Über die Beschäftigung von Geflohenen in deutschen Betrieben gibt es inzwischen auch Forschungsstudien, dabei handelt es sich aber meist um Betrachtungen aus der Unternehmerperspektive. Die befragten Unternehmer benennen Sprachschwierigkeiten, Einschätzung von fachlichen Kompetenzen und weiteres als Problematiken bei der Einstellung. Irma Rybnikova und Stefanie Wilkmann von der Hochschule Hamm-Lippstadt legen in der Zeitschrift für Arbeits- und Organisationspsychologie eine explorative Studie auf Basis von qualitativen Interviews mit erwerbstätigen Geflohenen vor. Wir haben die Ergebnisse der Studie durch Fragen an unseren Praktikanten Raheem Haidar und unseren Kollegen Ahmad Alhawash ergänzt.
Interviews mit Kollegen
Fragen an Raheem Haidar:
Herr Haidar, woher kommen Sie ursprünglich und seit wann sind Sie in Deutschland?
Ich komme aus Syrien und bin nach Deutschland vor 4 Jahren gekommen.
Welchen Beruf haben Sie in Ihrem Heimatland ausgeübt und wie war der Ausbildungsweg für diesen Beruf?
Ich habe in meinem Heimatland Medienwissenschaften studiert. Dieses Studium erfordert ein Abitur mit einer hervorragenden Note, so dass die Zulassung zu diesem Hauptfach schwierig war. Ich musste während des Studiums arbeiten, um die Studien- und Lebenshaltungskosten zu decken. Ich habe den Journalismus sehr geliebt und ich hatte eine erfolgreiche Zukunft erwartet.
2009 habe ich meinen Abschluss gemacht. Seit 2008 habe ich bei einer Zeitung sowie verschiedenen Webseiten als fest angestellter Mitarbeiter gearbeitet, wodurch ich zusätzliche Qualifikationen für die Vorbereitung von Radioberichten erlangen konnte. Zudem habe ich an Kursen zum Verfassen von Presseberichten teilgenommen.
2012 musste ich Syrien in Richtung Libanon verlassen, da ich für eine Newswebsite gegen das al-Asad Regime gearbeitet habe. In Libanon habe ich als Online-Content-Manager und Social Media Content Moderator für einen Radiosender gearbeitet.
Sie üben diesen Beruf jetzt nicht mehr aus, woran liegt das?
Der Hauptgrund, der mich daran gehindert hat, in Deutschland zu arbeiten, ist, dass im Journalismus mehr als ein sehr gutes Sprachniveau benötigt wird und die Konkurrenz um die wenigen Stellen sehr hoch ist. Aufgrund meines Flüchtlingsstatus darf ich nicht ohne guten Grund in eine andere Stadt umziehen, wo es vielleicht mehr Stellenangebote gäbe.
Sie machen zurzeit ein Praktikum hier im Verlag, zu welcher Ausbildung gehört dieses Praktikum?
Ich mache eine Umschulung zum Mediengestalter in Digital und Print, dazu wird ein Praktikum für 6 Monate benötigt.
Werden Sie in Ihrer Ausbildung ausreichend unterstützt, z.B. was Sprachprobleme oder kulturelle Unterschiede angeht?
Nein, ich habe keine besondere Unterstützung bekommen, aber die Dozenten im WBS-Training und meine Kolleg*innen im Hogrefe Verlag waren sehr aufgeschlossen.
Wenn es alle Möglichkeiten gäbe, in welchem Beruf würden Sie dann am liebsten arbeiten?
Ich würde als Mediengestalter arbeiten.
Fragen an Ahmad Alhawash:
Herr Alhawash, woher kommen Sie ursprünglich und seit wann sind Sie in Deutschland?
Mein Heimatland ist Syrien und ich bin Ende 2015 als Geflüchteter nach Deutschland gekommen.
Waren Sie in Ihrem Heimatland schon berufstätig oder haben Sie dort eine Ausbildung gemacht?
Ich hatte in meinem Heimatland Jura studiert und befand mich in meinem Vorabschlussjahr als ich fliehen musste. Nebenbei habe ich noch meinen eigenen Handyladen betrieben.
Sie haben hier im Verlag eine Ausbildung gemacht zum Kaufmann für Büromanagement, wie kam es dazu?
Ich habe mich über mögliche Ausbildungsplätze erkundigt, da ich möglichst schnell auf dem Arbeitsmarkt in Deutschland ankommen wollte. Zudem wollte ich eine Ausbildung machen, die mir für meine Zukunft viele Arbeitsmöglichkeiten gibt. So bin ich auf die kaufmännische Ausbildung gekommen.
Wurden Sie in Ihrer Ausbildung ausreichend unterstützt, z.B. was Sprachprobleme oder kulturelle Unterschiede angeht?
Ja, in der Berufsschule wurde mir die Möglichkeit gegeben Deutsch-Kurse zu besuchen, allerdings wurden mir dort vor allem die Grundlagen beigebracht, welche ich bereits in meinen vorherigen Kursen gelernt hatte. Mir hätte es mehr gebracht, wenn in den Kursen vor allem das Fachvokabular besprochen werden würde. Es wurden keine Kurse angeboten, in denen ich etwas über die kulturellen Unterschiede hätte lernen können. Ich habe aber viel durch meine deutschen Freunde über die Kultur und die Arbeitswelt lernen können.
Sie haben Ihre Ausbildung vor Kurzem abgeschlossen, wie geht es jetzt für Sie weiter?
Ich arbeite momentan weiterhin in dem Betrieb, bei dem ich meine Ausbildung gemacht habe. Mir macht die Arbeit dort viel Spaß, weil ich tolle Arbeitskollegen habe und die Arbeit sehr abwechslungsreich ist. In der Zukunft würde ich gerne nochmal studieren, da ich mein Studium in Syrien leider nicht beenden konnte. In welche Richtung ich gehen werde weiß ich momentan aber noch nicht.
Wenn es alle Möglichkeiten gäbe, in welchem Beruf und in welcher Branche würden Sie dann am liebsten arbeiten?
Wenn ich nochmal alle Möglichkeiten hätte, würde ich gerne mein Jura-Studium beenden und als Richter/Anwalt arbeiten