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Zankapfel Arbeitszeugnis

In Deutschland haben Arbeitnehmer nach dem Ende eines Beschäftigungsverhältnisses ein Anrecht auf ein qualifiziertes Zeugnis, das Auskunft über ihre Arbeitsaufgaben sowie über ihr vergangenes Arbeitsverhalten und ihre Leistung gibt.

Dieser Rechtsanspruch führt dazu, dass sich Arbeitszeugnisse als fester Bestandteil der Bewerbungsunterlagen etabliert haben und Unternehmen erwarten, dass Bewerber ihre berufliche Laufbahn lückenlos mit Arbeitszeugnissen dokumentieren können. Bewerber können daher für sie ungünstige Zeugnisse nicht einfach weglassen, wenn sie nicht riskieren wollen, bereits nach der Sichtung der Bewerbungsunterlagen abgelehnt zu werden.

Arbeitnehmer, die sich in ihrem Zeugnis ungerecht beurteilt fühlen, sind folglich oft bereit, vor dem Arbeitsgericht für ein besseres Zeugnis zu streiten. Dabei obliegt die Darlegungs- und Beweislast dem Arbeitnehmer, wenn der Arbeitgeber im Zeugnis eine durchschnittliche Leistung bescheinigt, während bei einer unterdurchschnittlichen Beurteilung der verklagte Arbeitgeber Belege beibringen muss. Entscheidend ist also die Frage, wann ein Arbeitszeugnis als durchschnittlich gilt. Anhand eines konkreten Gerichtsfalls und aktueller empirischer Daten diskutieren Sende und Moser die unterschiedliche Auslegung des Begriffs "Durchschnitt" und die Brisanz der Diskrepanz zwischen Rechtsprechung und empirischer Forschung zur Zeugnispraxis.

Diskrepanzen zwischen empirischen Ergebnissen und subjektiven Eindrücken zeigen sich darüber hinaus in der medialen Berichterstattung über Arbeitszeugnisse und selbst in Fachaufsätzen, die Meinungen einzelner Personaler wiedergeben. Bemerkenswert ist dabei der Widerspruch zwischen der intensiven Nutzung von Arbeitszeugnissen und dem Zweifel an ihrer Aussagekraft. Einerseits erachtet die Mehrzahl der Personalentscheider Arbeitszeugnisse als relativ wichtig und zieht sie bei der Bewerbervorauswahl heran, um sich einen Überblick über Qualifikation und Leistungen der Bewerber zu verschaffen. Andererseits wird vor dem Hintergrund der gesetzlichen Pflicht zur wohlwollenden Formulierung der Wahrheitsgehalt der Beurteilungen angezweifelt. Auf Basis aktueller Forschungsergebnisse erörtern die Autoren Fragen der Fairness und der Aussagekraft der spezifischen Sprache, mit der Beurteilungen im Arbeitszeugnis kommuniziert werden. Zusammengenommen zeigen die bisherigen Befunde, dass Arbeitszeugnisse besser sind als ihr Ruf. Allerdings setzt die sachgerechte Zeugnisinterpretation Fachwissen über die Zeugnissprache und ein strukturiertes Vorgehen voraus.

von Cynthia Sende und Klaus Moser

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Dann lesen Sie den Originalartikel "Zankapfel Arbeitszeugnis: Warum wir mehr Empirie in die juristische und mediale Debatte einbringen sollten" online.

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