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Humor – eine Ressource für Gesundheit

Nicht nur Lachen ist gesund, Humor hat insgesamt direkte und indirekte Auswirkungen auf unsere Gesundheit. Er hilft dabei, stressige und unangenehme Situationen zu bewältigen, er kann Schmerzen lindern, das Immunsystem stärken und vieles mehr. Das Buch „Humor – ein ernstzunehmender Gesundheitsfaktor“ bietet wertvolle Einsichten und praktische Tipps, die vielen Menschen helfen können, Humor als Teil ihrer Gesundheitsstrategie zu nutzen. Wir haben mit dem Herausgeberteam Dr. Florian Fischer, Prof. Dr. Corinna Peifer und Prof. Dr. Tabea Scheel über die Chancen und Grenzen des Humors und viele weitere Themen gesprochen.

Humor in der Pflege Humor in der Medizin Humor hilft heilen Lachende Patientin und Pflegerin Foto: shutterstock

Vor kurzem ist das von Ihnen herausgegebene Buch „Humor – ein ernstzunehmender Gesundheitsfaktor“ erschienen. Warum haben Sie sich entschieden, ein Buch über Humor und Gesundheit zu schreiben?

Florian Fischer: 
Der Anstoß kam aus unserer langjährigen Beobachtung, dass Humor eine erhebliche Rolle in der Bewältigung des Alltags und insbesondere in Stresssituationen spielt. Die wissenschaftliche Literatur bietet zwar Einblicke in die Mechanismen, wie Humor auf physische und psychische Gesundheit wirkt, doch fehlte eine umfassende, für ein breites Publikum zugängliche Zusammenstellung dieser Erkenntnisse. Zudem haben wir den Eindruck, dass die Bedeutung der gesundheitlichen Auswirkungen des Humors von vielen Vertreter*innen aus Forschung aber auch der Praxis nicht wirklich ernstgenommen wird.

Corinna Peifer: 
Genau. Auf der einen Seite wollten wir die wissenschaftlichen Erkenntnisse aus den unterschiedlichen disziplinären Sichtweisen zusammenfassen. Auf der anderen Seite wollten wir aber auch praktische Anleitungen bieten, wie Humor als Ressource im Gesundheitswesen und im Alltag genutzt werden kann.

Tabea Scheel: 
Mich würde es auch freuen, wenn das Buch zu weiterer Forschung anregt, welche die vielfältigen positiven Auswirkungen von Humor auf die Gesundheit bestätigt und neue Wege aufzeigt, wie Humor zur Verbesserung der Lebensqualität beitragen kann. Denn so handelt es sich in vielen Bereichen auch noch um ein wenig beforschtes Gebiet: Unter anderem im Arbeitskontext gibt es noch viel zu tun – branchenspezifischer Humor oder auch Grenzen des Humors, z.B. in existenziellen Situationen, sind noch wenig erforscht.

Ihr Buch deckt eine Vielzahl von Aspekten ab. Können Sie die wichtigsten Punkte herausstellen, die Sie den Leser*innen mitteilen möchten?

Corinna Peifer: 
Einer der Kernpunkte ist sicherlich die Vielschichtigkeit des Themas: Humor begleitet uns in so vielfältigen Formen im Alltag. Und damit meine ich nicht nur Klinikclowns, sondern auch Fragen, wie Humor als Instrument in der Kommunikation eingesetzt werden kann, um zum Beispiel zu gesundheitsrelevanten Themen zu informieren oder zu sensibilisieren. Das ist also ein Thema für Psychologie, Kommunikationswissenschaft, Gesundheitswissenschaften und viele andere Disziplinen. 

Außerdem werden in unserem Buch unterschiedliche Humorstile unterschieden und ihre positiven wie auch negativen Effekte auf die Gesundheit erklärt. Es soll ein Bewusstsein dafür geschaffen werden, wie adaptiver Humor gefördert und maladaptiver Humor vermieden werden kann.

Tabea Scheel: 
Humor kann verschiedene Auswirkungen auf die Gesundheit haben: Von der Stressreduktion über die Stärkung des Immunsystems bis hin zur Verbesserung der Herz-Kreislauf-Funktion. Zudem legen wir dar, wie Humor als Coping-Strategie in der Bewältigung von Krankheiten und in der Pflege eingesetzt werden kann. Wir bieten konkrete Beispiele und Strategien, wie Humor in die Gesundheitsförderung und Patient*innenversorgung integriert werden kann. So kann Humor natürlich helfen, mit eigenen Emotionen wie Trauer oder Angst umzugehen, aber auch, die Situation selbst zu verändern. Humor hilft dabei, die Perspektive zu wechseln und so auch auf überraschende Lösungen zu kommen.

