Psychologie für die Gesellschaft
Ellen Matthies, Gerhard Reese, Jutta Mata, Immo Fritsche, Wilhelm Hofmann, Sonja Geiger, J. Christopher Cohrs, Laura Loy und Laura Henn
Die Transformation zu einer klimafreundlichen Gesellschaft hängt nicht nur von der Verfügbarkeit neuer Technologien und klimagerechter Prozeduren ab, sondern ist zu einem großen Teil Psychologie. Ein Blick auf die Forschung der Umwelt- und Sozialpsychologie zeigt, dass wir bereits viel über Ursachen und Bedingungen des klimaschützenden Verhaltens von Individuen im Alltag wissen. Allerdings ist der Beitrag der Psychologie hin zu einer sozialökologischen Transformation damit bei weitem noch nicht ausgeschöpft. Schließlich ist es auch die Akzeptanz politischer Maßnahmen durch die Bürgerinnen und Bürger, die darüber entscheiden, ob Gesellschaften ihrer klimatischen Selbstzerstörung gemeinschaftlich entgegentreten. Im Beitrag wird aufgezeigt, in welcher neuen und umfassenden Weise die wissenschaftliche Psychologie zu Erklärung, Vorhersage und Förderung von Transformationshandeln in der Klimakrise beitragen kann.
Anja Kannegießer, Elena Ebner, Ute Wegmann, Stefanie Grunert, Anna-Pia Belke und Michaela Pfundmair
Gutachten spielen in vielen Gerichtsverfahren im Kindschaftsrecht eine bedeutende Rolle. Sie unterstützen Richterinnen und Richter in ihren Entscheidungen. Diese betreffen die persönlichsten Grundrechte der Beteiligten. Umso wichtiger ist die Qualität dieser Gutachten.
Bisher fokussierten Initiativen zur Qualitätssicherung auf die Ausbildung der Gutachter. Einen anderen Ansatz verfolgt das Pilotprojekt zum kollegialen Feedback zu familienpsychologischen Gutachten, das am Kompetenzzentrum für Gutachten, Recht-Psychologie-Medizin, unter der Leitung von Anja Kannegießer, Ute Wegmann und Michaela Pfundmair in den Jahren 2019 und 2020 durchgeführt wurde. Hier geht es um die Idee, Gutachten selbst einer nachhaltigen Qualitätssicherung zu unterziehen. Dabei griffen die Initiatoren das aus der Wissenschaft bekannte Peer-Review-Verfahren auf und adaptierten es an die besonderen Anforderungen an Gutachten im Familienrecht.
Um ein objektives, reliables, valides und effizientes Verfahren zu entwickeln, wurden Beurteilungsbögen sowie Standards für die organisatorische Durchführung entwickelt. Diese wurden erprobt und evaluiert.
Es zeigte sich, dass die teilnehmenden Sachverständigen den Einsatz eines standardisierten Beurteilungsbogens im Peer-Review-Verfahren mehrheitlich befürworteten. Dabei wurde der Beurteilungsbogen bevorzugt, der vornehmlich allgemeine Aspekte eines Gutachtens erhebt. Dieser zeigte sich in der Testung zudem als reliabel. Das Peer-Review-Verfahren selbst wurde insgesamt positiv beurteilt. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer zeigten sich zufrieden mit dem Ablauf des Verfahrens und empfanden die Rückmeldungen größtenteils als hilfreich. Diese würden neue Blickrichtungen eröffnen: Durchführungsroutinen würden hinterfragt und eingeschliffene Verhaltensmuster verändert. Die Mehrheit signalisierte zudem bereits ihre Bereitschaft an einer zukünftigen Teilnahme an einem Peer-Review-Verfahren.
Das im Pilotprojekt entwickelte Peer-Review-Verfahren ist also geeignet, zur Qualitätsverbesserung von Gutachten eingesetzt zu werden. Die Rückmeldungen zeigen, dass es möglich ist, eine positive Feedbackkultur im Gutachterwesen zu entwickeln. Diese Chance kann genutzt werden, um Stärken gutachterlichen Handelns weiter zu fördern und erneute Fehler zu vermeiden.
Der Originalartikel „Peer-Review im Gutachterwesen: Wie kollegiales Feedback die Qualität familienpsychologischer Gutachten zu verbessern hilft“ kann online eingesehen werden.
