulsivität, Unaufmerksamkeit und Hyperaktivität, sondern schließt Phänomene der emotionalen Dysregulation, Desorganisation und Störungen des Sozialverhaltens ein.

Welche Behandlungsmöglichkeiten gibt es für Erwachsene, wenn eine ADHS diagnostiziert wurde?

Die leitlinienkonforme Therapie stützt sich in ihrer Basis auf eine eingehende Psychoedukation. Falls erforderlich besteht eine pharmakologische Option mit Stimulantien als Therapie der ersten Wahl. In bestimmten Fällen steht Atomoxetin, das nicht zu den Stimulantien gehört, zur Verfügung.
Psychotherapeutische Spezialkonzeptionen wie die DBT (Dialektisch Behaviorale Therapie) stehen zur Verfügung, wenn eine medikamentöse Behandlung nicht gewünscht oder nicht möglich ist oder besondere komorbide Störungen vorliegen.

 

Herzlichen Dank für das Gespräch!