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„Alt sind immer die anderen?“ – Altersbilder im Generationenvergleich

Von Prof. Dr. Susanne Wurm und Prof. Dr. Anna E. Kornadt.

Alt sind nur die anderen? Altern im Blick der Generationen. Fröhliche Gruppe von verschiedenen Altersgruppen Bild: Getty images

Deutschland wird zunehmend älter – im aktuellen Jahr 2025 ist der Anteil von Menschen ab 67 Jahren an der Gesamtbevölkerung mit 20 % bereits größer als jener von Menschen unter 20 Jahren (19%). Zum Vergleich: Vor 50 Jahren standen 29% jüngere Menschen 13% älteren gegenüber. Es gibt also mehr ältere Menschen und sie leben länger als jemals zuvor. Im Kontrast dazu steht der gesellschaftlich hohe Wert von Jugend, Gesundheit, Fitness und Leistungsfähigkeit, der sich auch darin widerspiegelt, dass viele Menschen zwar lange leben, aber nicht alt sein wollen. Vor diesem Hintergrund untersuchte unsere aktuelle Studie (Wurm et al., 2025) drei Fragen: 

  1. Wie alt fühlen sich Menschen?
  2. Wie erleben verschiedene Altersgruppen das eigene Älterwerden? 
  3. Ab wann bezeichnen Menschen jemanden als alt? 

Besonders an dieser Studie ist, dass solche Sichtweisen auf das Alte(r)n über eine breite Altersspanne von 18 bis 85 Jahren verglichen wurden. Bisherige Studien konzentrierten sich vor allem auf ältere Menschen, manche auch auf jüngere Altersgruppen, aber es war kaum ein direkter Vergleich zwischen verschiedenen Altersgruppen möglich. 

Als Grundlage der aktuellen Studie dienten zwei bundesweit repräsentative Befragungen. Die eine führten die Autor*innen des Artikels mit 3.000 Personen zwischen 18 und 39 Jahren im Rahmen eines Online-Surveys des Wissenschaftlichen Instituts der Ortskrankenkassen durch (WIdO-Survey; Durchschnittsalter: 29,5 Jahre; 49,6% Frauen). Die Ergebnisse verglichen sie mit Daten eines zweiten repräsentativen Surveys, dem Deutschen Alterssurvey (DEAS), in dem exakt die gleichen Fragen zum Älterwerden und Altsein gestellt wurden – insgesamt 4.349 Personen im Alter zwischen 40 und 85 Jahren füllten den Papierfragebogen aus (Durchschnittsalter 62,4 Jahre, 50,5 % Frauen).

„Wie alt fühlen Sie sich?“ – Ab wann sich Menschen jünger fühlen als sie sind

Menschen haben nicht nur ein objektives, kalendarisches Alter, das sich über ihr Geburtsdatum einfach berechnen lässt. Vielmehr fällt es ihnen in der Regel auch leicht anzugeben, wie alt sie sich fühlen, was auch als „subjektives Alter“ bezeichnet wird. Manche Menschen fühlen sich so alt wie sie kalendarisch sind, andere fühlen sich jedoch jünger oder älter als sie sind. Eine große, vergleichende Studie (Metaanalyse; Pinquart & Wahl, 2021) zum subjektiven Alter in verschiedenen Ländern konnte zeigen, dass sich Menschen ab dem mittleren Erwachsenenalter (40 Jahre und älter) zwischen 6 und 21 Jahren jünger fühlen als sie kalendarisch sind. Die Differenz zwischen dem gefühlten und tatsächlichen Alter ist bei älteren Menschen größer als im mittleren Alter. Das ist leicht zu verstehen, wenn man sich vor Augen hält, was es bedeutet, wenn sich eine 40-jährige oder eine 80-jährige Person 20 Jahre jünger fühlt. Die erste Person würde sich wie als junge Erwachsene fühlen, die zweite Person trotzdem als älterer Mensch, nur eben im Alter von 60 Jahren. Bei Kindern und Jugendlichen zeigt sich ein anderes Muster: sie fühlen sich meist älter als sie sind, laut der zitierten Metaanalyse rund 1,7 bis 3 Jahre. 