Florian Offergelt, Matthias Spörrle und Klaus Moser
Gut funktionierendes Wissensmanagement ist ein wichtiger Erfolgsfaktor für alle Organisationen in der heutigen Zeit. Es ist dafür zuständig, dass neues Wissen geschaffen, gespeichert und zwischen den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ausgetauscht wird. Kommt es in Organisationen zu Unterbrechungen des kontinuierlichen Wissensaustauschs, hat dies nicht nur negative Auswirkungen auf die Beschäftigten, sondern es ergeben sich auch ernsthafte Konsequenzen für die Organisationen. Obwohl bekannt ist, welche Bedeutung Wissensweitergabe für Organisationen hat, tritt das Phänomen, dass angefragtes Wissen absichtlich zurückgehalten wird, in Organisationen rund um den Globus auf.
Offergelt, Spörrle und Moser analysieren in ihrem Beitrag „Warum Wissen in Organisationen zurückgehalten wird“ das wissenschaftlich erst seit Kurzem untersuchte Phänomen des absichtlichen Zurückhaltens von angefragtem Wissen. Basierend auf aktuellen wissenschaftlichen Befunden zeigen die Autoren zunächst auf, welche negativen Konsequenzen das Zurückhalten von Wissen sowohl für die Organisationen als Ganzes als auch für die einzelnen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter hat. Danach erörtern sie die Frage, was Wissen eigentlich ist, weshalb angefragtes Wissen in der Kollegenschaft absichtlich zurückgehalten wird und was die treibenden Kräfte dahinter sind. So identifizieren sie neben verschiedenen personenseitigen Gründen, wie beispielsweise dem gesteigerten Aufwand, der mit der Weitergabe von Wissen verbunden sein kann, auch äußere Einflussfaktoren wie Führungskräfte, die aufgrund Ihrer Funktion als Rollenvorbild ebenfalls Auslöser für ein solches Verhalten sein können. Abschließend besprechen die Autoren Empfehlungen für die Praxis und diskutieren kritisch, weshalb es auch sinnvoll sein kann, dass nicht immer alles verfügbare Wissen auch tatsächlich weitergegeben wird.
Insgesamt zeigt sich aus der aktuellen Befundlage, dass das Zurückhalten von Wissen eine bisher unterschätzte Gefahr im Organisationsalltag darstellt. Berücksichtigt man allerdings einige Empfehlungen, dann finden sich bereits heute wirksame Ansätze, um sich vor dieser Gefahr zu schützen.
Der Originalartikel "Warum Wissen in Organisationen zurückgehalten wird" kann online eingesehen werden.
Moritz Valentin Fischer und Michaela Pfundmair
Weshalb werden Menschen zu Terroristen? Diese Frage von weltpolitischer Bedeutung treibt Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler seit Jahrzehnten um. Auch wenn die Ziele verschiedener terroristischer Vereinigungen kaum unterschiedlicher sein könnten, lassen sich gewisse Gemeinsamkeiten bei den psychologischen Ursachen für Radikalisierungsverläufe über Ideologien hinweg identifizieren. Auf individueller Ebene bildet meist ein starkes Ungerechtigkeitserleben die Grundlage für radikale Ideen. Zudem stellt die Deprivation wichtiger menschlicher Grundbedürfnisse, wie der Wunsch nach Kontrolle sowie das Bedürfnis nach einer bedeutungsvollen Existenz, eine bedeutende Voraussetzung für radikale Entwicklungen dar. Der Großteil terroristischer Straftaten wird jedoch nicht alleine, sondern in Gruppen geplant und ausgeführt – daher wird auch Gruppenprozessen, wie Polarisierung, Vorurteilen oder einer wahrgenommenen Bedrohung der eigenen Gruppe, eine hohe Bedeutung für Radikalisierungsverläufe zugesprochen. In einem finalen Schritt, der