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Gesunder Umgang mit Pornographie in der Partnerschaft

Die Zahlen sprechen eine deutliche Sprache: Die meisten Menschen konsumieren Pornos. Dies geschieht auch in einer Partnerschaft und kann Paare vor große Probleme stellen. Es gibt aber durchaus nicht nur negative Aspekte, wie Ursina Donatsch in ihrem Buch „Pornos und Partnerschaft“ betont. Sie plädiert für einen offenen Umgang mit dem Pornokonsum und schildert auch die positiven Seiten in unserem Gespräch.

Bett leer und zerwühlt mit Laptop Paare und Pornokonsum Bild: ©shutterstock/Vera Petrunina

Wenn wir über Pornos sprechen, über welche Zahlen sprechen wir dann, d.h., wie viele Menschen – ggf. nach Geschlechtern unterteilt – schauen regelmäßig Pornos?

Laut internationalen Studien sind es im Durchschnitt circa 80 bis 90% der Menschen, die regelmäßig Pornos schauen. Ich habe die Zahlen bezüglich Geschlechtsunterschieden untersucht und bei den Männern sind es doch deutlich mehr, nämlich ca. 90% laut internationalen Studien, bei den Frauen sind es 70%, wobei man sagen muss, dass bei den Frauen der Anstieg ziemlich stark ist in den letzten etwa 10 Jahren.

Ich habe bei der Arbeit für meine Studie, später auch für mein Buch, die Zahlen erhoben für Menschen, die in einer Partnerschaft leben und regelmäßig Pornos konsumieren. Es zeigte sich, dass es hier bei den Männern ebenfalls 93% waren, bei den Frauen waren es 57%, hier also deutlich weniger als bei den Singles.

Warum werden Pornos geschaut, geht es dabei immer nur oder vor allem um sexuelle Befriedigung?

Pornografie dient als direkte Quelle zur Erregungssteigerung, die für Solosexualität und letztlich zur sexuellen Befriedigung genutzt wird. Es ist wichtig zu verstehen, dass dies nur eine von vielen möglichen Quellen ist. Aufgrund ihrer Verfügbarkeit wird sie jedoch häufig genutzt. In meiner Studie habe ich nach den Gründen für den Konsum von Pornografie gefragt. Genannt wurden unter anderem Entspannung, Luststeigerung, Genuss und Stressreduktion. Auch kulturelles Interesse wurde angeführt, ähnlich wie beim Betrachten eines Kunstwerks oder auch Forschungsinteresse. Pornografie kann aber auch dazu dienen, herauszufinden, was einem gefällt. Es geht also nicht nur um konkrete sexuelle Befriedigung.

Wie wichtig ist das Thema Porno in Ihrer täglichen Arbeit als Paar- und Sexualtherapeutin?

Mittlerweile spreche ich das Thema immer selbst an, was gut angenommen wird. Es scheint, dass die Menschen erleichtert sind, wenn es zur Sprache kommt, da es nach wie vor ein großes Tabu ist. In der Sexualtherapie sprechen Menschen mit mir über ihre Sexualität, was bereits ein intimes und tabuisiertes Thema ist. Über den eigenen Pornokonsum zu reden, ist jedoch noch stärker tabuisiert. Menschen in Paarbeziehungen bringen das Thema selten von selbst zur Sprache, obwohl es, wie die Zahlen zeigen, ein großes Thema ist. Es bleibt ein tabuisiertes und schwieriges Thema für Paare.

Welche Rolle spielt Kommunikation hierbei, wie schwierig ist es z.B. heute noch, offen über Pornokonsum zu sprechen, vor allem in einer Partnerschaft?

Grundsätzlich ist es so, dass es den Paaren viel leichter fällt zu antworten, wenn ich als Therapeutin das Thema konkret anspreche – was ich in Paartherapien immer tue. Würde ich sehr offene Fragen stellen, wie etwa: „Wie läuft es so mit der Sexualität?“, wären die meisten Menschen überfordert, da ihnen oft die Worte fehlen. Interessanterweise ist es beim Thema Pornografie ähnlich: Sobald ich es anspreche, lockert sich die Atmosphäre deutlich. Viele sind dann erleichtert, weil sie vielleicht schon länger darüber reden wollten. Paare sind jedoch überhaupt nicht daran gewöhnt, über ihren Pornokonsum zu sprechen. In der Kommunikation untereinander ist das Thema noch viel stärker tabuisiert als in Einzelgesprächen.

Wir haben über die Gründe für Pornonutzung gesprochen, wie ist es speziell in einer Partnerschaft? Ist dann automatisch die Frage da, ob etwas fehlt in der partnerschaftlichen Sexualität?

Genau diesen Zusammenhang stellen Paare fast immer her! In meiner Studie habe ich diesen Aspekt untersucht und festgestellt, dass Pornografie nicht konsumiert wird, weil etwas in der partnerschaftlichen Sexualität fehlt. Die Ängste sind jedoch sehr real und sollten nicht abgetan werden. Vielmehr sollte man sich fragen, was genau diese Ängste auslöst. Es hat viel mit dem Selbstbewusstsein zu tun, in der Sexologie sprechen wir von sexueller Selbstsicherheit. Je höher diese ist, desto weniger persönlich nehme ich den Pornokonsum meines Partners oder meiner Partnerin. Wenn diese Ängste jedoch stark sind, ist es wichtig, sie in der Paartherapie genau zu betrachten.

Ein wichtiger Aspekt beim Pornokonsum ist Scham – wie kann man damit umgehen, wie lässt sich das thematisieren?

