Welche Behandlungsmöglichkeiten gibt es und welche Rolle spielen Expositionen, begleitende Übungen dabei?
Es gibt sehr klare Leitlinien für die Behandlung von Zwängen, erst im letzten Jahr ist eine Aktualisierung der Leitlinien veröffentlicht worden. Diese Leitlinien empfehlen, dass Zwänge in erster Wahl mit Verhaltenstherapie und Expositionen zu behandeln sind. Das findet viel, viel zu selten statt, sowohl in ambulanten wie in stationären Behandlungen. Wir haben 3 Phasen, wie wir Zwänge behandeln, Phase 1 ist, dass Patient*innen vorbereitet werden müssen auf den übenden Teil. Psychoedukativ wird erklärt: Was sind Zwänge, wie funktionieren Zwänge? Was sind neutralisierende Handlungen? Wie ist der charakteristische Spannungsverlauf bei einer Zwangshandlung? Was für Vermeidungs- und Sicherheitsverhalten hält die Zwänge aufrecht? Wir müssen eine Zwangshierarchie erstellen, also: Was sind die typischen auslösenden Situationen für Zwangsgedanken und Zwangshandlungen?
Im Anschluss an diese psychoedukative Phase streben wir an möglichst früh und zügig in übende Teile der Behandlung zu kommen, d.h. die Auslösesituationen der Zwänge anzugehen, an den Herd, an das Waschbecken, Dinge anzufassen, die vermieden werden, usw. Wir sehen, dass dies nicht, wie im typischen psychotherapeutischen Setting, allein im Gespräch funktioniert, sondern dass die Patient*innen erst Erleichterung erfahren, wenn man solche therapeutisch begleiteten Zwangsexpositionen durchführt. Und wir erleben, dass dadurch auch psychotherapeutische Anschlussthemen viel klarer werden, was durchaus bedeuten kann, dass dann auch Themen wie frühe Vernachlässigung, Verlust eines Elternteils, traumatische Erfahrungen psychotherapeutisch weiter zu bearbeiten sind. Aber ohne Zwangsexpositionen als übenden Teil der Behandlung, wissen wir, werden Zwänge selten besser. Darüber hinaus gilt es die Funktionalität der Zwänge zu behandeln, beispielsweise: Wie gehe ich stattdessen mit Spannung um? Wie gestalte ich mein Leben ohne Zwänge, wie nutze ich die Zeit, die bisher für die Zwänge verwendet wurde? Oder auch Entwicklungsschritte nachzuholen, weil Zwänge gehäuft in Entwicklungsphasen auftreten, wie Auszug aus dem Elternhaus, Abschluss einer Berufsausbildung, etc.
Auch Medikamente spielen eine Rolle, wenn die Zwänge schwergradig sind, bei einer schweren Belastung durch Zwangsgedanken, einer familiären Häufung oder wegen einer Nebendiagnose kann es sinnvoll sein, z.B. ein Antidepressivum (SSRI) zu geben, aber nicht als erste Wahl. Und man muss es nicht zwangsläufig in Kombination machen, eine Verhaltenstherapie mit Expositionen kann ausreichend sein.