Sie empfehlen in Ihrem Positionspapier verschiedene Maßnahmen, wie könnte eine erfolgreiche Prävention aussehen?
Erfolgreich ist eine Prävention nur dann, wenn sie von allen an der Entwicklung der Athlet*innen Beteiligten verstanden und mitgetragen wird. Im Zentrum stehen die Athlet*innen, die ihren Sport mit höchster Leistung, Freude und Ausdauer ausüben wollen. Dazu müssen sie sich in Ruhe und geordnet vorbereiten können, wozu ihnen Trainer*innen und Angehörige unterstützend, fördernd und fordernd nahestehen. Im Leistungssport gewinnen die Stärksten. Die gute und erfolgreiche Mischung in Unterstützen, Fordern und Fördern zu finden, ist sehr anspruchsvoll. Dazu gehören Härte und Rigidität sowie Wohlwollen und Flexibilität. Sport, der allerdings Athlet*innen ausbeutet sowie Menschenrechte und den Kindesschutz missachtet, verletzt die Ethik und gehört „abgepfiffen“.
Wir empfehlen verschiedene Maßnahmen, die grundlegend für alle Sportarten gelten können, allerdings auch sportartspezifisch operationalisiert werden müssen. Dazu stellen sich zahlreiche Fragen, die gemeinsam und besonders mit Trainer*innen, den Vereinen und ihren Verbänden beantwortet werden müssen. Was sind sportartspezifische Bedürfnisse und Risiken? Wie entwickelt und implementiert man ein Konzept für psychische Gesundheit im Leistungssport in die sportmedizinische Versorgung? Wie vertritt man Ethik und Kinderschutz im Leistungssport? Was versteht man überhaupt unter Ethik? Wie schult und sensibilisiert man den Umgang mit Grenzverletzungen? Wie geht man mit psychischen Belastungen und Erkrankungen, besonders Traumafolgestörungen, um und bindet qualifizierte psychiatrisch-psychotherapeutische Fachpersonen ein? Wie bildet man Trainer*innen entsprechend aus und vermittelt angemessenes Wissen zur Entwicklung von Kindern und Jugendlichen? Wie sieht der Einbezug von Eltern aus? Was muss man tun, damit die Athlet*innen wirklich im Zentrum stehen? Wir empfehlen, diese Maßnahmen mit einem systemischen Verständnis und entsprechender Expertise und Kompetenz umzusetzen. Transparenz in den Trainingsstrukturen, in den Beziehungen zu den Athlet*innen und in ständiger Klärung von Rollen der am Training und im Wettkampf Beteiligten, bietet beste Voraussetzungen für eine wirksame Prävention von Gewalt und Missbrauch. In dem Sinne gilt: Prävention muss man wollen und man muss sie können!
Herzlichen Dank für das Gespräch!
Weiterführende Literatur:
Raas MI, Schneeberger AR et al. Positionspapier Gewalt und Missbrauch im Leistungssport. Praxis 2022; 111 (4); 1-8 (siehe unten)
Schneeberger AR et al. Gewalt und Missbrauch im Leistungssport. Schw Z Psychiatr Neurol 2021; 3:4-6.
Claussen MC. Gewalt und Missbrauch im Leistungssport. Schwz Ärzteztg. 2020; 101:1725-1727.
Das Gespräch führte Anja Kütemeyer für den Verlag.