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Coaching: Grundlagen, Forschung, Konzepte und Praxis

Das Handbuch Coaching ist das etablierte Nachschlagewerk für alle, die sich einen umfassenden Überblick zum Thema Coaching verschaffen wollen. Das Werk erscheint nun in der 4., vollständig überarbeiteten und erweiterten Auflage. Im Gespräch mit dem Herausgeber Herrn Doktor Christopher Rauen haben wir über die Neuauflage gesprochen und aktuelle Herausforderungen des digitalen Coachings in Zeiten der Corona-Pandemie diskutiert.

Herr Doktor Rauen, in den letzten 20 Jahren hat sich das Handbuch Coaching als unentbehrliches Standardnachschlagewerk etabliert. Was macht dieses Buch so besonders?
Der Anspruch des Handbuch Coaching ist es, das Thema Coaching umfassend in seiner Breite und Tiefe darzustellen. Dabei richtet es sich sowohl an Praktiker*innen als auch an Wissenschaftler*innen und Studierende, die sich mit Coaching fundiert auseinandersetzen möchten. Damit ist das Handbuch nicht nur ein Nachschlagewerk, sondern gibt auch ebenso viele praktische Einblicke in die vielfältigen Coaching-Varianten, Coachingabläufe sowie Aspekte, die die Qualität eines Coachings ausmachen. Abrundend wird über bisherige Erkenntnisse aus Forschung und Praxis aufgeklärt. Das Wissen von über 30 Autor*innen macht dieses Buch offenbar auch über einen längeren Zeitraum hinweg attraktiv.

Die Neuauflage wird durch einen neuen Teil ergänzt, der sich mit der aktuellen Coaching-Forschung beschäftigt. Was erwartet die Leser*innen in diesem Teil?
Dieser neue Teil des Handbuch Coaching war für mich als Herausgeber besonders wichtig. Zwar steht die Coaching-Forschung in weiten Teilen noch am Anfang, aber sie existiert weltweit und hat bereits spannende Ergebnisse vorzuweisen. Dabei werden verschiedene Fragestellungen behandelt: Was beeinflusst die Wirksamkeit von Coaching? Welche Wirkfaktoren existieren und wie lassen sie sich erforschen? Welche Nebenwirkungen hat Coaching? Woran erkennt man die Passung zwischen Coach*in und Klient*in? Das sind spannende Fragen und das Handbuch bietet dazu und zu vielen weiteren Themen der Coaching-Forschung fundierte Antworten namhafter Wissenschaftler*innen.

Das Handbuch Coaching profitiert durch die Beiträge verschiedener Autor*innen von interdisziplinären und richtungsübergreifenden Ansätzen. Welche theoretischen Richtungen und Konzepte werden in dem Werk berücksichtigt?
Grundlegend ist für die Arbeit der meisten Coach*innen der systemische Ansatz und das spiegelt sich auch im Handbuch Coaching wider. Aber was heißt überhaupt „Systemisches Coaching“? Professor Doktor Jürgen Kriz hat dazu einen herausragenden Beitrag für das Handbuch verfasst, was mich sehr glücklich und auch ein wenig stolz macht. Selbstverständlich gibt es zahlreiche Ansätze, die im Coaching praktiziert werden und daher liefert das Handbuch einen Überblick, der eine Einordnung der vorhandenen Konzepte ermöglichen soll. Die 4. Auflage berücksichtigt auch neuere Konzepte des Coachings. Hierbei ist beispielsweise das Konzept der Introvision zu nennen.

Coaching-Konzepte

In dem Werk wird u.a. die Methode des Karriere-Coachings vorgestellt. Was ist der Kern des Karriere-Coachings und wie unterscheidet es sich von einer klassischen Berufsberatung?
Karriere-Coaching ist eine non-direktive, lösungsorientierte Unterstützung beim Laufbahnmanagement von Personen in unterschiedlichen Berufsphasen. Zentral ist dabei die Klärung des Entwicklungspotenzials der Klient*innen, ihrer aktuellen beruflichen Situation, ihrer Karriereziele und Kompetenzen. Dabei werden Chancen, aber auch Herausforderungen und Hindernisse thematisiert, um die Selbsteinschätzung der Klient*innen zu verbessern und dahingehend bewusstere Karriere-Entscheidungen zu treffen. Ein Karriere-Coaching sollte man also nicht als Konkurrenz zur klassischen Berufsberatung sehen, sondern als Ergänzung. Die enormen Veränderungen in allen Arbeits- und Berufsfeldern zeigen, dass hier die Nachfrage deutlich steigt.

Das Kapitel zum Thema Coaching im Topmanagement beginnt einleitend mit der Aussage: „Weil im Topmanagement alles anders ist, verändert sich die Coaching-Dynamik.“ Was ist damit genau gemeint?
Im Topmanagement gelten an vielen Stellen andere Regeln als in den darunterliegenden Hierarchieebenen. Typische Erfolgsmuster, die z.B. im mittleren Management sehr gut funktionieren, stoßen hier an kulturelle Grenzen. Im Topmanagement geht es primär nicht mehr um operative Sach- und Fachtätigkeiten, sondern um Repräsentation, Kontaktpflege, Strategieentwicklung, symbolhafte Handlungen und die Arbeit an den „Stellschrauben“ für das gesamte Unternehmen – also das „big picture“. Außenstehenden erscheint das manchmal abgehoben, ja entkoppelt. Jemand an der Spitze einer großen Organisation ist eben immer auch Projektionsfläche für unterschiedlichste Erwartungen, Hoffnungen und Befürchtungen. Das muss man aushalten können, was selten einfach ist. Entsprechend unterscheiden sich die Anforderungen an die Coach*innen beim Coaching im Topmanagement von denen auf anderen Führungsetagen. Coach*innen, die die Spielregeln der Top-Liga nicht verstehen oder gar ihre Klient*innen „umerziehen“ wollen, sind im Topmanagement nicht anschlussfähig.

