Erwerbstätige, die für kranke, beeinträchtigte oder hochbetagte Angehörige sorgen müssen, sind stark gefordert und oft an der Belastungsgrenze. Wie man Sorgeverantwortung und Berufstätigkeit kompetent vereinbaren kann, vermittelt Privatdozentin Dr. Iren Bischofberger in Ihrem Buch „work & care – Auf dem Weg zur Vereinbarkeitskompetenz“. Wir haben mit der Autorin über die vielschichtigen Aspekte des Themas gesprochen.
Erwerbstätige pflegende Angehörige waren lange nicht auf der politischen Agenda, sie waren „unbezahlt und unsichtbar“. Hat sich dies geändert und in welcher Form? Wie sehen Sie die Entwicklung?
Im deutschsprachigen Raum wurden die pflegenden Angehörigen interessanterweise gerade wegen ihrer Erwerbstätigkeit sichtbarer, obwohl es die weitgehend unsichtbare Bevölkerungsgruppe der Angehörigen seit Jahrzehnten oder gar Jahrhunderten gibt. Dafür sind drei Treiber sind dafür zentral:
- Seit ungefähr den 1960er Jahren werden in der Wissenschaft die Langlebigkeit diskutiert und wie eine Gesellschaft des langen Lebens die Pflege im Alter gestaltet – vor allem im Privathaushalt, wo die Mehrheit der Bevölkerung bis zum Tod leben möchte.
- Immer mehr Behandlungen werden vom Krankenhaus, wo hohe finanzielle und personelle Mittel zur Rettung von Leben zur Verfügung stehen, in den Privathaushalt verlagert. Hier sind die häusliche Pflege, Arztpraxen etc. bei umfangreichen Beeinträchtigungen und Therapien aber finanziell, personell und strukturell nicht darauf ausgerichtet, zeitintensive Versorgung über lange Zeit hinweg kontinuierlich, koordiniert und finanziell tragbar für die breite Bevölkerung zu übernehmen. Im Gegenteil: Das Konstrukt der häuslichen Pflege ist als Unterstützung der Angehörigen für die Ausübung von Pflegeaufgaben positioniert und nicht als ihr Ersatz, damit sie erwerbstätig sein können.
- Schließlich erhält „work & care“ mehr Aufmerksamkeit wegen der steigenden Erwerbstätigkeit der Frauen (und langsam zunehmend auch dem Wunsch der Männer nach Teilzeitarbeit) und kleineren Familien, die über den Erdball verstreut leben.
All diese Treiber führen zu mehreren knappen Ressourcen: die unbezahlte Sorgearbeit, das Erwerbspotenzial bei steigendem Fachkräftebedarf und die Finanzierung der Langzeitpflege durch die Kommunen. Umfangreiche stationäre Langzeitpflege, damit Angehörige erwerbstätig sein können, wäre für Kommunen aber unbezahlbar. Und in Pflegezentren arbeiten notabene vor allem Frauen, die in der bisherigen Arbeitsteilung in Familien oft selber private Sorgearbeit für kranke oder beeinträchtigte Nahestehende leisten. Kurzum: work & care ist ein ausgesprochenes Schnittmengenthema.