GesundheitswesenMedizin

Infektion durch Transfusion

Sicherheit von Blutprodukten

In den 1980er und 1990er Jahren wurden durch Blutprodukte gefährliche Viren übertragen, insbesondere das Humane Immundefizienz-Virus (HIV) und das Hepatitis C-Virus (HCV). Seither wurden grosse Anstrengungen unternommen, Blut und Blutprodukte infektionssicherer zu machen. Die Fachwelt ist sich einig, dass die heute in den Industrienationen hergestellten Blutprodukte im Hinblick auf die viralen Infektionsmarker HIV, HCV und Hepatitis B-Virus (HBV) sehr sicher sind. Die theoretisch berechneten Restrisiken in der Schweiz (Jahr 2017) liegen für HIV bei ca. 1:6 Millionen, für HCV bei ca. 1:10 Millionen und für HBV bei ca. 1:700'000.

Da die Risiken für diese 3 Viren auf einem sehr tiefen Niveau liegen, hat sich der Fokus in den letzten Jahren auf die sogenannten (re)emerging-Erreger konzentriert. Bei vielen dieser Infektionen handelt es sich primär um Zoonosen, die nur sekundär Menschen betreffen. Beispiele dafür sind die Arboviren (Arthropod-borne-Viren). Dazu gehören das Dengue-, West Nile-, Chikungunya- und das Zika-Virus.

Ob und wie sich neue Massnahmen, die eine Übertragung dieser Viren verhindern sollen, kosteneffizient einführen lassen, muss mit klar definierten Vorgaben abgeklärt werden. Der entsprechende Entscheid muss gemeinsam mit den involvierten Stakeholdern und auch aufgrund von Kosten-Nutzen-Überlegungen getroffen werden. Um dieses Risiko gut abschätzen und beurteilen zu können, ist ein strukturierter Entscheidungsprozess unabdingbar. Dieser besteht aus einer Risikoabschätzung, einem Risikomanagement und einer klaren Risikokommunikation.

Aktuell im Fokus der Blutspendedienste stehen die folgenden Infektionserreger: Plasmodium spp., (Malaria), Trypanosoma cruzi (Chagas-Erkrankung), verschiedene Arboviren wie das West-Nile-, das Zika- oder das Dengue-Virus sowie das Hepatitis-E-Virus. Bei Plasmodium spp. und T. cruzi wurde vor einigen Jahren eine sogenannte "gezielte" Testung eingeführt, bei der Spender getestet werden, die sich einem spezifischen Risiko in Bezug auf den entsprechenden Infektionserreger ausgesetzt haben.

Seit der Einführung der Testung im Jahr 2007 auf Plasmodium spp.-Antikörper wurden 3,45 Millionen Spenden entnommen. 14 532 Spendewillige waren einem Malaria-Risiko ausgesetzt und wurden getestet. Bei 211 Spendewilligen wurden Anti-Plasmodium-spp.-Antikörper entdeckt. Diese Personen wurden vom Blutspenden zurückgestellt oder lebenslang ausgeschlossen. Seit der Einführung der obligatorischen Testung auf T.-cruzi-Antikörper in der Schweiz im Jahr 2013 wurden insgesamt 1,4 Millionen Spenden entnommen. Auf 8312 Spendende trafen die Risikofaktoren für die Chagas-Erkrankung zu. Bei fünf Spendenden wurden T.-cruzi-Antikörper nachgewiesen. Diese Spender wurden vom Blutspenden ausgeschlossen.

In Bezug auf die beiden Viren WNV und Zika wurden sogenannte Preparedness-Pläne erstellt. Es wird klar definiert, wie im Falle einer Bedrohung der Sicherheit der Blutprodukte vorgegangen werden muss, und es ist alles vorbereitet, so dass innerhalb von zwei bis drei Wochen ein flächendeckendes Screening auf den entsprechenden Erreger eingeführt werden könnte. Weitere Erreger wie das Dengue- oder Chikungunya-Virus sind unter ständiger Beobachtung. Auch das Hepatitis E-Virus ist in den letzten Jahren in den Fokus gerückt. Hier sind aktuell verschiedene Studien am Laufen, auf Grund derer Daten dann entschieden wird ob ein generelles Screening für die Blutspende in der Schweiz eingeführt werden soll.

Zusätzliche Massnahmen, die während dem Prozess der Verarbeitung der Vollblutspenden zu den einzelnen Blut-Komponenten ergriffen werden, sind die Leukozytendepletion und die Pathogenreduktion. Beide Verfahren führen dazu, dass allgemein Infektionserreger eliminiert oder abgereichert werden, was wiederum zu einer erhöhten Sicherheit der Blutprodukte führt.

Jeder Patient möchte möglichst sichere Blutprodukte transfundiert bekommen. Eine 100-prozentige Sicherheit wird es jedoch nie geben. Die Frage stellt sich eher, wie viel wollen wir investieren, um möglichst sichere Blutprodukte zu produzieren, und auf welche Sicherheitsmassnahmen kann verzichtet werden, ohne dass das Sicherheitsniveau von Blutprodukten signifikant sinkt. Der Entscheid für oder wider spezifische Massnahmen, mit denen sich transfusionsbedingte Infektionen verhindern lassen, sollte mit hoher Transparenz getroffen und die Stakeholder sollten entsprechend offen informiert werden. Welches Restrisiko und welche Kosten zur Risikominderung akzeptiert werden können, muss letztendlich die Gesellschaft entscheiden. 

von Christoph Niederhauser

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Dann lesen Sie den Originalartikel "Transfusionsbedingte Infektionen: Wie sinnvoll und kostspielig ist die Testung auf neue Infektionserreger?" online.

Christoph Niederhauser

Christoph Niederhauser hat eine Ausbildung als Molekularbiologe durchlaufen und sich anschliessend zum Mikrobiologen FAMH ausbilden lassen. Er arbeitete mehrere Jahre in verschiedenen medizinisch mikrobiologischen Laboratorien, wo er sich eine grosse Erfahrung in diesem Bereich aneignen konnte. Im Jahr 2000 wurde er als Leiter der Labordiagnostik der Interregionalen Blutspende des Schweizerischen Roten Kreuzes berufen.

Er ist verantwortlich für die Routinediagnostik und auch für das nationale Referenzlabor Infektionsmarker des Schweizerischen Roten Kreuzes. Auch das "Nationale Referenzzentrum durch Blut und Blutprodukte übertragene Infektionen" des Bundesamtes für Gesundheit liegt in seiner Verantwortung. Ein weiteres Aufgabengebiet neben der Routinediagnostik ist die Forschung und Entwicklung im Bereich Labordiagnostik der Interregionalen Blutspende.

Christoph Niederhauser ist Mitglied verschiedener nationaler und internationaler Arbeitsgruppen, die sich mit der Sicherheit von Blutprodukten beschäftigen. Sein wissenschaftlicher Fokus liegt im Bereich von epidemiologischen Studien in Bezug auf relevante Infektionserreger für das Blutspendewesen. Neben HIV, HCV, HBV, HAV, Parvovirus B19, CMV, etc. beschäftigen ihn auch die sogenannten (re)emerging Infektionserreger. Hier ist er im Besonderen auch interessiert an Risikoabklärungen und Berechnungen sowie Fragestellungen in Bezug auf Kosten-Nutzen-Analysen.