letzten Endes zur aktiven Ausübung von Gewalt führt, scheinen psychologische Katalysatoren notwendig, welche den Einsatz von Gewalt scheinbar legitimieren. So werden radikalisierte Personen beispielsweise Schritt für Schritt an die eigene Gewaltausübung herangeführt, um sie psychologisch zu desensibilisieren und moralische Hürden abzubauen. Eine weitere Strategie stellt die Dehumanisierung dar, bei der versucht wird, Mitgliedern anderer Gruppen ihre Menschlichkeit abzusprechen, um sie derart außerhalb moralischer Werte zu verorten und Gewalt gegen sie vermeintlich zu rechtfertigen. Auf der Grundlage dieser Ursachenkomplexe lassen sich gezielte Präventionsmaßnahmen ableiten. Auf gesellschaftlicher Ebene ist es zentral, jedem Menschen die Teilhabe am Sozial- und Berufsleben zu ermöglichen, um der beschriebenen Deprivation der Grundbedürfnisse nach Kontrolle und einer bedeutungsvollen Existenz zu begegnen. Präventionsmaßnahmen für Zielgruppen, die einem erhöhten Radikalisierungsrisiko unterliegen, umfassen beispielweise Informationsveranstaltungen mit Aussteigern aus radikalen Vereinigungen und zielen meist darauf ab, das Abdriften von Schülerinnen und Schülern aus sozialen Brennpunkten in die radikale Szene zu verhindern. Um bereits radikalisierten Personen einen Weg zurück zu gemäßigten Positionen aufzuzeigen, wurden in den letzten Jahren verschiedene Deradikalisierungsprogramme eingesetzt, die sowohl individuellen als auch gruppenbezogenen Ursachen von Radikalisierung entgegenwirken sollen. Bausteine solcher Programme bilden das Aufzeigen von beruflichen Chancen oder die Vernetzung mit gemäßigten sozialen Gruppen. Inwiefern diese Interventionsprogramme eine messbare Wirkung entfalten, ist derzeit jedoch schwer einzuschätzen, da wissenschaftliche Evaluationsstudien mit diesen Zielgruppen nur selten durchführbar sind.
Der Originalartikel "Die Psychologie der terroristischen Radikalisierung: Wie sich Menschen radikalisieren und Prävention gestaltet werden kann" kann online eingesehen werden.
Cynthia Sende und Klaus Moser
In Deutschland haben Arbeitnehmer nach dem Ende eines Beschäftigungsverhältnisses ein Anrecht auf ein qualifiziertes Zeugnis, das Auskunft über ihre Arbeitsaufgaben sowie über ihr vergangenes Arbeitsverhalten und ihre Leistung gibt. Dieser Rechtsanspruch führt dazu, dass sich Arbeitszeugnisse als fester Bestandteil der Bewerbungsunterlagen etabliert haben und Unternehmen erwarten, dass Bewerber ihre berufliche Laufbahn lückenlos mit Arbeitszeugnissen dokumentieren können. Bewerber können daher für sie ungünstige Zeugnisse nicht einfach weglassen, wenn sie nicht riskieren wollen, bereits nach der Sichtung der Bewerbungsunterlagen abgelehnt zu werden.
Arbeitnehmer, die sich in ihrem Zeugnis ungerecht beurteilt fühlen, sind folglich oft bereit, vor dem Arbeitsgericht für ein besseres Zeugnis zu streiten. Dabei obliegt die Darlegungs- und Beweislast dem Arbeitnehmer, wenn der Arbeitgeber im Zeugnis eine durchschnittliche Leistung bescheinigt, während bei einer unterdurchschnittlichen Beurteilung der verklagte Arbeitgeber Belege beibringen muss. Entscheidend ist also die Frage, wann ein Arbeitszeugnis als durchschnittlich gilt. Anhand eines konkreten Gerichtsfalls und aktueller empirischer Daten diskutieren Sende und Moser die unterschiedliche Auslegung des Begriffs „Durchschnitt“ und die Brisanz der Diskrepanz zwischen Rechtsprechung und empirischer Forschung zur Zeugnispraxis.
