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Einstellungsinterviews

Das Einstellungsinterview ist für die meisten Arbeitgeber das Verfahren der Wahl. Fast jedes Auswahlverfahren beinhaltet ein Einstellungsinterview.
Im Vergleich zu anderen Auswahlverfahren hat das Einstellungsinterview in den vergangenen Jahrzehnten besonders stark von methodischen Fortschritten profitiert. Früher galt es nicht als geeignete Vorgehensweise, um wichtige Aspekte beruflichen Erfolgs, wie Leistung oder Arbeitszufriedenheit, vorherzusagen. Aufgrund der Fehleranfälligkeit von Interviews konnten keine gültigen Aussagen aus den Ergebnissen abgeleitet werden. Einstellungsinterviews hatten – methodisch gesprochen – eine geringe Validität.

Typische Fehlerquellen sind:

  • mangelnder Anforderungsbezug der Fragen,
  • unzulängliche Verarbeitung der aufgenommenen Information,
  • geringe Übereinstimmung zwischen den Beurteilern,
  • Beeinflussung durch frühe Gesprächseindrücke,
  • Überbewertung negativer Information,
  • Beeinflussung durch Stimmungen und Gefühle,
  • zu großer Redeanteil des Interviewers.

Ein gutes Interview hat Struktur

Mittlerweile haben Wissenschaftler herausgearbeitet, dass drei grundlegende Maßnahmen ausschlaggebend sind, um Fallen zu vermeiden und die Qualität  von Einstellungsinterviews zu verbessern:

  1. Analyse der Anforderungen
    Die Analyse der Anforderungen spielt beim Interview die gleiche Rolle wie bei allen Auswahlverfahren: Nur wenn bekannt ist, auf welches Verhalten, auf welche Fähigkeiten und Erfahrungen es ankommt, können die richtigen Fragen gestellt werden.
  2. Strukturiertheit der Fragen
    Um geringe Strukturiertheit der Fragen handelt es sich, wenn lediglich thematische Bereiche vorgegeben werden, höher ist sie, wenn Fragen und Nachfragen vorgegeben werden, und am höchsten, wenn allen Kandidaten dieselben Fragen gestellt werden.
  3. Strukturiertheit der Antwortbewertung
    Ganz analog ist auch die Strukturiertheit der Antwortbewertung abstufbar, indem entweder am Schluss des Gesprächs ein Gesamteindruck festgehalten wird, nach mehreren Anforderungsdimensionen beurteilt oder jede Antwort gemäß vorgegebenen Verankerungen eingestuft wird.

Hochstrukturierte Interviews sind effizient – freie Gespräche schaffen Akzeptanz

Nahezu alle Studien zur Vorhersagekraft von Interviews haben bessere Werte für anforderungsbezogene und hochstrukturierte Vorgehensweisen im Vergleich zu frei geführten Gesprächen gefunden. Auch hinsichtlich des Aufwands sind hochstrukturierte Interviews im Vorteil, denn ein einzelnes hochstrukturiertes Interview ist so zuverlässig (reliabel) wie mehrere frei geführte Gespräche. Allerdings fühlen sich viele Interviewer nicht wohl in ihrer Rolle, wenn sie ausschließlich vorgegebene Fragen ablesen sollen. Auch Bewerber schätzen Vorstellungsgespräche mehr, die zumindest in Teilen frei geführt werden. Es empfiehlt sich also in den meisten Fällen ein wohlabgewogener Kompromiss.

Die bekanntesten Interviewarten

Die drei derzeit verbreitetesten Typen strukturierter Auswahlgespräche sind das Situative Interview, das Biografische Interview und das Multimodale Interview. Alle drei werden anforderungsbezogen entwickelt, und für alle drei wurde eine gute Vorhersagekraft nachgewiesen.

  1. Das Situative Interview nach Latham
    Es werden kurze Situationsbeschreibungen vorgegeben – vorzugsweise Dilemmasituationen, die Abwägungen erfordern. Die Kandidaten sollen schildern, welches Verhalten sie in diesen Situationen zeigen würden. Der Interviewer bewertet jede Antwort anhand vorgegebener Verankerungen.
  2. Das Biografische Interview
    Unter den biografiebezogenen Interviews wird am häufigsten das Behavior Description Interview nach Janz eingesetzt. Dabei werden biografische Fakten und Leistungsergebnisse erfragt, Fachkenntnisse und Fähigkeiten, Erfahrungen, Selbsteinschätzungen und die Beschreibung eigenen Verhaltens in relevanten Arbeitssituationen.
  3. Das Multimodale Interview nach Schuler
    Dieses Interview besteht aus acht Gesprächskomponenten, darunter situative und biografische Fragen, aber auch freie Gesprächsteile, eine Selbstvorstellung, eine systematische Anforderungsinformation und Abschnitte für Fragen des Bewerbers. Die Antworten auf die Fragen werden mithilfe von Verankerungen bewertet, in anderen Teilen erfolgt die Bewertung summarisch oder nach vorgegebenen Anforderungsdimensionen.

Interviewtrainings

Einstellungsinterviews sollten nicht ohne Trainingsphase zur sachgemäßen Einübung des verwendeten Verfahrens eingeführt werden. Mit der Kombination eines anforderungsbezogenen, strukturierten Gesprächsleitfadens und der Vorbereitung der Interviewer durch ein systematisches Training steht dann ein Einstellungsinterview zur Verfügung, das in seiner Qualität den besten anderen Auswahlverfahren ebenbürtig ist.

Prof. Dr. Heinz Schuler

Studium der Psychologie und Philosophie in München. 1973 Promotion. 1978 Habilitation. 1979-1982 Professor und Institutsleiter an der Universität Erlangen. Von 1982-2010 Inhaber des Lehrstuhls für Psychologie an der Universität Hohenheim, Stuttgart. Gründungsherausgeber der Zeitschrift für Personalpsychologie. Autor berufs- und personalpsychologischer Diagnoseverfahren, die in zahlreiche Sprachen übertragen wurden. Träger des Deutschen Psychologie Preises 2017.