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Eignungsdiagnostik trotz Fachkräftemangel

Ein Blick in diverse Stellenportale macht eins schnell klar: Der Fachkräftemangel in Deutschland ist ein ernstes Problem. Laut Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) sehen mehr als 50 Prozent der Unternehmen den Fachkräftemangel als größte Gefahr für ihre Geschäftsentwicklung. Dementsprechend sieht auch der Stellenmarkt aus - viele offene Stellen, wenig (passende) Bewerber*innen. Das bringt auch Konsequenzen für den Auswahlprozess mit sich. Die Kunst besteht schon längst nicht mehr darin, aus einer Flut an Bewerber*innen die passenden auszuwählen, sondern den Kreis für potenzielle Mitarbeiter*innen zu erweitern und auch Quereinsteiger*innen, Fachkräfte aus dem Ausland oder Personen, die auf den ersten Blick die fachlichen Voraussetzungen nicht mitbringen, in den Auswahlprozess einzubeziehen. Doch welche Bedeutung hat ein veränderter Bewerberpool für unsere Personalauswahlprozesse und welchen Nutzen haben eignungsdiagnostische Instrumente, wenn die Anzahl an geeigneten Bewerber*innen gering ist? 

Eignungsdiagnostik - geeignete Kandidaten trotz Fachkräftemangel finden

Höhere Anforderungen an die Qualität von Personalauswahlverfahren

Der Fachkräftemangel führt dazu, dass sich grundsätzlich weniger Personen auf eine vakante Stelle bewerben – warum also zusätzlich noch Zeit und Geld in ein solides und wissenschaftlich fundiertes Auswahlverfahren investieren, wenn sowieso weniger geeignete Personen zur Auswahl stehen? Betrachten wir an dieser Stelle zunächst ein einfaches Beispiel. Für eine vakante Stelle haben wir 10 potenzielle Bewerber*innen. Von diesen 10 Personen gelten nur zwei Personen im Hinblick auf das Anforderungsprofil als „geeignet“. Eine Zufallsentscheidung, also die richtige Wahl per Zufall zu treffen, liegt bei 20 %. Mit einem verlässlichen Auswahlverfahren hingegen steigt die Erfolgsquote, die geeigneten Personen zu identifizieren. Insbesondere bei anspruchsvollen Tätigkeiten und vor dem Hintergrund des Fachkräftemangels liegt die Quote von geeigneten Bewerber*innen sehr viel niedriger. Das bedeutet: je geringer die Quote von geeigneten Personen ist, desto wichtiger ist ein qualitativ gutes Personalauswahlverfahren, um die richtigen Personen zu identifizieren (Kanning, 2019).

Abbildung 1: Bedeutung eines guten Personalauswahlverfahren. Quelle: In Anlehnung an Kanning, 2019

Auch wenn in der Personalauswahl keine Zufallsentscheidungen getroffen werden, ist die Einsatzhäufigkeit von nicht validen Instrumenten hoch. Neben dem sinnvollen Einsatz von einem strukturierten Interview zeigt sich zum Beispiel auch, dass die Kombination von einem Intelligenztest mit einem Persönlichkeitsfragebogen die Prognosekraft für zukünftigen Berufserfolg erhöht (Schmidt et al., 2016; Sackett et al., 2021). Nun wird vielleicht der Eindruck erweckt, dass ein verlässliches Auswahlverfahren nur durch die Wahl der eignungsdiagnostischen Instrumente bestimmt wird. Das ist an dieser Stelle aber nur die halbe Wahrheit, denn die Stärke eines soliden und wissenschaftlich fundierten Auswahlverfahrens liegt in der Gesamtheit des Prozesses – angefangen bei der Klärung und Definition von Anforderungen bis hin zum Ergebnisfeedback.