Was konnten wir nun in der aktuell erschienenen Studie anhand der repräsentativen Daten für 18- bis 85-jährige Erwachsene in Deutschland feststellen? Unsere Analysen ergaben, dass sich junge Erwachsene unter 25 Jahren älter fühlen als sie sind. Im Alter von rund 25 Jahren (ganz genau: 24,6 Jahren) gibt es jedoch einen Wendepunkt: ab diesem Alter fühlen sich junge Erwachsene jünger als sie tatsächlich sind. Diese Differenz zwischen subjektivem und kalendarischem Alter wird über die Altersgruppen hinweg größer, wie anhand von Abbildung 1 zu erkennen ist. Der Abstand zwischen kalendarischem und gefühltem Alter ist wie erwartet für die älteren Altersgruppen am größten.

Da ältere Menschen sich allein schon aufgrund ihres höheren Alters weit jünger fühlen können als dies jüngeren Menschen überhaupt möglich ist (eine 20-jährige Person wird sich nicht 20 Jahre jünger fühlen, bei einer 80-jährigen Person wäre das möglich), wird oftmals ergänzend ein sogenannter proportionaler Diskrepanzwert gebildet. Das heißt, die Differenz von subjektivem und kalendarischen Alter wird zusätzlich noch am kalendarischen Alter relativiert. Anhand dieser Berechnung zeigt sich, dass nach dem 40. Lebensjahr das Gefühl, jünger zu sein, proportional stabil bleibt, das heißt, ab dem mittleren Erwachsenenalter fühlen sich Menschen im Durchschnitt 13 % jünger als sie sind. Warum sich Menschen jünger fühlen, liegt mitbegründet im gesellschaftlich hohen Wert des Jungseins sowie darin, dass sich viele Menschen möglichst lange einer jüngeren Altersgruppe zugehörig fühlen möchten. Zudem halten Menschen auch im höheren Lebensalter viele Aspekte ihrer Identität aufrecht, dies kann ebenfalls zu einem Gefühl des Jüngerseins beitragen. Bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen unter 25 Jahren scheint hingegen eine Rolle zu spielen, als selbstständige, erwachsene Personen wahrgenommen werden zu wollen, was sie darin zum Ausdruck bringen, dass sie sich älter fühlen.

„Was bedeutet für Sie das eigene Älterwerden?“ – Ab wann Verluste dominieren

Fragt man Menschen danach, was sie mit dem Älterwerden verbinden, fallen ihnen sowohl negative als auch positive Aspekte ein. Zu Ersteren zählen soziale Verluste, wie zum Beispiel der Verlust von Freundschaften, sowie körperliche Verluste, wie zum Beispiel gesundheitliche Einschränkungen. Positive Wahrnehmungen beziehen sich vor allem auf das persönliche Wachstum, zum Beispiel die Möglichkeit, Ziele und Pläne zu realisieren und neue Dinge zu lernen. Im Rahmen der aktuellen Studie zeigt sich, dass jüngere wie ältere Menschen das Älterwerden stärker mit körperlichen als sozialen Verlusten verbinden. Bereits innerhalb der Gruppe der jungen Erwachsenen (18-39 Jahre) zeigt sich über die Altersgruppen hinweg eine stärkere Zustimmung zu der Sicht, dass mit dem Älterwerden körperliche Verluste einhergehen.

Für das Erleben von persönlichem Wachstum zeigt sich demgegenüber in den Altersgruppen der ab 40-Jährigen ein abnehmender Trend. Im Alter von rund 71 Jahren kommt es schließlich zu einem Wendepunkt: ab diesem Alter ist zu erkennen, dass das Erleben körperlicher Verluste die Oberhand gegenüber dem Erleben von persönlichem Wachstum gewinnt. Das veranschaulicht Abbildung 2.