Beim Thema Scham führe ich oft Einzelsitzungen durch, wenn ich merke, dass es auch innerhalb der Partnerschaft eine große Rolle spielt. Ich versuche immer, Scham von Intimität zu unterscheiden, da es nicht dasselbe ist. Intimität kann ein gesundes Gefühl sein, auch in einer Partnerschaft, wenn man sagt: „Das ist meine Intimsphäre, das ist mein Privates.“ Ich würde ein Paar niemals auffordern, einander zu erzählen, welche Pornos sie schauen. Diese Intimsphäre respektiere ich sehr und versuche, dies auch dem Paar zu vermitteln.

Scham hingegen ist etwas ganz anderes. Scham bedeutet, dass man sich für etwas schämen muss. Bei Frauen wird das Schamgefühl viel stärker gefördert, man denke nur an Begriffe wie „Schamlippen“. Ähnliches gibt es bei Männern nicht. In der Therapie verwende ich diese Begriffe bewusst nicht, sondern andere. Ich erkläre, warum ich diese Wörter nicht benutze, und es hilft, das Thema anzusprechen. Indem ich sage, dass wir so aufgewachsen und sozialisiert wurden, nehme ich den Menschen eine große Last. Sie denken dann nicht mehr: „Ich bin komisch, weil ich mich dafür schäme.“

Kann gemeinsames Pornoschauen günstig für die Beziehung sein?

Auf jeden Fall! Ich habe begonnen, Paaren diese Aufgabe zu geben, ohne weitere Anleitung. Was dann passiert, ist, dass sie schnell in ein relevantes Gespräch über sexuelle Bedürfnisse, Grenzen und Kommunikation kommen – darüber, was sie mögen oder nicht mögen. Oft geschieht dies sogar, bevor sie den Porno überhaupt angeschaut haben. Meine Studie hat bestätigt, dass gelegentlicher gemeinsamer Pornokonsum absolut hilfreich und förderlich für die sexuelle Zufriedenheit in der Partnerschaft ist.

Für wie problematisch halten Sie das Frauenbild, das oft in Pornos gezeichnet wird? Sollte auch das in einer Beziehung thematisiert werden bzw. dann beim gemeinsamen Pornokonsum?

Ja, ich würde das unbedingt thematisieren, denn es ist eine Realität, dass Mainstreampornografie oft ein fragwürdiges Frauenbild darstellt. Das ist für Paare ein wichtiges Thema, zum Beispiel wenn die Frau ihren Partner fragt, ob ihm das gefällt und ob er sie jemals so behandeln würde. Der Mann kann dann erklären, dass Pornografie eine sexuelle anregende Funktion hat, die jedoch wenig mit den Beziehungsaspekten und der Liebe zu tun hat.

In Pornos sieht man keine Liebe, das wird dort nicht dargestellt. Es ist wichtig, diese Unterscheidung zu verstehen: In einer Partnerschaft gibt es verschiedene Ebenen – die sexuelle Ebene und die Liebesebene. Eine Frau könnte sagen, dass sie genau aus diesem Grund keine Pornos schaut, weil dort Frauen erniedrigt werden. Für den Mann ist es wichtig zu verstehen, warum sie das nicht trennen kann und nichts sehen möchte, das ihren Rollenbildern widerspricht.

Welche Auswirkungen hat Pornokonsum auf das eigene Körperbild? Ist die Sorge berechtigt, dass man verglichen wird mit den Körpern der Pornodarsteller*innen, gibt es auch hier Unterschiede zwischen den Geschlechtern?

In meiner Studie ist sehr klar herausgekommen, dass Frauen mehr Probleme haben mit dem Konsum der Männer. In meiner Praxis mache ich aber die Erfahrung, dass die Männer zunehmend ebenfalls Ängste entwickeln, verglichen zu werden mit der Performance im Porno, sich vorstellen, was ihre Frauen denken und erwarten, wenn sie den Film sehen.

KI wird sicherlich auch in Pornos eine immer größere Rolle spielen – da werden die Vergleiche mit den Protagonisten doch dann immer unrealistischer?

Und das finde ich einen spannenden Ausblick! Mein Anliegen ist, den Pornokonsum nicht zu verteufeln, denn er findet ja sowieso statt. Die Möglichkeiten explodieren geradezu und umso wichtiger ist es, als Paar einen guten Umgang damit zu finden. Das gehört genau in diesen Ausblick zu sagen: Es ist wichtig, als Paar in einer guten und offenen Kommunikation über die sexuellen Bedürfnisse miteinander zu reden.

 

Herzlichen Dank für das Gespräch!

Dr. Ursina Donatsch

Dr. Ursina Donatsch (vormals Brun del Re) ist leidenschaftliche vierfache Mutter und gebürtige Bündnerin. Ihr Psychologiestudium absolvierte sie in Zürich, wo sie sich anschließend zur Psychotherapeutin, Paartherapeutin und Sexualtherapeutin weiterbildete. Ihre Promotion in den Sexualwissenschaften zum Thema Pornografie und Partnerschaften basiert auf einer umfangreichen Studie mit über 1 000 Probanden. Seit vielen Jahren praktiziert sie erfolgreich in eigener Praxis und teilt ihr Wissen als Dozentin an verschiedenen Instituten. Neben ihrer therapeutischen Tätigkeit ist sie eine gefragte Autorin von Artikeln, Ratgebern und Kolumnen zu den Themen Sexualität und Partnerschaft.

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