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Freude durch Sport und Bewegung bei psychischen Erkrankungen

Die Sport- und Bewegungstherapie ist eine effektive Ergänzung in der Therapie der Major Depression. Die Empfehlungen von mind. 150 Minuten moderater oder 75 Minuten intensiver körperlicher Aktivität pro Woche sollten erfüllt werden, damit positive Effekte erreicht werden. Zudem sollten individuelle Bedürfnisse und der körperliche Gesundheitszustand in die Planung und Durchführung mit einbezogen werden, damit die Patient*innen auch langfristig Freude an der Bewegung haben.

Sport und Bewegung Paar beim Radfahren

Sport und Bewegung in der Therapie der Major Depression

Bewegung und Sport helfen, psychische und physische Erkrankungssymptome zu lindern, verbessern die körperliche Leistungsfähigkeit und können dazu beitragen, einen gesunden und körperlich aktiven Lebensstil aufzubauen. Deshalb wird die Bewegungs- und Sporttherapie auch von verschiedenen Organisationen in ihren Behandlungsleitlinien empfohlen.

Trotz diesen Empfehlungen, einer guten empirischen Studienlage und dem Wissen um positive Effekte der körperlichen Aktivität ist ein Großteil von Personen mit einem depressiven Störungsbild körperlich wenig aktiv, was auch dem Erkrankungsbild geschuldet ist. Dies sollte in eine Intervention miteinbezogen werden und, falls möglich, die Intervention auch weitgehend individuell an die Patientinnen und Patienten angepasst werden, wie es auch bei Behandlungen durch Psychotherapie und Psychopharmaka der Fall ist.

Bewegungsempfehlungen für die Praxis …

Die World Health Organisation (WHO) empfiehlt gesunden Erwachsenen, sich mindestens 150 Minuten pro Woche mit moderater Intensität oder 75 Minuten mit intensiver Intensität zu bewegen. An diesen generellen Empfehlungen kann man sich auch bei der Behandlung einer depressiven Störung oder von depressiven Symptomen orientieren. Einheiten zwischen mindestens 30–40 Minuten an drei bis vier Tagen pro Woche bewirken bereits positive Effekte bei der Linderung von depressiven Symptomen. Dabei ist es wichtig, dass man sich regelmäßig über einen längeren Zeitraum bewegt. Bei Patient*innen, die sich regelmäßig über ein Jahr hinweg etwa 150–180 Minuten pro Woche bewegten, traten klinisch relevant niedrigere Depressionswerte auf als bei denjenigen, die sich nicht oder nur wenig bewegten.

Neben der Häufigkeit und Dauer spielt auch die Art der körperlichen Aktivität eine wichtige Rolle. Die WHO empfiehlt allgemein, sich mit moderater bis intensiver Intensität zu bewegen. Günstig scheint es dazu zu sein, wenn zusätzlich bis zweimal in der Woche Kräftigungstraining der großen Muskelgruppen betrieben wird oder bis zu dreimal in der Woche die körperliche Aktivität in Form von Beweglichkeits-, Gleichgewichts- oder psychoregulatorischem Training umgesetzt wird. Dies zeigt sich auch in den Empfehlungen für Patient*innen mit einer Depression. Allgemein spielt es in Bezug auf die Linderung von depressiven Symptomen keine Rolle, welcher Aktivität nachgegangen wird. Neben körperlichen Voraussetzungen sollten die Präferenzen eines jeden einzelnen bei der Intensität und der Form der körperlichen Aktivität mitberücksichtigt werden.

… und wieso es sich lohnt, diese umzusetzen

Die bisher genannten Empfehlungen bieten einen guten Überblick, in welchem Rahmen körperliche Aktivität stattfinden kann. Jedoch gibt es weitere Faktoren, die beachtet werden sollten, wenn körperliche Aktivität bei der Behandlung einer Depression eingesetzt wird. Um nachvollziehen zu können, warum Menschen körperlich aktiver oder weniger aktiv sind, werden u.a. Determinanten der körperlichen Aktivität für Erklärungsansätze genutzt. Selbstwirksamkeit, Gesundheitszustand, persönliche Vorgeschichte bisheriger körperlicher Aktivität im Erwachsenenalter und die Intention sowie Motivation, aktiv zu sein, scheinen dabei Hauptbedingungen der körperlichen Aktivität bei Erwachsenen zu sein.