Diskrepanzen zwischen empirischen Ergebnissen und subjektiven Eindrücken zeigen sich darüber hinaus in der medialen Berichterstattung über Arbeitszeugnisse und selbst in Fachaufsätzen, die Meinungen einzelner Personaler wiedergeben. Bemerkenswert ist dabei der Widerspruch zwischen der intensiven Nutzung von Arbeitszeugnissen und dem Zweifel an ihrer Aussagekraft. Einerseits erachtet die Mehrzahl der Personalentscheider Arbeitszeugnisse als relativ wichtig und zieht sie bei der Bewerbervorauswahl heran, um sich einen Überblick über Qualifikation und Leistungen der Bewerber zu verschaffen. Andererseits wird vor dem Hintergrund der gesetzlichen Pflicht zur wohlwollenden Formulierung der Wahrheitsgehalt der Beurteilungen angezweifelt. Auf Basis aktueller Forschungsergebnisse erörtern die Autoren Fragen der Fairness und der Aussagekraft der spezifischen Sprache, mit der Beurteilungen im Arbeitszeugnis kommuniziert werden. Zusammengenommen zeigen die bisherigen Befunde, dass Arbeitszeugnisse besser sind als ihr Ruf. Allerdings setzt die sachgerechte Zeugnisinterpretation Fachwissen über die Zeugnissprache und ein strukturiertes Vorgehen voraus.
Der Originalartikel "Zankapfel Arbeitszeugnis: Warum wir mehr Empirie in die juristische und mediale Debatte einbringen sollten" kann online eingesehen werden.
Bärbel Kracke
Seitdem in Deutschland die UN-Behindertenrechtskonvention 2009 ratifiziert worden ist, hat die Diskussion um ein „inklusives Bildungssystem“ deutlich an Fahrt aufgenommen. Dabei ist das Verständnis davon, was Inklusion bedeutet, durchaus nicht einheitlich. Für die einen bedeutet Inklusion, dass Kinder mit und ohne sonderpädagogischen Förderbedarf gemeinsam in Regelschulen unterrichtet werden. Für andere ist Inklusion erst realisiert, wenn allen Lernenden gleiche Bildungschancen unabhängig von ihren Voraussetzungen und Lebenslagen eröffnet werden und dabei auf eine Etikettierung als behindert verzichtet werden kann, weil jede/r individuell gefördert wird. Inklusion ist eine große Herausforderung für ein leistungssegregiertes Bildungssystem, das auf der Idee von leistungshomogenen Lerngruppen basiert. In Deutschland werden bislang nur etwa 30% der Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf mit Kindern und Jugendlichen ohne sonderpädagogischen Förderbedarf unterrichtet.
Die Frage, die sich für die psychologische Forschung stellt, ist, wie die Akteure im Schulsystem Inklusion erleben, um Ansatzpunkte für die gelingende Umsetzung des politisch gewollten Prozesses zu erhalten. In der Forschung wurde bislang vor allem betrachtet, wie sich die Lernleistungen, das schulische Selbstkonzept und das Wohlbefinden von Schülerinnen und Schülern mit und ohne sonderpädagogischen Förderbedarf im gemeinsamen Unterricht im Vergleich zum segregierten Unterricht entwickeln. Darüber hinaus wurden Einstellungen von Eltern und Lehrkräften zum gemeinsamen Unterricht untersucht. Die Ergebnisse aus früheren regional begrenzten Studien der 80er Jahre und neueren umfassenderen Studien weisen darauf hin, dass es für Kinder und Jugendliche mit Lernbehinderungen für ihre Leistungen vorteilhaft ist, wenn sie integrativ beschult werden. In Bezug auf ihre soziale Integration sind die Befunde gemischt. Sie machen aber deutlich, dass die Aktivität der Lehrkraft gerade für die soziale Integration eine große Rolle spielt. Eltern und Lehrer sind grundsätzlich der Integration eher positivgegenüber eingestellt, sehen aber deutlichen Bedarf für die Ausbildung der Akteure für den gemeinsamen Unterricht und an personellen Ressourcen.
Auf dem Weg zu einem inklusiven Bildungssystem gibt es in Zukunft noch viel zu tun. Die Entwicklung im gemeinsamen Unterricht von Kindern und Jugendlichen mit anderen Förderbedarfen als der Lernbehinderung muss systematisch in den Blick genommen, die Aus- und Weiterbildung der Akteure für Inklusion vorangetrieben und Diagnoseprozesse müssen vereinheitlicht werden. Forschungsansätze müssen der Komplexität der Interaktionen von Personen- und Umweltbedingungen gerecht werden. Hochschulen und Wirtschaft müssen sich dem Inklusionsgedanken öffnen, um lückenlose Bildungskarrieren für alle Kinder und Jugendlichen zu gewährleisten.
