Mit Pinguin Leni Diversität und Inklusion kindgerecht vermitteln
Wie kann man Kindern die Themen Diversität und Inklusion näherbringen?
Diese Frage stellten sich Fachpsychologin Sara Aeschlimann und Betriebsökonom Adrian Wullschleger. Ihr Buch lädt dazu ein, mit Übungen und praktischen Tipps spielerisch und kreativ in die Themen Diversität und Inklusion einzutauchen. Dabei weist es darauf hin, dass jede*r von uns einzigartig ist und betont zugleich, dass uns weit mehr verbindet als unterscheidet.
Wir haben mit den Autor*innen über die Entstehung und die Botschaft dieses Buchs gesprochen.
«Hoch hinaus mit Leni» ist ein Kinderbuch zum Thema Diversität und Inklusion. Wie kam es dazu, dass Sie dieses Thema gewählt haben?
Die Idee entstand, als Adrians Nichte auf die Welt kam. Das war vor fünf Jahren. Wir wollten ihr etwas mitgeben, das sie in unserer bunten Welt stärkt. Durch Saras Arbeit als Kinderpsychologin wurde deutlich, dass eine frühzeitige Sensibilisierung und Unterstützung im Umgang mit Diversität von großer Bedeutung sind. Für die Entwicklung des Selbstwertgefühls jedes einzelnen, aber auch, um eine inklusivere Welt zu schaffen.
Im Laufe der Arbeit erkannten wir – ähnlich wie es auch Lenis Kolonie erlebt hat – dass es nicht allein um das einzelne Kind und seine Fähigkeiten geht. Vielmehr ist Inklusion eine gemeinsame Verantwortung: Jede und jeder von uns kann dazu beitragen, dass sich alle angenommen und eingebunden fühlen.
Warum haben Sie sich für die Form eines Bilderbuchs entschieden?
Das Bilderbuch schien uns die ideale Form, weil es auch jüngere Kinder mit Fantasie, Bildern und wenig Text zur Perspektivenübernahme anregt. Es spricht nicht nur den Kopf, sondern auch die Sinne, an.
Uns war aber auch wichtig, das Thema Diversität alltagsnah und ermutigend zu vermitteln. Deshalb haben wir die Geschichte von Leni mit Übungen für Kinder und praktischen Tipps für Erwachsene erweitert.
Die Hauptfigur Leni ist ein Pinguin. Wie unterscheidet sich Leni von den anderen Pinguinen?
Leni hat besonders lange Flossen. Dadurch fällt Leni das Schwimmen schwer. Die anderen Pinguine können doch auch alle gut schwimmen.
Wie geht Leni damit um?
Zu Beginn ist Leni frustriert und fühlt sich ausgeschlossen. Aber dann erhält Leni Unterstützung und lernt, die Flossen mit anderen Augen zu sehen. Mit der Zeit findet Leni einen Weg, sich mit den Flossen wohl und zugehörig zu fühlen. Und entdeckt, dass jedes Wesen einzigartig ist.
Lenis Besonderheit inspiriert schließlich die ganze Kolonie. Dank Leni erkennt die Kolonie: Vielfalt bereichert. Jeder kann etwas dafür tun, damit sich alle wohl und zugehörig fühlen.
An wen richtet sich das Buch und wie kann man es nutzen?
Das Buch richtet sich an Kinder ab fünf Jahren sowie an ihre Bezugspersonen, zum Beispiel Eltern oder Lehrpersonen. Es ist in drei Teile gegliedert. Im ersten Teil wird Lenis Geschichte erzählt. Im zweiten Teil finden Kinder Übungen zu Diversität und Inklusion, die sie selbständig oder mit Unterstützung machen können. Der dritte Teil richtet sich an Erwachsene und gibt Anregungen, wie Kinder unterstützt werden können, Vielfalt zu schätzen und Unterschiede zu respektieren. Ergänzende Informationen zu den Übungen bieten außerdem Ideen, wie diese Inhalte in Gruppen, zum Beispiel in einer Schulklasse, thematisiert werden können.
Dabei geht es um folgende Fragen: Wie lernt ein Kind, was Vielfalt bedeutet? Wie zeigen Sie Ihrem Kind, dass Unterschiede normal und wunderbar sind? Was können Kinder selbst in schwierigen Situationen tun? Wie schaffen Sie in Ihrer Klasse ein Gemeinschaftsgefühl und bringen Kindern Inklusion näher? Wie können Sie Kinder mit besonderen Merkmalen in der Gruppe unterstützen?
Die Inhalte sind als Sammlung von Anregungen gedacht, die je nach Situation flexibel und gerne auch kreativ eingesetzt werden können. Im Mittelpunkt steht, Kinder und Erwachsene zum Mitmachen einzuladen und den Austausch über Diversität anzustoßen.
Eine grundsätzliche Frage: Ab wann können Kinder Diversität überhaupt wahrnehmen?
Kinder sind von Natur aus neugierig und wollen verstehen, was ihnen neu ist. Schon Kleinkinder zwischen 1 und 3 Jahren merken, dass Menschen unterschiedlich sind.
Wann und warum können sie diese Unterschiede als problematisch sehen?
Mit dem Kindergarteneintritt begegnen Kinder oft erstmals einer größeren Vielfalt an Merkmalen. Kinder beginnen dann zunehmend, diese Unterschiede zu bewerten. Es ist wichtig, Kindern frühzeitig und auf eine für sie altersgerechte Weise zu erklären, was hinter besonderen Merkmalen, Krankheiten oder Beeinträchtigungen steckt. Fehlen diese Erklärungen, können Missverständnisse und Vorurteile entstehen. Dann kommt es vor, dass Kinder abwertende oder falsche Kommentare machen, beispielsweise ein Kind mit Autismus als „komisch“ bezeichnen oder ein Kind mit Hautkrankheit meiden, weil sie denken, es sei ansteckend.
