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Wie Beziehung gelingen kann

Die Paartherapeutin Dr. Ursina Donatsch hat in ihrer Praxis unzählige Fragen zum Thema Beziehung beantwortet. Einige Antworten hat sie in ihrem neuen Buch gesammelt, sie stellt den theoretischen Hintergrund vor und gibt konkrete Handlungsanleitungen. Wir haben mit ihr über die Komplexität des Themas Paarbeziehung gesprochen, über Phasen einer Partnerschaft, Einflüsse von innen und außen und vieles mehr.

Wie geht Beziehung? Kommunikation ist wichtig Zwei Hände deuten auf Sprechblase mit Herz Bild: Shutterstock / Roman Samborskyi

In „Wie geht Beziehung?“, Ihrem neuen Buch, beantworten Sie 63 Fragen, die verschiedenen Kategorien zugeordnet sind. Welche sind das?

Es war mir wichtig, eine gewisse Struktur zu haben, damit man, wenn man sich in einer bestimmten Phase einer Beziehung befindet, auch rasch eine Antwort finden kann. Die erste Kategorie ist der Beziehungsanfang, dazu muss ich sicher nicht viel sagen. Dann habe ich mir aus der paartherapeutischen Arbeit überlegt, wie es ist, wenn äußere Einflüsse auf eine Beziehung einwirken, oder wenn von innen eine Herausforderung entsteht, hierbei geht es um riskantes Beziehungsverhalten. Das nächste Kapitel widmet sich Unsicherheiten in Beziehungen, hier geht es beispielsweise um Ängste und um Bindung. Als nächstes Thema stehen Beziehungsphasen im Vordergrund – also z.B. eine junge oder langjährige Beziehung, Beziehung mit Kindern usw. Ein weiteres großes Thema in der Paartherapie sind Unterschiede zwischen Partner*innen, was oft zu Problemen oder Konflikten führt. Auch das Beziehungsende, als Pendant zum Beziehungsanfang wird betrachtet. Die letzte Kategorie sind alternative Beziehungsmodelle.

Ist Ihr Buch ein Ratgeber? Und wenn ja, wie unterscheidet er sich von anderen Ratgebern zum Thema?

Ich könnte es nicht irgendwo einordnen. Wenn man müsste, dann würde ich es zu den Ratgebern rechnen, und doch passt es nicht so recht, weil es nicht nur Ratschläge sind. Was das Buch hervorhebt von anderen ähnlichen Büchern, ist, dass die Antworten zwar sehr kurz und prägnant sind, aber es auf eine fundierte Expertise zurückgreift. Es sind nicht nur oberflächliche Ratschläge, sie sind immer eingebettet in einen theoretischen Background, in psychologische Hintergründe. Außerdem hervorzuheben ist die Aktualität, es deckt die Themen ab, die in den letzten 2, 3 Jahren in meiner Praxis zur Sprache kamen. Das Buch ist vielfältig in der Thematik, alle können sich wiederfinden, alle sind angesprochen. Dabei ist es sehr praxisorientiert und verständlich, ich habe mit vielen Beispielen gearbeitet.

Kann man eigentlich sagen, was beim Thema Beziehung besonders schwierig ist? Ist es z.B. die Kennenlernphase oder ist es der Alltag in einer langjährigen Beziehung?

Tatsächlich spielen in Beziehungen viele verschiedene Faktoren herein, die etwas leicht, schwierig oder konflikthaft machen können. Es gibt keine bestimmte Phase oder Kategorie, die einfacher oder schwieriger ist, im Grunde ist das Thema Beziehung einfach sehr komplex, das ist vielleicht ein passendes Wort dafür.

Die Fragen sind teilweise eher grundlegend – z.B. „Findet man die große Liebe ein 2. Mal?“ – manchmal aber auch sehr spezifisch – z.B. „Muss ich alle Weihnachtstraditionen meines Partners mitmachen?“ Profitiere ich auch von den Antworten, wenn ich vielleicht eine etwas andere Beziehungsfrage hätte?

