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Serious Games in der Psychologie

Serious Games sind Spiele, die nicht in erster Linie zum Vergnügen gespielt werden, sondern einen Zweck haben. Das schließt allerdings nicht aus, dass Serious Games nicht auch unterhaltsam sein können oder sein sollten (Abt, 1987). Der Begriff Serious Game wurde zum ersten Mal formal in Clark Abt's Buch „Serious Game“ definiert, das 1970 veröffentlicht wurde. Der Begriff entstand damals aus der eigenen Spielentwicklung des Autors und seiner Arbeit für das Militär mit besonderem Fokus auf Simulationsspiele für den Kompetenzerwerb.

Serious Games in verschiedenen Bereichen der Psychologie

Computerspiele oder Spiele, die nicht primär oder ausschließlich der Unterhaltung dienen, werden heute auch immer mehr im Bereich der Psychologie eingesetzt. So gibt es beispielsweise Spiele für die Eignungsdiagnostik in der Personalauswahl, Spiele zur Förderung verschiedener schulischer Fähigkeiten, sowie Computerspiele, die als Hilfsmittel in einer Psychotherapie eingesetzt werden können. Solche Serious Games haben das Potenzial, besonders effektiv Wissen zu generieren, neue Fähigkeiten zu trainieren, sowie affektive und motivationale Veränderungen bei den Spielenden hervorzurufen (Connolly et al., 2012). Warum sich eine Veränderung des Verhaltens besonders effektiv durch Spiele hervorrufen lässt, kann man anhand verschiedener verhaltenspsychologischer, motivationspsychologischer und lernpsychologischer Grundlagen erklären.

Serious Games und Lerntheorien

Wiederholtes Lernen, sowie die Verstärkung erwünschter Verhaltensweisen durch Belohnung (operante Konditionierung), sind zentrale verhaltenspsychologische Grundlagen, die in Serious Games angewandt werden, zum Beispiel in Form einer Belohnung durch Bonuspunkte, das Gewinnen von Medaillen für erreichte Rekorde, oder das Erhalten von Superkräften. Dass der oder die Spieler*in durch das positive Feedback zum wiederholten Üben ermutigt wird, fördert wiederum das sogenannte Überlernen, was die Automatisierung bzw. Routinisierung der zu lernenden Fähigkeiten verbessert. Solche Automatisierungsprozesse spielen beispielsweise bei der frühen Förderung des Textverständnisses eine wichtige Rolle, da die Lesegeschwindigkeit (neben der linguistischen Kompetenz) ein wichtiger Prädiktor für das Leseverstehen ist (Ennemoser et al., 2012).

Vertreter der konstruktivistischen Lerntheorie wie Vygotsky (1997) und Bruner (1966) argumentierten, dass das Lernen auf Erfahrungen beruht und aktiv konstruiert und organisiert wird, indem Lernende in einer Gemeinschaft miteinander interagieren. Die Interaktion mit Anderen, deren Lernerfahrungen sich von den eigenen unterscheiden, ermöglicht die Einnahme neuer, fremder Perspektiven. So können beispielsweise im Rahmen eines Spiels, in dem kooperativ ein Problem gelöst werden muss, abstraktes Denken und die Problemlösefähigkeit gefördert werden. Bruner (1966) beschreibt den Prozess des Lernens durch Anleitungen, Denkanstöße oder andere Hilfestellungen wie beispielsweise die Interaktion mit einer anderen Person, die erfahrener und geschickter ist als man selbst, als "Scaffolding". Das kann insbesondere in den Anfangsphasen des Lernens eine entscheidende Rolle spielen. Serious Games können solche sozialen und interaktiven Lernumgebungen durch eine Multiplayer Funktion ermöglichen oder durch fiktive Avatar-Charaktere, die die Spieler*innen durch die virtuelle Welt begleiten und ihnen mit hilfreichen Ratschlägen und Unterstützung zur Seite stehen (Breuer, 2010).

Serious Games in Eignungsdiagnostik und Personalauswahl

Nicht nur im Kontext des Lernens können Serious Games von Nutzen sein. So kann beispielsweise durch den Einsatz von Spielen in der Eignungsdiagnostik der Bewerbungsprozess ansprechender gestaltet werden, indem klassische Tests in Form eines Serious Games angeboten werden. Ein Serious Game kann bei Bewerber*innen ein sogenanntes Flow-Erlebnis hervorrufen, was als eine Erfahrung beschrieben wird, die so befriedigend ist, dass Menschen sie um ihrer selbst willen erleben möchten, ohne sich dabei um den möglichen Ausgang zu kümmern (Csikszentmihalyi, 1990). Wird nun ein Serious Game, das verschiedene, kognitive Fähigkeiten anhand eines Spiels erfasst, in der Personalauswahl eingesetzt, dann nehmen Bewerber*innen den Bewerbungsprozess möglichweise als weniger belastend wahr, weil sie ihre Konzentration ganz auf das Spiel fokussieren und die Spielerfahrung als etwas intrinsisch Motivierendes erleben.

Serious Games haben das Potenzial, den Spaßfaktor zu erhöhen, Lernprozesse zu optimieren und Stressreaktionen, wie sie häufig in Lern- und Bewerbungssituationen auftreten können, zu reduzieren. So können Lernumgebungen und Personalauswahlverfahren mit dem Einsatz von Serious Games besonders effektiv und ansprechend gestaltet werden.

 

Ein Beitrag vom Hogrefe Innovation Lab

Literaturverzeichnis

Abt, C. C. (1987). Serious games. University Press of America, 1987.

Breuer, J., & Bente, G. (2010). Why so serious? On the relation of serious games and learning. Journal for Computer Game Culture, 4(1), 7-24.

Bruner, J. S. (1966). Toward a theory of instruction. Belkapp Press.

Connolly T.M., Boyle, E.A., MacArthur, E., Hainey, T., & Boyle, J.M. (2012). A systematic literature review of empirical evidence on computer games and serious games. Computers & Education, 59, 661-86.

Csikszentmihalyi, M. (1990). Flow: The psychology of optimal experience. Journal of Leisure Research, 24(1), 93-94.

Ennemoser, M., Marx, P., Weber J. & Schneider, W. (2012). Spezifische Vorläuferfertigkeiten der Lesegeschwindigkeit, des Leseverständnisses und des Rechtschreibens. Zeitschrift für Entwicklungspsychologie und Pädagogische Psychologie, 44(2), 53-67.

Vygotsky, L. S. (1997). Interaction between learning and development. In M. Gauvain & M. Cole (Eds.), Readings on the development of children (2nd ed., pp. 29-36). Harvard University Press.

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