Auch wenn es sich hier um Daten verschiedener Altersgruppen und nicht um Entwicklungen einzelner Personen handelt, deckt sich der hier dargestellte Befund mit Ergebnissen individueller Entwicklungsverläufe (Diehl et al., 2021). Auch anhand dieser zeigte sich, dass Menschen ab dem Überschreiten des 70. Lebensjahres weniger persönliches Wachstum mit dem Älterwerden verbinden. Die Befunde korrespondieren zudem mit einer anderen, repräsentativen deutschen Studie, die ebenfalls zeigen konnte, dass sich das wahrgenommene Verhältnis von Gewinnen und Verlusten ab einem Alter von Anfang 70 umgekehrt, hin zu einem Überwiegen von Verlusten (Kaspar et al., 2023). Diese Wahrnehmung mag zum Teil in eigenen Erfahrungen oder jenen des sozialen Umfelds begründet sein, kann aber auch widerspiegeln, was man für die kommenden Jahre befürchtet. Das Realisieren der auslaufenden Lebenszeit mag für den Wechsel hin zu einer Dominanz einer Verlustperspektive also ebenso eine Rolle spielen wie tatsächliche Verlusterfahrungen.

„Ab wann würden Sie jemanden als alt bezeichnen?“ – Bloß nicht alt sein!

Wenn sich die meisten Menschen also jünger fühlen als sie sind, ab wann würden sie dann andere Menschen als „alt“ bezeichnen? Und nennen jüngere Menschen andere Altersgrenzen als ältere Menschen, obwohl gemeinhin das Rentenalter als Grenze zum Alter betrachtet wird? Auch dies untersuchten wir in der aktuellen Studie an 18- bis 85-jährigen Personen. 

Tatsächlich zeigten sich klare Unterschiede: die jüngere Gruppe der 18- bis 39-jährigen Personen bezeichnen im Durchschnitt Menschen ab einem Alter von 64 Jahren als alt. Dies entspricht dem aktuell typischen Ruhestandsalter in Deutschland. Die ältere Altersgruppe der 40- bis 85-Jährigen betrachtet Menschen jedoch im Mittel erst ab einem Alter von 72 Jahren als alt. Die Befragten definierten dabei das Alter, ab dem man als alt gilt, jeweils oberhalb ihres eigenen kalendarischen Alters. Auch hier zeigte sich ein Wendepunkt, allerdings erst im eigenen Alter ab 77 Jahren: haben Menschen dieses Alter erreicht, bezeichnen sie erstmals andere Menschen, die das gleiche Alter wie sie selbst haben, als alt. Dieses Ergebnis deutet darauf hin, dass Menschen bis ins hohe Alter versuchen, sich von der Gruppe der alten Menschen abzugrenzen und unterstreicht damit, dass Menschen zwar lange leben, aber nicht alt sein wollen.  

Schlussfolgerungen

Die Studie illustriert, wie wichtig es ist, Ansichten über das Altern über die gesamte Lebensspanne hinweg zu betrachten (Kornadt et al., 2020). Sie erweitert damit frühere Forschungen, die sich oft nur auf jüngere oder ältere Erwachsene konzentrierten. Die Ergebnisse zum subjektiven Alter und zur Einschätzung, ab wann jemand alt ist, verdeutlichen die Bemühung von Menschen, möglichst lange nicht zur Gruppe der alten Menschen zu gehören. 

Bis heute herrschen negative Altersstereotype über alte Menschen vor, sowohl was körperliche Attribute (z.B. gebrechlich, vergesslich), äußerliche Aspekte (z.B. faltig, tattrig) als auch charakterliche Beschreibungen betrifft (z.B. starrsinnig, althergebracht). Alte Menschen erinnern an die eigene Endlichkeit, an Abbauprozesse, den Verlust von Attraktivität sowie den Verlust sozialer Rollen, Fähigkeiten und Fertigkeiten. Oft wird dabei zugleich auf veraltetes Wissen zurückgegriffen. Denn anhand der heutigen Forschung wissen wir, dass sich besonders im Alter Menschen stark voneinander unterscheiden und das kalendarische Alter wenig darüber aussagt, wie eine Person tatsächlich im Alter ist oder wie sie sich wahrscheinlich entwickeln wird (Wurm, 2023).