Der Originalartikel "Schulische Inklusion – Herausforderungen und Chancen" kann online eingesehen werden.
Klaus Rothermund
Der demographische Wandel ist ein zentrales Thema für Politik und Gesellschaft. Wie sollen wir damit umgehen, dass immer mehr Menschen immer älter werden? Um die erwarteten Versorgungsprobleme bei der Rente, Pflege- und Gesundheitsversorgung zu lösen, wird eine „aktivierende“ Alterspolitik gewählt: Ältere Menschen werden aufgefordert oder verpflichtet, länger zu arbeiten und ihre Kompetenzen im Dienste der Gesellschaft einzubringen, so lange ihnen dies möglich ist. Handfester Ausdruck hiervon ist die Abschaffung von Vorruhestandsprogrammen sowie die schrittweise Erhöhung des Renteneintrittsalters.
Diese Politik wird kontrovers diskutiert: Stellt sie eine Bedrohung dar oder eine Chance? Werden legitime Ansprüche älterer Menschen auf einen „wohlverdienten Ruhestand“ verletzt oder eröffnen sich durch diese Maßnahmen neue Perspektiven für ältere Menschen? Psychologische Forschungsergebnisse belegen, dass ältere Menschen Aktivierungsanforderungen positiv wahrnehmen und als Chance bzw. Herausforderung erleben. Aktivierungsforderungen transportieren ein positives Altersbild, das älteren Menschen das Gefühl gibt, gebraucht zu werden und ein wichtiger Teil der Gesellschaft zu sein. Gleichzeitig fühlt sich ein Teil der älteren Menschen von den Erwartungen überfordert oder bevormundet. Für diese bestehen kaum Aussichten auf eine aktive Teilhabe und Integration. Offenbar reicht es nicht, lediglich Altersgrenzen zu verschieben, solange die tatsächlichen Möglichkeiten einer aktiven Teilnahme am gesellschaftlichen Leben für viele ältere Menschen de facto begrenzt sind.
Aus psychologischer Sicht müssen vor allem motivationale und strukturelle Barrieren abgebaut werden, die einer Integration älterer Menschen im Berufsleben und in anderen Lebensbereichen entgegenstehen. Hierzu gehören die aktive Bereitstellung von Möglichkeiten des Engagements für ältere Menschen (ein positives Beispiel ist die Öffnung des Bundesfreiwilligendienstes für alle Altersgruppen), die Abschaffung und Flexibilisierung von Altersgrenzen (insbesondere die tarifvertragliche Festschreibung der Beendigung der Berufstätigkeit mit Erreichen des Ruhestandsalters stellt eine ungerechtfertigte Benachteiligung aus Altersgründen dar und sollte aufgehoben werden) sowie die konsequente Ahndung und Ächtung altersdiskriminierender Praktiken in allen Lebensbereichen.
Zentrale Ursache für die Ausgrenzung von älteren Menschen sind Altersstereotype. Negative Altersbilder bewirken nicht nur eine Benachteiligung älterer Menschen aus gesellschaftlichen Lebensvollzügen, sie prägen auch das Selbstverständnis älterer Menschen und rufen bei diesen Motivationsdefizite und Gefühle der Wertlosigkeit hervor. Eine positive Gestaltung des Lebens im Alter bedarf positiver Altersbilder, in denen das hohe Alter als wichtiger und wertvoller Lebensabschnitt begriffen wird, der einer langfristigen Planung und Vorbereitung bedarf, für den man auf verschiedenen Ebenen vorsorgen sollte und auf den man sich freuen kann, weil er einzigartige Chancen und Erfahrungen bereithält.
Der Originalartikel "Die Gestaltung des Alters: Ein Plädoyer für mehr Psychologie" kann online eingesehen werden.
Ulrich Wagner
Rechtsextrem orientierte Menschen gehen von der Ungleichheit von Menschen aus, sie identifizieren sich stark mit der eigenen Nation und lehnen Fremde ab. Oft sind sie bereit, diese Überzeugungen mit Gewalt durchzusetzen.
