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Einsatz psychologischer Testverfahren in der Personalauswahl

In der Forschung werden laufend neue psychologische Verfahren zum Einsatz in der Personalauswahl entwickelt und Erkenntnisse zu deren Validität sowie anderer Gütekriterien publiziert. Doch wie beeinflusst der wissenschaftliche Fortschritt die Praxis der Personalauswahl? Und welche Faktoren entscheiden darüber, ob ein Personalauswahlverfahren tatsächlich eingesetzt wird? Aktuelle Erkenntnisse aus einer großangelegten Studie zu Trends, Hintergründen und Schlussfolgerungen für die Personalauswahl in Unternehmen fasst unsere Lektorin Jasmin Karrer für Sie zusammen.

Trendstudie zur Praxis in der Personalauswahl

In diesem Jahr wurden die aktuellen Ergebnisse einer großangelegten Trendstudie publiziert, die seit dem Jahr 1985 etwa alle zehn Jahre durchgeführt wird. Es werden einerseits die Trends in der Personalauswahl über die Zeit analysiert, andererseits wird untersucht, welche Faktoren für den Einsatz eines Personalauswahlverfahrens in der Praxis entscheidend sind.

Insgesamt lässt sich ein Trend hin zu strukturierteren und valideren sowie online-basierten Personalauswahlverfahren beobachten. So kommen zunehmend Verfahren wie strukturierte Interviews und Assessment-Center zum Einsatz, während beispielsweise graphologische Gutachten oder das Einholen von Referenzen an Bedeutung verlieren. Doch welche Trends sind in Bezug auf psychometrische Testverfahren zu beobachten?

Psychometrische Testverfahren in der Personalauswahl

Es wird eine Vielzahl von psychometrischen Testverfahren angeboten, welche sich als Verfahren in der Personalauswahl eignen, und es werden laufend neue publiziert. Diese Verfahren eignen sich besonders gut, um im Rahmen des Prozesses der Personalauswahl Merkmale objektiv zu erfassen. Dabei können sowohl Persönlichkeitstests zur Erfassung der Ausprägung von Eigenschaften einer Person als auch Leistungstests wie beispielsweise Intelligenz- oder Aufmerksamkeitstests eingesetzt werden.

Sowohl Forschende als auch Verleger stellen hohe Anforderungen an diese Verfahren. So sind bereits vor der Veröffentlichung eines psychometrischen Testverfahrens Studienergebnisse nachzuweisen, die die Erfüllung verschiedener wissenschaftlicher Gütekriterien belegen.

Ein Hauptgütekriterium ist dabei die Validität eines Verfahrens. Sie ist ein Mass dafür, wie valide respektive wie genau ein Verfahren ein Merkmal erfasst, das es zu messen vorgibt.

Psychometrische Testverfahren als Ausnahme des Trends?

Trotz der durch wissenschaftliche Studien nachgewiesenen Validität von psychometrischen Verfahren, werden diese in der Praxis der Personalauswahl vergleichsweise selten eingesetzt. Dieses Ergebnis der Studie widerspricht dem beobachteten Trend, der den Einsatz zunehmend strukturierterer und validerer Verfahren in der Personalauswahl beschreibt.

Zwar ist bei genauerer Betrachtung eine Zunahme der Verwendung von Persönlichkeitstests festzustellen, oftmals werden in dem Zusammenhang jedoch Verfahren mit ungenügender Validität eingesetzt. Bei Leistungstests wie Intelligenztests zeigt sich ein anderes Bild: diese werden nach wie vor nur zögerlich eingesetzt.

Wie kommt diese Diskrepanz zustande, dass zwar einerseits eine Tendenz hin zu valideren Verfahren zu beobachten ist, dieser Trend jedoch vor den psychometrischen Verfahren halt zu machen scheint?

Entscheidende Faktoren für den Einsatz eines Personalauswahlverfahrens

Um diese Frage zu beantworten, lohnt es sich, die Faktoren genauer zu betrachten, die dafür entscheidend sind, ob ein Personalauswahlverfahren in der Praxis eingesetzt wird oder nicht.