Gesetzte Ziele zu erreichen oder diese sogar zu übertreffen, bereitet Freude. Erreichte Ziele bestärken das eigene Können und Handeln und führen zu einer Steigerung der Selbstwirksamkeit. Diese Verbesserung erhöht die Wahrscheinlichkeit, einen körperlich aktiven Lebensstil aufrechtzuerhalten, steigert die gesundheitsbezogene Lebensqualität und verbessert das eigene Körperbild. Um dies zu erreichen, müssen Ziele individuell und realistisch definiert werden. Diesen positiven Aspekt der gesteigerten Selbstwirksamkeit durch vermehrte körperliche Aktivität gilt es aufzuzeigen und den Patient*innen vor Augen zu führen.

Verbesserung der kardiorespiratorischen Leistungsfähigkeit

Personen mit depressiven Störungen weisen durch körperliche Inaktivität ein besonders hohes Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen auf und haben dadurch eine schlechtere Lebensqualität und eine reduzierte Lebenserwartung. Deshalb scheint besonders die Verbesserung der kardiorespiratorischen Leistungsfähigkeit zentral zu sein. Sie kann durch aerobes oder anaerobes Training gefördert werden. Aerobes Ausdauertraining kann schon nach kurzer Zeit zu klinisch relevanten Verbesserungen der kardiorespiratorischen Leistungsfähigkeit führen. Eine höhere kardiorespiratorische Leistungsfähigkeit wirkt sich aber nicht nur positiv auf die kardiovaskuläre Gesundheit aus, sie dient auch einer besseren Stressbewältigung. Körperliche Aktivität löst im Körper eine vergleichbare Antwort wie psychosoziale Stressfaktoren. Personen mit einer höheren kardiorespiratorischen Leistungsfähigkeit weisen eine höhere parasympathische Kontrolle auf, was sich in weniger hohen stressbedingten Kortisol- und Entzündungsreaktionen im Körper zeigt. Das erklärt den Befund, dass Personen mit einer moderaten bis hohen kardiorespiratorischen Leistungsfähigkeit tiefere Burnout- und Depressionssymptome sowie eine erhöhte Resilienz gegenüber Stress aufweisen als Personen, die wenig körperlich aktiv sind.

Die Motivation ist entscheidend

Um wieder körperlich aktiv zu sein und Aktivitäten auch langfristig aufrechtzuerhalten, ist die Motivation entscheidend. Personen mit depressiven Störungen können Motivationsdefizite aufweisen, daher ist es wichtig, motivationale Kompetenzen zu stärken. Mentale sowie körperliche Effekte von Bewegung und Sport sollten Patient*innen wiederholt aufgezeigt werden, um bei ihnen eine gesteigerte Sensibilität für die Bedeutung von mehr und regelmäßiger körperlicher Aktivität zu erreichen. Menschen mit schweren psychischen Erkrankungen wollen oftmals körperlich aktiv sein, um ihre physische Gesundheit, ihre Leistungsfähigkeit und ihr mentales Wohlbefinden zu verbessern, ihr Körpergewicht zu reduzieren und Stress abzubauen. Schlechte Laune, Stress und mangelnde soziale Unterstützung sind jedoch besonders häufig genannte Hindernisse, die von regelmäßiger körperlicher Aktivität abhalten. Durch den Aufbau eines körperlich aktiven Lebensstils können Erfolgserlebnisse vermittelt werden, welche sich ihrerseits positiv auf die Motivation auswirken, da eigene Erwartungen an die Aktivität erfüllt wurden. Bei der Planung und Durchführung der körperlichen Aktivität sollte auch die soziale Unterstützung berücksichtigt werden. Diese kann ein bedeutender Motivator sein. Körperliche Aktivität in der Gruppe kann motivierender sein, weshalb sich ein Gruppensetting empfiehlt, um die Freude an der Bewegung zu steigern.

 

Quelle:
Freude durch Sport und Bewegung bei psychischen Erkrankungen
Jan-Niklas Kreppke, Robyn Cody, Oliver Faude, and Markus Gerber
Praxis 2022 111:4, 200-204