Rechtsextremismus hängt mit Persönlichkeitsmerkmalen zusammen, Rechtsextreme weisen oft hohe Werte in Autoritarismusneigung und Dominanzorientierung auf. D.h., sie übernehmen gesellschaftlichen Konventionen unkritisch, folgen den Anweisungen von für sie wichtigen Führungspersonen, sind bereit, gegen Abweichler mit physischer Aggression vorzugehen, und sehen es als erstrebenswert und natürlich an, zwischen wertvollen und wertlosen Gruppen zu unterscheiden.
Rechtsextreme Ablehnungen fremder Gruppen entstehen, wenn Menschen den Eindruck haben, dass fremde Gruppen die materiellen Ressourcen der eigenen Gruppe und wichtige Normen und Werte in Frage stellen. Solche Konkurrenz- und Bedrohungswahrnehmungen gehen in der Regel nicht auf persönliche, sondern vermittelte Erfahrungen zurück. Sie sind u.a. das Ergebnis politischer Auseinandersetzungen und medialer Berichterstattung. Insbesondere solche Personen sind anfällig für solche Berichte, die keine persönlichen Erfahrungen mit „Fremden“ haben und stereotypisierender Berichterstattung hilflos ausgesetzt sind. Das erklärt auch, warum Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus in solchen Regionen besonders hoch sind, in denen keine Einwanderer oder jüdische Menschen leben.
Die psychologische Forschung über die Ursachen von Rechtsextremismus hat zur Entwicklung von Interventionsprogrammen beigetragen, die rechtextreme Orientierungen reduzieren können. Dazu gehören beispielsweise systematische Kontaktprogramme in der Schule. Die Erkenntnisse über die Entwicklung von Rechtsextremismus ohne „Fremde“ haben darüber hinaus Implikationen für Ansiedlungspolitik und Gemeindeplanung. Solche psychologischen Interventionen sind nachweislich wirksam, sie setzen aber einen entsprechenden politischen und medialen Umgang mit Einwanderung und „Andersartigkeit“ voraus.
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Sabina Pauen und Jeanette Roos
Seitdem die Bundesregierung im August 2013 das Recht auf institutionelle Kinderbetreuung auch für Kinder unter drei Jahren rechtlich garantiert, sind Krippen in aller Munde. Sehen die einen in dieser Einrichtung die Rettung für karrierebewusste junger Mütter, so so wittern die anderen eine Gefahr für zarte Kinderseelen. Aber geht es hier tatsächlich darum, das Wohl von Müttern gegen das Wohl von Kindern abzuwägen? Was ist dran, an der weit verbreiteten Vorstellung, eine Krippenunterbringung sei für Kinder unter drei Jahren schädlich? Zu diesem Thema wurde von viel gesagt und geschrieben, aber nur allzu häufig dominieren Vorurteile die gesellschaftliche Diskussion.
In ihrem Beitrag „Wieviel Krippe braucht das Kind?“ beleuchten Sabina Pauen und Jeannette Roos die Frage aus wissenschaftlich-psychologischer Sicht. Beide Frauen lehren und forschen seit über 10 Jahren als Professorinnen in Heidelberg zum Thema frühe Kindheit; sie sind außerdem selbst Mütter. Die Autorinnen stellen neueste Forschungsergebnisse zu der Frage nach den Auswirkungen von Fremdbetreuung auf die kindliche Entwicklung zusammen. Zunächst wird analysiert, was bislang über die Konsequenzen einer Krippenunterbringung für die Eltern-Kind Bindung bekannt ist; anschließend geht es um die Auswirkungen der Fremdbetreuung auf die sozialen und kognitiven Entwicklung der Kinder, bis Pauen und Roos am Ende ihres Beitrags auf die zentrale Frage nach der Qualität der Fremdbetreuung eingehen. Unter Berücksichtigung bislang vorliegender Befunde ziehen die Expertinnen insgesamt eine positive Bilanz für Krippen. Solange die Qualität der Betreuung und die Eltern-Kind Beziehung stimmt, scheinen zarte Kinderseelen also auch dann keinen Schaden zu nehmen, wenn ihre Mütter keine drei Jahre Heim und Herd hüten, sondern eigene Ziele weiterverfolgen. Im Gegenteil: Gemeinsam mit anderen Kindern und mit gut ausgebildetem Fachpersonal den Tag zu verbringen, scheint für viele sogar eine durchaus förderliche Erfahrung zu sein.
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