Hinzu kommt, dass die geburtenstarken Jahrgänge, die in Kürze in den Ruhestand gehen, eine andere Sozialisation erfahren haben und sich unter anderem in ihrer Bildung und Gesundheit von Jahrgängen unterscheiden, die während oder kurz nach dem zweiten Weltkrieg aufgewachsen sind. Vor dem Hintergrund, dass der Zusammenhang unserer Sichtweisen auf das Alter(n) für Gesundheit und Langlebigkeit gut belegt ist (Westerhof et al., 2023), sollten wir kritisch reflektieren, ob unser gesellschaftlicher Fokus auf Jugend und die Vermeidung von Alter(n) angebracht oder vielmehr Ausdruck ist eines verbreiteten Ageismus ist, also negativer Gefühle, Gedanken und Verhaltensweisen in Bezug auf das Alter und ältere Menschen. Vor dem Hintergrund des eingangs erwähnten demografischen Wandels ist es aus unserer Sicht eine gesellschaftliche Kernaufgabe, neben Sexismus und Rassismus auch Ageismus zu reduzieren, um gutes Älterwerden zu fördern. 

Referenzen

Diehl, M., Wettstein, M., Spuling, S. M., & Wurm, S. (2021). Age-related change in self-perceptions of aging: Longitudinal trajectories and predictors of change. Psychology and Aging. doi.org/10.1037/pag0000585 

Kaspar, R., Schilling, O. K., Diehl, M., Gerstorf, D., Rupprecht, F. S., Sabatini, S., & Wahl, H. W. (2023). Differences in self-perceptions of aging across the adult lifespan: The sample case of awareness of age-related gains and losses. Psychology and Aging. doi.org/10.1037/pag0000783 

Kornadt, A.E., Kessler, E.-M., Wurm, S., Bowen, C.E., Gabrian, M., & Klusmann, V. (2020). Views on aging: A life-span approach. European Journal of Ageing, 17, 387-401. doi: 10.1007/s10433-019-00535-9

Pinquart, M., & Wahl, H.-W. (2021). Subjective age from childhood to advanced old age: A meta-analysis. Psychology and Aging, 36(3), 394-406. doi.org/10.1037/pag0000600

Westerhof, G. J., Nehrkorn-Bailey, A. M., Tseng, H. Y., Brothers, A., Siebert, J. S., Wurm, S., Wahl, H. W., & Diehl, M. (2023). Longitudinal effects of subjective aging on health and longevity: An updated meta-analysis. Psychology and Aging, 38(3), 147-166. doi.org/10.1037/pag0000737 

Wurm, S. (2023). Gesund Älterwerden: Wünsche, Fakten, Möglichkeiten. Kohlhammer. 

Wurm, S., Gehring, M., Blawert, A., Zok, K., Schröder, H., & Kornadt, A. E. (2025). Views on Aging Throughout the Lifespan of 18 to 85 Years: Age Grading in Five Dimensions. GeroPsych: The Journal of Gerontopsychology and Geriatric Psychiatry. doi.org/10.1024/1662-9647/a000347

Prof. Dr. phil. Dipl.-Psych. Susanne Wurm

Prof. Dr. phil. Dipl.-Psych. Susanne Wurm leitet seit 2019 die Abteilung Präventionsforschung und Sozialmedizin an der Universitätsmedizin in Greifswald. Sie war zuvor Professorin für Psychogerontologie an der Universität Erlangen-Nürnberg und sieben Jahre lang Co-Leiterin des Deutschen Alterssurveys. In ihrer Forschung beschäftigt sie sich mit dem Älterwerden über die Lebensspanne, insbesondere mit verschiedenen Vorstellungen vom Alter(n) und wie sich diese wandeln, Gesundheit im mittleren und höheren Erwachsenenalter sowie mit psychosozialen und verhaltensbezogenen Präventions- und Interventionsansätzen für gesundes Älterwerden 
https://www2.medizin.uni-greifswald.de/prevention/

Prof. Dr. phil. Dipl.-Psych. Anna E. Kornadt

Prof. Dr. phil. Dipl.-Psych. Anna E. Kornadt ist seit 2019 Professorin für Psychologie des Alterns an der Universität Luxemburg. Nach ihrer Promotion zum Thema Altersbilder an der Friedrich-Schiller-Universität Jena war sie Postdoktorandin an der Universität Bielefeld im Bereich Persönlichkeitspsychologie. Ihre Forschung beschäftigt sich mit Vorstellungen vom Alter über die Lebensspanne und deren Einfluss auf Entwicklung, der Entwicklung von Selbst- und Persönlichkeit im Erwachsenenalter sowie der Erfassung psychischer Merkmale über längere Zeit und im täglichen Leben.
https://www.uni.lu/fhse-en/people/anna-elena-kornadt/

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