Therapieforschung: Psychodynamische versus verhaltenstherapeutische Ansätze
In Band 1 gehen Sie u.a. ausführlich auf die Therapieforschung ein. Kann man verhaltenstherapeutische und psychodynamische Vorgehensweisen überhaupt sinnvoll miteinander vergleichen?
Falk Leichsenring: Verhaltenstherapie und psychodynamische Therapie verfolgen unterschiedliche Ziele. Die Verhaltenstherapie richtet ihre Aufmerksamkeit primär auf die Symptome und bearbeitet die damit in Zusammenhang stehenden Lernvorgänge und kognitiven Prozesse.
Psychodynamische Therapie fokussiert auf die den Symptomen zugrundeliegenden unbewussten Konflikte und strukturellen Einschränkungen. Diese werden als primär, die Symptome eher als sekundär angesehen. Durch eine Bearbeitung von Konflikten und strukturellen Einschränkungen wird daher nicht nur eine Veränderung der Symptome angestrebt, sondern auch weitergehende Veränderungen etwa in interpersonellen Beziehungen, im Selbstwertbereich und in der allgemeinen Befindlichkeit.
Entsprechend unterschiedlich sind die therapeutischen Vorgehensweisen. Studien haben jedoch gezeigt, dass sich die Interventionen der verschiedenen therapeutischen Ansätze in einem gewissen Umfang überlappen.
Welche Überschneidungen gibt es beispielsweise?
Falk Leichsenring: Während die Verhaltenstherapie von Anfang an störungsspezifisch ausgerichtet war, ist die psychodynamische Therapie durch die Fokussierung auf zugrundeliegende Konflikte und strukturelle Einschränkungen immer schon transdiagnostisch gewesen. In den letzten Jahren ist eine störungsspezifische Orientierung hinzugekommen. In der Verhaltenstherapie wird die transdiagnostische Orientierung umgekehrt gerade „entdeckt“.
Ist ein direkter Verglich von psychodynamischer und Verhaltenstherapie in Studien sinnvoll?
Falk Leichsenring: Auch im Hinblick auf die Ergebnisforschung legt die Verhaltenstherapie ihren Schwerpunkt auf die Veränderung der Symptome und setzt Messinstrumente ein, die hierauf zugeschnitten sind. Da jedoch durch eine Bearbeitung von unbewussten Konflikten und strukturellen Einschränkungen auch eine Besserung der Symptome angestrebt wird, kann erwartet werden, dass auch in der psychodynamischen Therapie Veränderungen in der Symptomatik erreicht werden. Dies ist ja tatsächlich auch der Fall. Was dies angeht, ist daher ein Vergleich der beiden Therapierichtungen möglich.
Es bleibt aber die interessante Frage offen, ob es Veränderungen gibt, die spezifisch nur in der psychodynamischen Therapie oder aber nur in der Verhaltenstherapie auftreten. Diese Frage ist bisher viel zu wenig untersucht worden. Es gibt jedoch erste Befunde, wonach z. B. übertragungsfokussierte Therapien zu einer Verbesserung der Bindung und der Mentalisierung führen, die etwa von dialektisch-behavioraler Therapie nicht erreicht wird.
Hier finden Sie eine Übersicht aller bisher erschienen Bände.