Gab es in Ihrer Forschung in diesem Themenbereich irgendwelche Überraschungen oder besonders eindrucksvolle Erkenntnisse?

Corinna Peifer: 
Für mich war es faszinierend zu sehen, wie stark Humor mit Resilienz und einem guten Umgang mit Stress verbunden ist. Die Fähigkeit, auch in schwierigen Zeiten Humor zu finden und zu nutzen, ist ein starkes Werkzeug für die psychische Gesundheit. So haben wir beispielsweise in einer unserer Studien gefunden, dass Humor negative Effekte der Pandemie auf das Wohlbefinden von Pflegekräften abmildern konnte.

Tabea Scheel: 
Ich war beeindruckt von der positiven Wirkung des Humors auf die soziale Interaktion und Kommunikation in Gesundheitseinrichtungen. In einer Branche, die von sehr anstrengenden Arbeitsbedingungen und auch einem hohen Mangel an Fachkräften geprägt ist, scheint Humor eine wertvolle Ressource im Umgang miteinander zu sein. Humor kann Barrieren abbauen und die Beziehung zwischen Patient*innen und Gesundheitspersonal verbessern. Letztlich profitieren davon dann alle – Patient*innen, Pflegepersonal, aber auch Angehörige. Dabei bedarf es natürlich einer Sensibilität für angemessenen Humor.

Florian Fischer: 
Dabei ist aber auch zu berücksichtigen, dass Humor subjektiv ist. Was für den einen funktioniert, funktioniert vielleicht nicht für den anderen. Insofern gilt es auch hier in gewisser Weise zu experimentieren, um herauszufinden, was persönlich Freude bereitet und dabei hilft, mit den Herausforderungen des Lebens umzugehen.

Welche Herausforderungen sehen Sie bei der Integration von Humor in die Gesundheitsversorgung?

Florian Fischer: 
Eine der größten Herausforderungen ist das individuelle Humorempfinden. Was für den einen heilsam ist, kann für den anderen verletzend sein. Hier ist Sensibilität gefragt.

Corinna Peifer:
Hieraus ergibt sich auch die Notwendigkeit der Schulung des medizinischen und pflegerischen Personals im Umgang mit Humor. Es bedarf spezieller Fertigkeiten, Humor angemessen und effektiv einzusetzen.

Tabea Scheel: 
Zudem gibt es immer noch Vorbehalte und Skepsis gegenüber Humor als therapeutischem Mittel. Hier schwingt die Sorge mit, dass Patient*innen sich vielleicht nicht ernst genommen fühlen, oder Missverständnisse entstehen, weil Humor ja immer mehrdeutig ist. Es braucht mehr Evidenzbasierung, um diese Bedenken zu überwinden und die Akzeptanz zu erhöhen. Aber auch, um die Grenzen von Humor aufzuzeigen.

Wie kann man Humor in sein eigenes Leben integrieren, um seine Gesundheit und sein Wohlbefinden zu fördern?

Tabea Scheel: 
Ein guter Anfang ist, bewusst nach humorvollen Momenten im Alltag zu suchen und diese zu schätzen. Das kann so einfach sein wie das Teilen eines Witzes mit einem Freund oder einer Kollegin, das Anschauen einer lustigen Serie am Abend oder sogar das Führen eines „Humor-Tagebuchs“, in dem man lustige Begebenheiten festhält. Vor allem aber die zufällige Situationskomik des Alltags gilt es wahrzunehmen. 

Corinna Peifer: 
Zudem ist es hilfreich, sich mit Menschen zu umgeben, die einen ähnlichen Sinn für Humor haben und mit denen man gerne lacht. Gemeinsames Lachen ist eine wirkungsvolle soziale Erfahrung, die Stress abbaut und das Gefühl der Verbundenheit stärkt.

In Ihrem Buch sprechen Sie auch die Risiken von Humor an. Können Sie darauf etwas näher eingehen?