Auf jeden Fall! Auch bei den spezifischen Fragestellungen, die von den Patienten aus der Praxis kommen, können Sie profitieren. Da die Antworten ja immer einen Hintergrund haben und darlegen, warum jetzt dieser Ratschlag oder diese Handlungsanleitung gegeben wird. Die Antworten sind immer auch adaptierbar auf andere Fragestellungen ähnlicher Art. Die Antworten regen an, für sich zu überlegen: Genau dieses Phänomen kenne ich aus einem anderen Bereich oder – um beim Weihnachtsbeispiel zu bleiben – aus einer anderen Jahreszeit. Bei dieser Frage z.B. merkt man, es geht grundsätzlich um Familientraditionen, die unterschiedlich sein können. Das ist auf jeden Fall adaptierbar – es steht immer ein größeres Thema dahinter.

Ein Kapitel widmet sich den Unterschieden in Partnerschaften, es geht um Altersunterschied, aber auch um das Thema Kinderwunsch – gibt es Konstellationen, bei denen es regelmäßig zu Konflikten kommt?

Ich beobachte eher, dass gerade plakative Unterschiede, wie z.B. ein großer Altersunterschied, tendenziell überschätzt werden, der Einfluss auf die Beziehungsqualität wird überschätzt. Da ist oft auch in der Gesellschaft eine verzerrte Idee entstanden, die die Menschen aufnehmen. Genauso können kleine Unterschiede, die vielleicht nur das Paar selber merkt, eine Herausforderung sein. Bei den plakativen Unterschieden ist es oft eher eine self fulfilling prophecy. Im Buch und auch in meiner Praxis als Therapeutin greife ich viel mehr wieder auf die Gemeinsamkeiten zurück, die genauso wichtig sind wie die Unterschiede. D.h. nicht, dass man die Unterschiede banalisiert. Aber man sollte sie annehmen und sagen: Ja, genau da sind wir anders. Häufig ist die Lösung nicht, dass man sich angleicht, einen Kompromiss findet, sondern häufig ist die Lösung, Unterschiede stehen zu lassen. Und dann im Gegenzug die Gemeinsamkeiten hervorzuheben, das wird oft nicht gemacht und fehlt dann. 

Manchmal muss man sich trennen, auch dies gehört zum Thema Beziehung dazu. Hier geht es unter anderem um das berühmt gewordene „Conscious uncoupling“. Ist es erstrebenswert, nach einer Beziehung befreundet zu bleiben? Wie vermeidet man am besten, dass es zu einem „Rosenkrieg“ kommt?

Zunächst zur Frage, ob es erstrebenswert ist, befreundet zu bleiben nach einer Beziehung. Ja – aber! Hierbei ist es sehr wichtig, die Trennung auch zunächst zu vollziehen. Mir passiert es relativ oft, dass Paare kommen und sagen: Wir wollen Freunde bleiben. Aber es ist wichtig, dass eben zuerst ein Abschluss gemacht wird. Es muss nicht alles entzweit werden, aber es gibt ja Aspekte, sonst würde man sich nicht trennen wollen. Es ist gefährlich zu sagen, wir bleiben Freunde und in diesem Versuch geht unter, dass die Trennung nicht passiert. Das schlägt dann dem befreundeten Paar wieder um die Ohren. Bevor man diese neue Form aufbaut, unbedingt den Abschluss der anderen Form machen. Und sich dann auch Zeit lassen, eine Weile nicht befreundet sein, um dann eine neue Form aufzubauen. Das finde ich das Allerwichtigste. Diese flüssigen Änderungen von Beziehungsformen sind sehr herausfordernd, denn oftmals sind nicht beide Menschen am gleichen Punkt, einer ist vielleicht schneller. Beide sollten zum gleichen Zeitpunkt bereit sein zu sagen: Jetzt bauen wir eine Freundschaft auf. Man braucht einen Abschluss, um etwas neu aufzubauen. 

Zur zweiten Frage: Wie man vermeidet, einen Rosenkrieg zu machen – das sind sicher verschiedene Elemente. Was bei Rosenkriegen oft passiert, ist die Verhärtung der eigenen Position. Was da helfen würde ist, immer wieder in die Gegenperspektive reinzugehen, also nicht nur im eigenen Kreis zu bleiben und  immer mehr in die Verhärtung zu gehen, sondern sich immer wieder die Frage zu stellen: Wie könnte es der anderen Seite gehen? Und auch das wieder einfach stehen zu lassen. Man muss nicht die andere Position übernehmen, sondern einfach im Blick behalten, dass es da eine andere Seite, eine andere Sicht gibt. Das wäre schon mal sehr hilfreich. 

