Für den Aufbau einer sicheren Bindung ist, wie Sie schreiben, Sensitivität Voraussetzung. Woher weiß ich, ob ich genügend Feinfühligkeit besitze? Was ist, wenn ich denke, dass mir hier etwas fehlt?
Elterliche Sensitivität (oder auch Feinfühligkeit) ist entscheidend für den Aufbau einer sicheren Bindung zwischen Eltern und Kind. Es ist ein wichtiger Schritt, wenn Eltern sich ihrer eigenen Sensitivität bewusst sind und sich bemühen, die Bedürfnisse ihres Kindes einfühlsam wahrzunehmen, richtig zu interpretieren und prompt und angemessen darauf zu reagieren. Gemeinsames Zeitverbringen, aktives Zuhören und bewusstes Wahrnehmen können dabei helfen, das Kind und seine Bedürfnisse besser kennenzulernen und dadurch auch die Sensitivität zu stärken. Wenn Eltern merken, dass sie sich damit überfordert fühlen, häufig nicht deuten können, was ihr Kind braucht, oder nicht angemessen auf die Bedürfnisse und Signale ihres Kindes reagieren, können sie sich an Fachpersonen und Beratungsstellen wenden.
An dieser Stelle ist wichtig anzumerken, dass Eltern häufig hohe Anforderungen an sich selbst und das eigene Fürsorge- und Erziehungsverhalten stellen. Neben der Kindererziehung sollen Eltern auch ihren eigenen Bedürfnissen, Verpflichtungen und Anforderungen außerhalb der Elternschaft nachkommen. Alles miteinander zu vereinbaren, kann im Alltag eine sehr große Herausforderung darstellen. Die perfekte Sensitivität gibt es nicht und sie ist auch nicht erstrebenswert. Donald Winnicott, ein britischer Kinderarzt und Psychoanalytiker, hat das Konzept der "perfekten Mutter" (hier erweitert auf weitere Bezugspersonen) daher abgelehnt und stattdessen das Konzept der "good enough" (hinreichend guten) Eltern eingeführt. Damit soll verdeutlicht werden, dass hinreichend gutes Fürsorgeverhalten für eine gesunde kindliche Bindungsentwicklung ausreicht. Es geht also auch um die elterliche Selbstfürsorge, weil es nicht zum Wohle des Kindes ist, wenn die Eltern erschöpft und ausgebrannt sind.