Die bereits angesprochene Validität ist der mit Abstand wichtigste Faktor bei der Entscheidung für oder gegen ein Verfahren. Je nach Verfahren können aber auch die Praktikabilität oder die vom Unternehmen eingeschätzte Akzeptanz des Verfahrens unter den Bewerbenden ausschlaggebend sein.

Praktikabilität versus Validität

So wird die Validität der Assessmentcenter von Unternehmen zwar einerseits überschätzt, andererseits stagniert der Einsatz dieses Verfahrens gemäss der Studie dennoch. Der Grund hierfür dürfte die eingeschränkte Praktikabilität von Assessmentcentern sein. Diese ist gerade im Hinblick auf online-basierte Personalauswahlverfahren ebenfalls ein entscheidendes Kriterium.

Insbesondere bei der Vorauswahl sind effiziente und somit praktikable Verfahren beliebt und die Praktikabilität wird oft über das Kriterium der Validität gestellt. Dies ist beispielsweise bei der automatisierten Vorauswahl oder bei der Analyse von Online-Bewerbungsunterlagen der Fall. Auch online-basierte Persönlichkeits- oder Leistungstests sind sehr praktikable Methoden.

Validität und Akzeptanz von Intelligenztests oft unterschätzt

Doch warum werden online-basierte Intelligenztests, welche über hohe Kennwerte in der Validität verfügen und sich durch hohe Praktikabilität auszeichnen, dennoch nicht häufiger eingesetzt?

Dies ist unter anderem dadurch zu erklären, dass die Validität von Leistungstests durch die Unternehmen oftmals unterschätzt wird, was bereits durch weitere Studien bestätigt wurde.

Ebenfalls wird von den Unternehmen die Akzeptanz der Intelligenztests bei Bewerbenden unterschätzt, was weiterhin zu einer Zurückhaltung gegenüber diesen Verfahren beiträgt.

Schlussfolgerungen für die Unternehmen

Die Studie kommt insgesamt zum Schluss, dass der Trend zur Nutzung valider Personalauswahlverfahren anhält und die Unternehmen grösstenteils gut über die Validität und Akzeptanz der verschiedenen Verfahren informiert sind. Diese Erkenntnisse setzen sie unter der Berücksichtigung von Praktikabilitätsüberlegung in der Wahl von Personalauswahlverfahren ein.

Bei den psychometrischen Personalauswahlverfahren lässt sich jedoch eine Lücke zwischen wissenschaftlichen Erkenntnissen und deren Anwendung in der Praxis feststellen. So werden die Persönlichkeitstests in ihrer Validität allgemein zwar korrekt eingeschätzt, bei der Wahl eines spezifischen Tests werden jedoch nicht zwingend die validesten Verfahren ausgewählt. Hierbei lohnt es sich, die eingesetzten Verfahren kritisch zu hinterfragen und gegebenenfalls auf eine validere Alternative auszuweichen.

Noch deutlicher zeigt sich die Lücke zwischen der eingeschätzten und der tatsächlichen Validität bei den Intelligenztests. Hier könnten die Unternehmen profitieren, wenn sie ihre Validitätserwartungen nach oben hin anpassen würden. Auch die Akzeptanz durch die Bewerbenden ist bei diesen Verfahren oft höher, als von den Unternehmen eingeschätzt wird. Gerade im Bereich der Online-Verfahren stellen Intelligenztests somit ein attraktives Personalauswahlverfahren dar: sie genügen den drei Kriterien Validität, Praktikabilität und Akzeptanz bei den Bewerbenden.

