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Brennhovd-Biografie: Ein Leben für Toleranz und Völkerverständigung

Olav Brennhovd wurde von der SS gefangen genommen und gefoltert. Trotzdem ging der Norweger nach dem Krieg ins Land seiner Peiniger. In Deutschland setzte er sich für Völkerverständigung und gegen Antisemitismus ein. Seine Biografie ist nun bei Hogrefe erschienen.

Autor Erling Rimehaug bei der Vorstellung der deutschen Fassung seiner Brennhovd-Biografie

Am 15. Juni 2018 fällt Frau Dr. Helga-Maria Kühn bei Recherchen im Göttinger Stadtarchiv ein Dokument in die Hände, das auf den gleichen Tag und Monat datiert ist, als Jahreszahl jedoch 1948 aufweist. Das Dokument ist somit exakt 70 Jahre alt. Umso überraschter ist die ehemalige Leiterin des Stadtarchivs über den Inhalt, der ihr so aktuell erscheint, als könne er in der heutigen Zeit verfasst worden sein.

Olav Brennhovd und der Hogrefe Verlag

Bereits 1948 gründete Olav Brennhovd im Göttinger „Fridtjof-Nansen Haus“ das erste internationale Studentenheim Westdeutschlands. Mittlerweile ist das „Fridtjof-Nansen-Haus“ im Besitz des Hogrefe Verlags. Damit ist Hogrefe Brennhovds Geschichte in besonderer Weise verbunden. Deswegen möchte der Verlag mit der Herausgabe der deutschen Fassung seiner Biografie einen Beitrag gegen das Vergessen und für ein demokratisches Bewusstsein sowie die europaweite Versöhnung setzen.

Persönlicher Austausch und bedingungslose Toleranz

Was sie da in den Händen hält, ist das Gründungsprogramm des „Fridtjof-Nansen-Hauses“, des ersten internationalen Studentenheims auf westdeutschem Boden. Der norwegische Pfarrer Olav Brennhovd beschreibt darin, dass er Menschen ungeachtet ihrer Herkunft, ihres Geschlechts oder Religion zusammenbringen möchte, damit sie nach dem Krieg wieder miteinander ins Gespräch kommen. Er ist fest davon überzeugt, dass sich durch persönlichen Austausch und bedingungslose Toleranz alle Unterschiede überwinden lassen. Was er will, so Frau Dr. Kühn, ähnelt dem, was Joachim Gauck in diesen Tagen in seinem Buch „Toleranz – einfach schwer“ fordert.

Von der SS gefangen genommen, gefoltert und zum Tode verurteilt

Der Norweger Brennhovd, der während des zweiten Weltkriegs als Widerstandskämpfer auch Verfolgten zur Flucht nach Schweden verhilft, wird 1943 von der SS gefangen genommen, gefoltert, zunächst zum Tode verurteilt und schließlich zu acht Jahren Zuchthaus „begnadigt“. Die Haltung „Ich kann nicht hassen“ ist nicht nur aus seinem tiefen christlichen Glauben erwachsen, er erkämpfte sie sich existenziell, sie hilft ihm, die Folter zu überleben, durch sie gewinnt er die Gelassenheit, die ihn den Nazis gegenüber überlegen sein lässt. An dieser Überzeugung hält er sein Leben lang fest. Sie ist die innere Triebfeder seines zukünftigen Wirkens, die ihn schließlich zu einem Brückenbauer zwischen Menschen verschiedener Nationen macht.

Geistige und materielle Unterstützung für die deutsche Jugend

Nach dem Krieg verlässt Brennhovd sein Land und seine Familie und sieht sich in der Pflicht, alles zu tun, dass sich diese furchtbaren Erfahrungen mit ihrem Nährboden im Nationalismus und Antisemitismus nie wiederholen. Er sieht, dass nun vor allem die deutsche Jugend sowohl geistige als auch materielle Unterstützung braucht.

Schwiegersohn entdeckt Tagebuch Brennhovds

Erling Rimehaug, Schwiegersohn Olav Brennhovds und Autor des Buches „Hassen kann ich nicht“ entdeckt 2012 ein „Neues Testament“, das Brennhovd während seiner Haftzeit bei sich trug, und in das er heimliche Tagebuchaufzeichnungen machte. Zusammen mit seiner Frau Mette reist Erling Rimehaug nach Deutschland und findet Spuren eines Mannes, der nachhaltig und eindringlich gewirkt hat.

Die Gründung des „Fridtjof-Nansen-Hauses“ 1948 unter denkbar schlechten Bedingungen in der Universitätsstadt Göttingen ist ein Meilenstein auf Brennhovds Weg. Hier will er eine Freiheit des Geistes schaffen. Es gibt Raum für Diskussionen ebenso wie für kulturelle Vergnügungen, wie Tanz und gemeinsames Musizieren. Im „Fridtjof-Nansen-Haus“ leben Studenten unterschiedlicher Nationen Seite an Seite. Auch gemeinsame Reisen in die Länder des damaligen Ostblocks sind in der Zeit des „Kalten Krieges“ ein wichtiger Teil seines versöhnenden Konzepts.

All dieses und auch manches Widersprüchliche finden die beiden norwegischen Spurensucher. Brennhovds Credo: „Hassen kann ich nicht“ empfinden sie als sein bleibendes Erbe. Es entstand dieses bemerkenswerte Buch, in dem auch die Familie ein neues Verhältnis zu Olav Brennhovd gefunden hat.

Deutsche Übersetzung der Biografie im „Fridtjof-Nansen-Haus“ vorgestellt

Die nun erschienene deutsche Übersetzung wurde von der Herausgeberin, Helga-Maria Kühn, ergänzt und am 25. November vom Hogrefe Verlag mit einer kleinen Vernissage im neuen Verlagsgebäude, dem „Fridtjof-Nansen-Haus“, vorgestellt. Neben Herausgeberin und Autor waren auch Vertreter von Stadt und Universität anwesend. Die Übersetzung von Erling Rimehaugs Brennhovd-Biografie soll ein Göttinger Beitrag sein – gegen das Vergessen, für ein demokratisches Bewusstsein, für eine europaweite Versöhnung.

JH