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Beruflichen Erfolg vorhersagen: Mit ABGS die wichtigsten Faktoren testen

Belastbarkeit und Gewissenhaftigkeit sind die Persönlichkeitsmerkmale, die den Ausbildungs- und Berufserfolg über alle Altersklassen und Berufsgruppen hinweg am besten vorhersagen. Entsprechend gibt es in der Personalauswahl und -entwicklung ein großes Interesse daran, diese Merkmale zu erfassen. Ein evidenz- und theoriebasiertes Instrument hierzu sind die Arbeitsbezogenen Belastbarkeits- und Gewissenhaftigkeitsskalen (ABGS). Das Testverfahren ist dabei besonders ökonomisch, da es mit nur 35 Items auskommt. Wir haben mit einem seiner Entwickler, Thomas Moldzio, gesprochen.

Herr Moldzio, warum haben Sie die ABGS entwickelt?

Wir setzen schon lange den NEO-FFI in der Persönlichkeitsdiagnostik ein. Mit den Erkenntnissen zur Ausprägung stabiler Persönlichkeitseigenschaften sind wir nach wie vor zufrieden. Dennoch kamen bei der Erfassung der Skala Gewissenhaftigkeit immer wieder Zweifel an der Aussagekraft auf. Das war dann der Fall, wenn mittlere Werte in der Gewissenhaftigkeit nicht mit anderen Informationen aus zusätzlichen diagnostischen Quellen übereinstimmten, z.B. einer Präsentationsaufgabe oder dem Strukturierten Interview.

Deswegen wollten wir Gewissenhaftigkeit, den besten Prädiktor für beruflichen Erfolg auf Persönlichkeitsebene, differenzierter erfassen. Uns war außerdem klar, dass man hierfür berufsbezogen formulierte Items nutzen sollte.

Auf welchem theoretischen Modell basiert das Verfahren?

Parallel zu unseren o.g. Überlegungen, die wir mit ersten Diplomarbeiten vorantrieben, stießen wir auf die Arbeiten von DeYoung, Quilty und Peterson (2007). Die Forschergruppe entwickelte ein theoriebasiertes Modell, in welchem jeder Big Five Faktor in zwei Aspekte und mehrere Facetten unterteilt wird. Die Aspekte-Struktur der Gewissenhaftigkeit deckte sich mit unseren Befunden, so dass wir dieses Modell bis heute als Orientierungsrahmen für unsere Arbeiten verwenden.

Wie haben sie Gewissenhaftigkeit und Belastbarkeit dann genau modelliert?

Die Gewissenhaftigkeitsaspekte Fleiß im Sinne von Eigeninitiative und Zielorientierung sowie Ordnung im Sinne von Struktur und Genauigkeit ließen sich faktorenanalytisch herleiten. Sie deckten sich mit unseren Praxiserkenntnissen in der Eignungsdiagnostik. Bei der Belastbarkeit hatten wir die Vermutung, dass eine Unterscheidung in zwei Aspekte sinnvoll ist. Dabei handelt es sich um einen situativen Aspekt mit sozialer Interaktion und einen zweiten Aspekt mit dauerhafter Beanspruchung im individuellen Arbeitskontext. Dies fanden wir auch entsprechend in unseren Daten als stärkste Faktoren. Allerdings mussten wir feststellen, dass Belastbarkeit ein diverseres Konstrukt ist, zu dem noch weitere, „schwächere" Aspekte gehören. Beispiele hierfür sind der Umgang mit Zeitdruck oder die Erholungsfähigkeit. Diese Aspekte fanden keinen Einzug in die ABGS, um das Instrument schlank und aussagekräftig zu halten.

Welche Vorteile haben die ABGS im Vergleich zu anderen Persönlichkeitsverfahren?

Wir erfassen mit berufsbezogen formulierten Items die relevantesten Aspekte der Big Five hinsichtlich der Beurteilung des beruflichen Erfolgs. Mit fünf bis 13 Items sind die Skalen überschaubar lang und können auch einzeln dargeboten werden.

Für welche Zielgruppe und welchen Prozess lohnt sicher der Einsatz der ABGS?

Wir setzen die ABGS für Bewerber um Ausbildungsplätze ein, für Nachwuchsführungskräfte, für Experten und auch in der Diagnostik von Top-Management-Positionen. Kurzum, die Diagnostik der Big Five und ihrer Aspekte-Struktur gehört für uns zum Standardvorgehen der beruflichen Eignungsdiagnostik.

Können Sie uns von einem Praxisbeispiel berichten, in dem das Verfahren ABGS erfolgreich eingesetzt wurde?

Ein aktuelles Projektbeispiel zeigt, dass bei sechs von sieben Führungskräften in einem Industrieunternehmen die Fleißausprägung von weit unterdurchschnittlich bis durchschnittlich variierte und nur eine Führungskraft sich einen weit überdurchschnittlich hohen Wert zuschrieb. Im Rahmen einer internen Standortbestimmung wurden diese Resultate konstruktiv-kritisch thematisiert. Die Werkleitung konnte den sechs Führungskräften gegenüber ihre Anspruchshaltung in Richtung Eigeninitiative und Zielorientierung formulieren. Entsprechende Maßnahmenpläne wurden erarbeitet.

Haben Sie noch weitere Skalen zur Erfassung der Big-Five-Faktoren im beruflichen Kontext geplant?

Die Skalen zur Erfassung der Verträglichkeitsapekte Compassion und Politeness sind in Arbeit. Aktuell bereiten wir die Erforschung der Extraversion und Offenheit vor – natürlich alles berufsbezogen formuliert.

Dr. Thomas Moldzio

  • Jg. 1970, aufgewachsen in Ostwestfalen-Lippe

  • Zivildienst in der Psychosomatischen Fachklinik Bad Pyrmont

  • Ausbildung zum Versicherungskaufmann und Tätigkeit in der Personalentwicklung in der Konzernzentrale der Colonia- bzw. heute Axa-Versicherungen in Köln

  • Studium der Psychologie und im Nebenfach Arbeitsrecht in Kiel, parallel Tätigkeit für Beratungsunternehmen u.a. zwei Jahre für Prof. Sarges & Partner

  • Seit Ende 1999 geschäftsführender Partner von Moldzio & Partner – Institut für Personalauswahl, einem Beratungsunternehmen, welches Unternehmen ausschließlich in Fragen der beruflichen Eignungsdiagnostik unterstützt. Das Unternehmen hat seinen Sitz im Nordosten Hamburgs.

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von Thomas Moldzio, Henrike Peiffer, Kirsten Dreier, Teodora Gergovska, Annabell Reiner, Jörg Felfe