Geeignete Verfahren in der Personalauswahl

Doch welche psychometrischen Testverfahren sind valide und darüber hinaus gut als Personalauswahlverfahren geeignet? An dieser Stelle sollen abschliessend beispielhaft einige Verfahren vorgestellt werden, die sich zu diesen Zwecken eignen. Dabei wird das Augenmerk nicht nur auf die Validität, sondern auch auf die Praktikabilität gerichtet:

CRE-W

Der CRE-W ist ein Instrument zur Erfassung kreativer Denkstile im beruflichen Kontext. Er wurde entwickelt, um mit einem relativ geringen zeitlichen Aufwand die Kreativität zu erfassen. Die Kreativität gilt für viele Unternehmen als Schlüsselkompetenz.

Es handelt sich um die deutschsprachige Adaptation der Creative Response Evaluation – Work (CRE-W) von James C. Kaufman und Roni Reiter-Palmon durch René T. Proyer & Kay Brauer (2020).

Validität: Eine grosse Zahl an Validierungsstudien werden im Manual berichtet und liefern Evidenz für die nomologische, konvergente sowie die diskriminante Validität des CRE-W. Validierungsstudien anderssprachiger Fassungen des CRE-W lassen sich ebenfalls als Hinweise auf die Bewährung des Verfahrens hinzuziehen.

Praktikabilität: Online-basiertes Verfahren mit kurzer Bearbeitungsdauer (etwa 30 Minuten).

M-KIT

Der M-KIT ist ein universell und flexibel anwendbares Verfahren zur Erfassung fluider Intelligenz. Intelligenz wird dabei weitgehend unabhängig von Faktoren wie erworbenem Schulwissen, spezifischen Berufskenntnissen und ähnlichem erfasst.

Der modulare Intelligenztest wurde von Michael Dantlgraber, Benedikt Hell, Franziska Bossinger-Fischer & Johannes Schult veröffentlicht (2015).

Validität: Die Aufgabengruppen des M-KIT zeigen im Einfaktormodell einen sehr guten Fit, was auf eine ausgewogene und angemessene Erfassung fluider Intelligenz hinweist (CFI = .99; RMSEA = .02). Die Konstruktvalidität wird im Manual mittels eines Vergleichs mit dem Intelligenzstrukturtest (I-S-T 2000 R, Liepmann, Beauducel, Brocke & Amthauer, 2007) belegt (r = .78), die Kriteriumsvalidität mit Schul- und Abiturnoten sowie mit Vorgesetztenbeurteilungen von Auszubildenden. Mittels des Operationalisierungsmodells werden weiterführende Validitätsbelege aufgezeigt.

Praktikabilität: Online-basiertes Verfahren mit verhältnismässig kurzer Bearbeitungsdauer, wobei es der modulare Aufbau erlaubt, diese durch eine Beschränkung auf spezifische Module noch weiter zu senken (Bearbeitungsdauer: in Abhängigkeit der gewählten Module 25-85 Minuten).

BIP

Mit dem BIP werden berufsbezogene Persönlichkeitseigenschaften wie zum Beispiel soziale Kompetenzen und Arbeitsverhalten erfasst. Der bewährte Persönlichkeitstest ist für Personalauswahl und -entwicklung gleichermaßen geeignet. Die Testung kann als Selbst- oder Fremdbeschreibung erfolgen.

Der BIP, Bochumer Inventar zur berufsbezogenen Persönlichkeitsbeschreibung ist von Rüdiger Hossiep & Michael Paschen liegt in der 3., durchgesehene Auflage vor (2019).

Validität: Es gibt substanzielle Zusammenhänge der BIP-Skalen mit Merkmalen beruflichen Erfolges und beruflicher Zufriedenheit. Zusammenhänge zwischen BIP-Skalen und Einkommen, Hierarchiestufe oder beruflicher Zufriedenheit bewegen sich auf einem Niveau von r = .41-.49. Es werden auch Validitätskennwerte zur Übereinstimmung mit grundlegenden persönlichkeitsorientierten Fragebogenverfahren (NEO-FFI, 16 PF-R, EPI) vorgelegt. Die Kennwerte liegen für verwandte Konstrukte zwischen r = .54 und .84.

Praktikabilität: Online-basiertes Verfahren mit geringer Bearbeitungsdauer (30 bis 40 Minuten).