Das Buch richtet sich auch an Eltern. Welche Rollen spielen Eltern beim Thema Diversität?
Eltern haben großen Einfluss darauf, wie Kinder Vielfalt wahrnehmen. Offene Gespräche über Diversität und Inklusion spielen dabei eine wichtige Rolle. Eltern unterstützen ihre Kinder, ein Bewusstsein und eine positive Haltung zu entwickeln, indem sie schon früh erklären, dass Unterschiede bereichernd sind, auf Fragen offen und altersgerecht eingehen. Auch die schwierigen. Kinder spüren, wenn Erwachsene ausweichen oder ein Thema ignorieren.
Eltern sind Vorbilder.
Ja. Damit Kinder Vielfalt als Bereicherung erleben, reicht es nicht, nur darüber zu sprechen. Es ist wichtig, dass Eltern selbst einen respektvollen und offenen Umgang vorleben. Dazu gehört auch, die eigenen Haltungen immer wieder zu hinterfragen und achtsam damit umzugehen, wie wir über Vielfalt sprechen und Menschen begegnen. Jeder ist mit Stereotypen aufgewachsen und es ist nicht einfach, diese abzulegen oder zu wissen, was in der heutigen Zeit richtig oder falsch ist. Beispielsweise welche Begrifflichkeiten man verwenden darf.
Entscheidend ist nicht, alles perfekt zu machen, sondern offen und achtsam zu bleiben und sich weiterzuentwickeln. Unser Buch soll Eltern ermutigen und konkrete Anregungen liefern, wie sie über Diversität sprechen und Vorbild sein können.
Ein Teil des Buches widmet sich auch Lehrpersonen.
Das Thema Vielfalt ist für alle Kinder in einer Klasse bedeutsam und sollte als gemeinsames Klassenthema behandelt werden. Das heißt, nicht nur dann, wenn ein Kind mit einem besonderen Merkmal dabei ist. Zentral ist die Botschaft: Alle Kinder sind unterschiedlich, haben aber mehr gemeinsam, als sie vielleicht denken.
Welche Übungen gibt es für eine Grundschulklasse?
Eine Übung ist zum Beispiel das „Netz der Verbundenheit“: Die Kinder stehen im Kreis, ein Kind beginnt mit einem Wollknäuel und nennt etwas, das es gerne mag. Alle, die das auch mögen, melden sich, und der Faden wird zu ihnen gespannt. So entsteht nach und nach ein Netz, das zeigt: Trotz Unterschiede verbindet die Kinder ganz viel.
Im Buch finden sich weitere Übungen und Inhalte, die Lehrkräfte nutzen können, um Inklusion und Vielfalt im Unterricht spielerisch und kindgerecht aufzugreifen, etwa um das Gemeinschaftsgefühl zu stärken und Ausgrenzung entgegenzutreten. Lehrkräfte kennen ihre Klasse gut und wissen, was die Kinder gerade beschäftigt. So können sie am besten einschätzen, welche Themen wichtig sind und welcher Zugang zu den Kindern passt.
Die Teile 2 und 3 wurden von den beiden Fachpsychologinnen Lieve Romanino und Ornella Masnari mitgestaltet. Welche Expertise haben beide eingebracht?
Lieve Romanino und Ornella Masnari haben ihre langjährige Erfahrung aus der Arbeit am Universitäts-Kinderspital Zürich eingebracht. Dort begleiten sie täglich Kinder und Jugendliche mit unterschiedlichen körperlichen Besonderheiten, Beeinträchtigungen oder chronischen Erkrankungen und deren Familien. Bedeutsam war für uns nicht nur ihre Expertise, sondern auch ihre Haltung: Beide setzen sich auch über ihre Arbeit am Kinderspital hinaus mit großem Engagement für junge Menschen ein, indem sie aktiv gegen Stigmatisierung wirken und einen respektvollen und positiven Umgang mit Diversität in der Gesellschaft fördern.
Herzlichen Dank für das Gespräch!
Alle Abbildungen stammen von Sara Aeschlimann und sind dem Buch „Hoch hinaus mit Leni“ entnommen.
Sara Aeschlimann
Sara Aeschlimann ist Fachpsychologin und arbeitet im Kinder- und Jugendpsychiatrischen Dienst. Daneben widmet sie einen Großteil ihrer Freizeit der Malerei und Illustration. Die Arbeit an diesem Bilderbuch verband ihre Leidenschaft fürs Kreative mit ihrem Interesse für kinderpsychologische Themen.
Adrian Wullschleger
Adrian Wullschleger ist Betriebsökonom und arbeitet in der Finanzbranche. Aus mehrjähriger Erfahrung im Kampfsport schöpft er die Haltung, respektvoll mit anderen umzugehen, unabhängig von allen Unterschieden. Die Geburt seiner Nichten eröffnete ihm eine neue, kindliche Perspektive auf das Thema Diversität, wodurch diese Haltung eine noch tiefere Bedeutung gewann.
Empfehlung des Verlags
Dieses Buch richtet sich an:Kinder ab 5 Jahren, ihre Eltern und weitere Bezugspersonen, pädagogische Fachpersonen.Leni hat viel längere Flossen als die anderen Pinguine.Das macht das Schwimmen schwierig – aber alle anderen können es doch auch?!So sehr Leni sich auch bemüht, die doofen Flossen stehen…