Angehörige von Menschen mit Demenz haben mit großen alltäglichen Herausforderungen zu tun, umso wichtiger ist es, sie professionell zu unterstützen und zu beraten. Im neuen Praxishandbuch „Angehörige von Menschen mit Demenz beraten“ haben Samuel Vögeli und Nina Wolf wertvolle, evidenzbasierte und bewährte Strategien zusammengetragen. Wir haben mit Ihnen über wichtige Aspekte der Demenzberatung gesprochen.
Gibt es verlässliche Einschätzungen darüber, wie viele Menschen direkt oder als Angehörige von Demenz betroffen sind?
Alzheimer Schweiz (2022) zufolge leben aktuell rund 150 000 Menschen mit Demenz in unserem Land. Bei diesen Zahlen handelt es sich jedoch nicht um ein Abbild der Wirklichkeit, sondern um Schätzungen und Hochrechnungen. So beruft sich Alzheimer Schweiz auf unterschiedliche Quellen, unter anderem auf Berichte von Alzheimer Europe oder Einschätzungen des Bundesamtes für Statistik. Noch schwieriger wird die Prävalenzschätzung bei den Angehörigen. Dies hat nicht nur damit zu tun, dass Angehörige nirgendwo registriert sind. Erschwerend ist auch dass es keine einheitliche Definition von „Angehörigen“ gibt: Welche Kriterien muss eine Person erfüllen, um „angehörig“ zu sein? Muss sie sich aktiv an der Unterstützung der demenzbetroffenen Person beteiligen oder darf sie ihr auch „nur“ nahestehen? Als pragmatischer Mittelweg hat man sich vielerorts darauf geeignet, pro Person mit Demenz von drei Angehörigen auszugehen. Für die Schweiz würde dies bedeuten, dass rund 450 000 Personen indirekt von der Krankheit mitbetroffen sind.
Im Zusammenhang mit Zahlen und Fakten erscheint uns ein Aspekt als besonders relevant: So ist davon auszugehen, dass die Zahl Betroffener und Angehöriger aufgrund demografischer Entwicklungen stetig zunehmen wird. Alzheimer Schweiz (2022) rechnet für das Jahr 2050 mit einem Anstieg auf 315 4000 Menschen mit Demenz, was einer Verdoppelung gleichkommt. Es darf also davon ausgegangen werden, dass Fachpersonen aus dem Gesundheits- und Sozialwesen in Zukunft noch weniger als heute um das Thema Demenz herumkommen. Eine fundierte Auseinandersetzung mit den Situationen, Belastungen, Wünschen und Bedürfnissen von Betroffenen und Angehörigen scheint (nicht nur aber besonders für diese Berufsgruppen) unabdingbar. Schließlich verdeutlichen die Prognosen die Bedeutung von qualitativ hochstehender Beratung für Angehörige. Auch in den nächsten Jahren wird unsere Gesellschaft auf das Engagement von Familie und Verwandten, Freundinnen und Freunden, Nachbarinnen und Nachbarn angewiesen sein, um Menschen mit Demenz ein würdevolles Leben zu ermöglichen. Damit Angehörige ihre anspruchsvolle Aufgabe wahrnehmen können, brauchen sie unkomplizierten Zugang zu verlässlichen und kompetenten Fachpersonen, die sie beim täglichen Umgang mit der Erkrankung praktisch und emotional unterstützen. Genau hierzu will unser Buch einen Beitrag leisten.