So optimieren Sie Ihre Auswahlprozesse

Wie sollte ein fundiertes Personalauswahlverfahren aufgebaut werden, damit wir eine möglichst hohe Erfolgsquote haben? Der erste und gleichzeitig wichtigste Schritt ist die Erarbeitung bzw. Definition eines Anforderungsprofils, welches die erfolgskritischen Eigenschafts- und Verhaltensanforderungen der Stelleninhaber*innen beschreibt (siehe auch: Entwicklung eines Anforderungsprofils). Besonders vor dem Hintergrund des Fachkräftemangels sollte zudem überlegt werden, welche Anforderungen wirklich relevant sind und ein Mindestkriterium darstellen und bei welchen Anforderungen eine Entwicklung der Bewerber*innen möglich ist. So können z. B. bestimmte Persönlichkeitseigenschaften bzw. kognitive Leistungsvoraussetzungen mehr Gewicht bekommen, die eine schnelle Aneignung von fachlichem Wissen erlauben (z. B. Leistungsmotivation, Lernfähigkeit oder Wahrnehmungsgeschwindigkeit). Somit beurteilen wir nicht nur, ob eine Person geeignet ist oder nicht, sondern auch den Grad der Eignung und können gleichzeitig ein gezieltes Entwicklungsprogramm für unsere zukünftigen Mitarbeiter*innen aufstellen.

Aufbauend auf dem definierten Anforderungsprofil werden die diagnostischen Instrumente ausgewählt. Wichtig ist in diesem Zusammenhang der Methodenmix, um das definierte Anforderungsprofil aus verschiedenen Blickwinkeln zu erfassen. Für die Praxis bedeutet das konkret, dass neben einem strukturierten Interview auch eigenschaftsorientierte Instrumente (z. B. Testverfahren) und simulative Elemente (z. B. Arbeitsprobe) eingesetzt werden sollten.

Grundlegende Schritte sind mit der Definition des Anforderungsprofils und der Auswahl der geeigneten Instrumente bereits ausgeführt. Aber auch im weiteren Prozess gibt es wichtige Kriterien zu berücksichtigen, die für einen validen Prozess unabdingbar sind. Hierzu gehört zum Beispiel die Erarbeitung von Entscheidungsregeln aber auch die Schulung aller am Prozess beteiligten Personen zu den diagnostischen Instrumenten (z. B. Beobachterschulung).

Zusammenfassend kann also festgehalten werden, dass ein fundierter eignungsdiagnostischer Prozess die Erfolgsquote, die geeigneten Bewerber*innen zu identifizieren, bestimmt. Vor allem der Fachkräftemangel führt dazu, dass sich immer weniger geeignete Personen auf eine vakante Stelle bewerben und somit neben der Feststellung der Eignung auch den Fokus auf entwickelbare Eignungsmerkmale wichtig ist, um den Kreis potenzieller Mitarbeiter*innen zu erweitern. Es lohnt sich also Zeit und Geld in einen guten Auswahlprozess zu investieren, auch wenn die Menge an Bewerber*innen überschaubar ist. Und schließlich kostet es oftmals viel mehr Geld, Zeit und Nerven, eine falsche Person einzustellen, als einen Prozess wissenschaftlich fundiert aufzusetzen.

Wollen auch Sie Ihren Auswahlprozess effizienter gestalten und zukünftig keine potenziell geeigneten Bewerber*innen mehr übersehen? Dann kontaktieren Sie uns und wir schauen gemeinsam welche Instrumente für Ihre Prozesse die richtigen sind.

Literatur

Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz. Fachkräfte in Deutschland. Verfügbar unter: https://www.bmwk.de/Redaktion/DE/Dossier/fachkraeftesicherung.html

Kanning, Uwe Peter (2019). Standards der Personaldiagnostik. Göttingen: Hogrefe.

Schmidt, F. L., Oh, I. S., & Shaffer, J. A. (2016). The validity and utility of selection methods in personnel psychology: Practical and theoretical implications of 100 years. Fox School of Business Research Paper, 1-74.

Sackett, P. R., Zhang, C., Berry, C. M., & Lievens, F. (2021). Revisiting meta-analytic estimates of validity in personnel selection: Addressing systematic overcorrection for restriction of range. Journal of Applied Psychology.107(11), 2040–2068.

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