Es gibt jenseits der monogamen Paarbeziehung auch viele alternative Formen einer Beziehung, auch diese sind Thema des Buches. Kann z.B. eine offene Beziehung gelingen, wenn nur ein*e Beziehungspartner*in dies wünscht?

Wenn ich Paare in die Öffnung hinein begleite, dann ist der Konsens ein ganz wichtiges Thema. Dass beide einverstanden sind, das ist enorm wichtig. Alles andere ist eigentlich ein Ausschlusskriterium. Das heißt nicht, dass es dann gar nicht möglich wird. Was auf jeden Fall möglich ist, ins Gespräch zu kommen. Z.B. zu fragen: Was würden Sie brauchen, damit Sie mit einer offenen Beziehung einverstanden wären. Aber vor der Öffnung muss es einen Konsens geben! Es kann sein, dass diese Phase etwas dauert, dass es dann aber möglich ist, beide im Boot zu haben. Das bedeutet mehr Diskussionen, auch über die Motive, zu klären, was das Motiv ist. Warum möchte die eine Person die Öffnung? Das ist dann schon sehr spannend, weil man zu den Beweggründen kommt und die können sehr unterschiedlich sein. Vielleicht zeigen sie auch, warum die andere Person nicht möchte. Wenn z.B. eine Person sagt, ich möchte eine Beziehungsöffnung, weil sie im Hintergrund eine Geschichte laufen hat. Wenn das dann so zum Vorschein kommt, dann wird auch klar, warum die andere Person das nicht möchte, die das vielleicht schon gespürt hat. Die Beweggründe sind sehr wichtig, die schaue ich ganz genau an in der Paartherapie. 

Sie sind selbst seit 20 Jahren als Paar- und Sexualtherapeutin tätig, hat sich etwas grundsätzlich verändert in Ihren Augen in dieser Zeit? 

Ja, das würde ich schon sagen. Wenn ich jetzt durch mein Buch gehen würde und all die Antworten nochmals anschauen würde, dann gibt es natürlich ganz viele Themen, die gleich geblieben sind. Was ich an Veränderung aber durchaus sehe, ist, dass heute viel mehr Offenheit besteht. Offenheit gerade bezogen auf Beziehungsformen, das ist ein klarer Unterschied, auch ein gesellschaftlicher Unterschied. Und es kann heute so ziemlich alles diskutiert werden. Das beobachte ich als große Veränderung. Das entlastet auch, dass alles diskutierbar wird, dass man diese Offenheit hat. Auch die Offenheit dafür, sich Hilfe zu holen als Paar, das sehe ich ebenfalls als eine große Veränderung. Dass Paare z.B. auch präventiv kommen. Sie kommen, wenn man noch in einer guten Paarstimmung über Herausforderungen reden kann, das gab es vor 20 Jahren nicht. Das beobachte ich mit positivem Interesse, weil ich das sehr befürworten würde. Ich empfehle das auch immer öfter, sich einfach mal präventiv Reflexionsunterstützung zu holen und wenn es nur zweimal im Jahr ist. Damit sich Muster und Dynamiken gar nicht so tief einschleichen und dann zu immerwährenden Verletzungen führen, die dann viel Arbeit und Anstrengung in der Aufarbeitung kosten. Man kann statt Therapie natürlich auch andere Formen wählen – z.B. ein Buch wie dieses oder einen Podcast. Aber zu sehen, dass eine Beziehung nicht einfach, sondern Arbeit ist, dass man investieren muss, das ist wichtig und diese Erkenntnis hat in den letzten Jahren zugenommen

 

Herzlichen Dank für das Gespräch!

Dr. Ursina Donatsch

Dr. Ursina Donatsch (vormals Brun del Re) ist leidenschaftliche vierfache Mutter und gebürtige Bündnerin. Ihr Psychologiestudium absolvierte sie in Zürich, wo sie sich anschließend zur Psychotherapeutin, Paartherapeutin und Sexualtherapeutin weiterbildete. Ihre Promotion in den Sexualwissenschaften zum Thema Pornografie und Partnerschaften basiert auf einer umfangreichen Studie mit über 1 000 Probanden. Seit vielen Jahren praktiziert sie erfolgreich in eigener Praxis und teilt ihr Wissen als Dozentin an verschiedenen Instituten. Neben ihrer therapeutischen Tätigkeit ist sie eine gefragte Autorin von Artikeln, Ratgebern und Kolumnen zu den Themen Sexualität und Partnerschaft.