Darüber hinaus werden spezifische Coaching Kompetenzen thematisiert. Wodurch zeichnen sich geeignete Coach*innen aus?
Grundsätzlich gilt: Coach*innen sind auch „nur“ Menschen. Das betone ich, weil es beliebig lange Listen mit Eigenschaften von Coach*innen gibt, die zuweilen den Eindruck hinterlassen, es handele sich um Supermenschen. Das ist natürlich Unsinn. Im Handbuch stellen wir stattdessen ein wissenschaftlich fundiertes Kompetenzmodell für Coach*innen (Coach Competence Model), welches die Persönlichkeit, die sozial-kommunikative Kompetenz, die Methodenkompetenz, die Sachkompetenz sowie die Feld- und Funktionskompetenz unterscheidet. Je nach Spezialisierung des oder der jeweiligen Coach*in sind also unterschiedliche Ausprägungen der Kompetenzen sinnvoll. Im Kern sind Wahrnehmungs- und Urteilsfähigkeit, gutes Selbstmanagement und emotionale Stabilität, Beziehungsgestaltungsfähigkeiten und Selbstreflexionsvermögen natürlich zentral. Coach*innen sollten aber auch das Wechselspiel zwischen Nähe und Distanz beherrschen. Konkret bedeutet das, dass es nicht reicht, nur ankoppelungsfähig zu sein. Man sollte sich gleichzeitig auch abgrenzen können. Coaching ist eben mehr als ein nettes Gespräch, weshalb nicht jede Person für die Tätigkeit als Coach*in geeignet ist, obwohl nicht wenige das Gegenteil annehmen.

Coaching in der Krise

Besonders aktuell ist das Thema des Digitalen Coachings, auf das im Kapitel zu verschiedenen Varianten des Coachings eingegangen wird. Wie hat sich Coaching in Zeiten der Corona-Pandemie verändert?
Die Digitalkompetenz von Coach*innen hat durch die Corona-Pandemie enorm zugenommen. Wir haben in wenigen Monaten einen Digitalisierungsschub erlebt, der sonst Jahre benötigt hätte. Persönlich sehe ich darin eine große Chance für die gesamte Branche, aber auch für  jeden einzelnen Coachenden. Denn nach der Pandemie werden sich einige Gewohnheiten und Annahmen geändert haben. Auch in einer Videokonferenz lassen sich hervorragende Coachings durchführen. Damit können sich Coach*innen neue Zielgruppen erschließen und räumlich frei arbeiten. Das hat auch Einfluss auf das Arbeitssetting und die Methoden, die im Coaching eingesetzt werden können. Es gibt ja nicht nur das digitale Whiteboard, sondern unterschiedlichste Visualisierungstools und auch Apps, die z.B. die Motivation der Klient*innen verbessern können. Hier erwarte ich noch viele spannende Entwicklungen und erlebe das Coaching lebendiger denn je.

Vielen Dank für das interessante Gespräch.

Dr. Christopher Rauen

Dipl.-Psych., Arbeits- und Organisationspsychologe, Senior Coach DBVC, arbeitet seit 1996 als Business-Coach, ist Lehrbeauftragter an mehreren Universitäten, Autor und Herausgeber (Coaching-Magazin, Coaching-Tools, Coaching-Newsletter). Er ist Geschäftsführer der Christopher Rauen GmbH, Initiator und 1. Vorsitzender des Vorstands des Deutschen Bundesverbandes Coaching e.V. und Chairman of the Board of Directors der International Organization for Business Coaching (IOBC). Arbeitsschwerpunkt: Coaching von Geschäftsführern, Vorständen und Unternehmern, Coaching-Ausbildung.

Weitere Informationen:

https://www.rauen.de/

https://www.coaching-magazin.de/

https://www.coaching-tools.de/

https://www.coaching-newsletter.de/

Das sagt der Dorsch zu:

Coaching (= C.) [engl.] Unterstützung, Nachhilfe, [AO], ist ein Sammelbegriff für unterschiedliche Beratungsmethoden und Varianten für versch. Ziele, Personen und Gruppen, wie z. B. Einzel-C. von Führungskräften oder Mitarbeitern, Team-C. und Projekt-C. (Rauen, 2005). Der Begriff Coach wurde bereits im 19. Jhd. an Universitäten im angloamerik. Raum für Personen verwendet, die Studenten auf Prüfungen und sportliche Wettbewerbe vorbereitet haben. Populär wurde das C. jedoch erst durch seine Bedeutung im Hochleistungssport. In den 1970er-Jahren wurde C. in den USA als entwicklungsorientiertes Führen ...

 

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