Einzelteile ergeben ein Ganzes
Die adäquate Betreuung und Pflege von alternden und alten Menschen erfordert das Wissen über Erkenntnisse vieler verschiedener Wissenschaften. Möge manch einem zunächst die Medizin als erste Assoziation in den Sinn kommen oder vielleicht noch die Ethik, die besondere Bedeutung für das Altern und potenzielle Entscheidungen am Lebensende hat. Aber wer würde sich umgehend über die bunte Vielfalt alter und alternder Menschen in der LGBT–Community Gedanken machen? Das Lehrbuch „Gerontologie kompakt“ bietet den Lesenden eine Übersicht mittels 15 Fachbeiträgen von anerkannten Expert*innen auf ihrem jeweiligen Fachgebiet. Keinesfalls kann dies den Anspruch auf Vollständigkeit erheben, so ist es jedoch als Anstoß für die eigene thematische Vertiefung gedacht.
Im ersten Teil werden Lesenden grundlegende Gedanken zum Alter(n) aus der Perspektive von Philosophie, Theologie, Ethik und der Pflegepolitik dargelegt. Hier findet sich für manch jemanden vielleicht die Antwort auf die persönliche Frage, was das Alter(n) ist, welche Wurzeln die Pflege hat, wie pflegerische Entscheidungsfindungen ablaufen und – ganz profan – wer bzw. wie politische Entscheidungsfindungen hier maßgeblich eine Rolle spielen (können).
Im folgenden zweiten Teil werden weitere disziplinäre Zugänge eröffnet, die das Alter und den Alterungsprozess als Interessensgegenstand haben. Aus psychologischer Perspektive erfahren Lesende, wie sich Menschen in ihren eigenen Alterungsprozess verhalten und sich selbst dabei im sozialen Gefüge erleben. Die Geriatrie als Fachdisziplin der Medizin, berichtet von der speziellen Versorgung betagter und hochbetagter Menschen. Die Soziologie beschäftigt sich mit der deutschen Sozialpolitik, wobei Lesenden nicht nur ein Einblick in die einzelnen Teilbereiche gegeben wird, sondern die großen Zusammenhänge der deutschen Sozialpolitik offengelegt werden. Die Pflegewissenschaft klärt die Lesenden darüber auf, warum die Professionelle Pflege Theorien und Konzepte bedarf und welche Stärken und Schwächen die soziale Pflegeversicherung in Deutschland hat. Die Geragogik wendet sich dem Bilden und Lernen im Alter zu. Dieser Beitrag zeigt deutlich, dass die „geistige Fitness“ zum gelingenden Alter(n) von großer Bedeutung ist, womit offensichtlich wird, dass es für Professionelle Pflege und Soziale Arbeit ein Ziel sein muss solche Angebote entsprechend zu gestalten. Mit einem Beitrag über die Rolle der Sozialen Arbeit bei der Unterstützung älterer Menschen in verschiedenen Settings – und in welchen gesellschaftlichen Bedingungen Soziale Altenarbeit realisiert wird – bahnt sich nun an, was im dritten Teil folgt.
Hier findet sich der Kern des Lehrbuches: Die Schnittstellen zwischen Professioneller Pflege und Sozialer Arbeit im gemeinsamen Handlungsfeld. Dabei wird deutlich, dass neben Gemeinsamkeiten auch unterschiedliche Kompetenzen der Berufsgruppen existieren und es gilt, eben jene für die interdisziplinäre Begleitung alternder und alter Menschen optimal zu nutzen.
Der vierte Teil gibt Einblicke in die Gerontologie abseits des Mainstream. Hier finden sich Themen, die selten in Lehrbuchformaten zu finden sind. Lesende lernen die Kritische Gerontologie kennen, erfahren etwas über die Lebenswelten von alten und alternden nicht-normativ lebenden/liebenden Menschen, setzen sich mit der hospizlich palliativen Versorgung in Langzeitpflegeeinrichtungen auseinander und erhalten einen Einblick in einen Masterstudiengang, der Studierende von Gesundheitsberufen mit jenen aus Nicht-Gesundheitsberufen zum größtmöglichen Benefit für die Versorgung von Menschen mit Demenz und chronischen Einschränkungen vereint.
Im abschließenden fünften Teil findet sich ein Interview zwischen zwei Fachpersonen aus Pflegewissenschaft und Sozialer Arbeit. Im Austausch über das Buch, dessen Stärken, aber auch seine Schwächen. Dabei ergeben sich einige Anregungen für vielfältige Möglichkeiten, wie zukünftig die Interdisziplinarität zwischen Sozialer Arbeit und Gerontologischer Pflege vorangetrieben werden kann.