Florian Fischer: 
Ja, das ist ein wichtiger Punkt. Nicht jeder Humor ist in jeder Situation angebracht. Sarkasmus oder Spott können beispielsweise verletzend sein und Beziehungen belasten. Es ist wichtig, den Kontext zu berücksichtigen und empathisch zu bleiben. Humor sollte nie auf Kosten anderer gehen.

Tabea Scheel: 
Ein weiteres Risiko ist, dass Humor manchmal als Vermeidungsstrategie eingesetzt wird, um sich nicht mit ernsten Themen auseinandersetzen zu müssen. So kann man mit einem flotten Spruch eine echte Konfliktlösung verhindern oder auch einfach signalisieren, dass man nicht bereit ist, ernsthaft Stellung zu beziehen. Andererseits kann Humor die Situation auch auflockern und positive Stimmung transportieren. Es ist ein Balanceakt, Humor als gesunde Bewältigungsstrategie zu nutzen, ohne dabei wichtige emotionale Prozesse zu unterdrücken.

Was wünschen Sie sich für die Zukunft in Bezug auf Humor und Gesundheit?

Florian Fischer: 
Ich hoffe, dass Humor als wichtige Ressource für Gesundheit und Wohlbefinden noch stärker anerkannt wird – sowohl im Gesundheitswesen als auch im gesamten Lebensalltag. 

Corinna Peifer: 
Mein Wunsch ist es, dass wir eine Kultur schaffen, in der Humor als Teil der medizinischen und pflegerischen Ausbildung und des Arbeitsalltags angesehen und somit in der Anwendung von Humor geschult wird. Dieser Wunsch lässt sich selbstverständlich auf andere Berufsgruppen ausweiten. 

Tabea Scheel: 
Humor ist eine wunderbare Ressource, die uns allen zur Verfügung steht. Es ist kaum möglich, keinerlei Humor zu haben. Er kann trotz schwieriger Zeiten für Freude sorgen, für gegenseitige Sympathie sorgen, und ist eine nahezu kostenlose Möglichkeit, auf diese Art und Weise die eigene mentale Gesundheit zu stärken. Vielleicht verbessert Humor somit auch ein kleines bisschen die Welt.


Herzlichen Dank für das Gespräch!

Dr. Florian Fischer

Dr. Florian Fischer ist als wissenschaftlicher Mitarbeiter im Bayerischen Zentrum Pflege Digital an der Hochschule Kempten tätig und vertritt dort den Bereich Public Health. Darüber hinaus ist er mit der Charité – Universitätsmedizin affiliiert. Mit seinen thematischen sowie methodischen Schwerpunkten in der Gesundheitskommunikation, Versorgungsforschung sowie Evidenzbasierung in Public Health beschäftigt er sich mit dem Zusammenhang zwischen Humor und Gesundheit. Seine bisherigen Forschungsaktivitäten in diesem Bereich haben insbesondere den Wirksamkeitsnachweis von humorvollen Botschaftsstrategien über verschiedene Formate (Texte, Videosequenzen und Live-Bühnenshows des medizinischen Kabaretts) in der Prävention und Gesundheitsförderung fokussiert.

Prof. Dr. Corinna Peifer

Dr. Corinna Peifer ist Professorin für Arbeits- und Organisationspsychologie am Institut für Psychologie I der Universität zu Lübeck. An der Schnittstelle zwischen Arbeits- und Organisationspsychologie, Psychobiologie und Gesundheitspsychologie beschäftigt sie sich in ihrer Forschung v. a. mit Themen wie Flow-Erleben, Stress-Management und Wohlbefinden am Arbeitsplatz. Weiterhin forscht sie zum Glück von Patient*innen mit chronischen (dermatologischen) Erkrankungen. In einem neuen Forschungsschwerpunkt setzt sie das Flow-Konzept zur mensch-zentrierten Gestaltung von Mensch-Maschine-Interaktion ein. Sie ist Gründungsmitglied des European Flow-Researcher’s Network und deutsche Landesvertreterin für das European Network of Positive Psychology (ENPP), sowie Vizepräsidentin der Deutschen Gesellschaft für Positiv-Psychologische Forschung (DGPPF).

Prof. Dr. Tabea Scheel

Dr. Tabea Scheel ist Professorin für Arbeits- und Organisationspsychologie am Internationalen Institut für Management und ökonomische Bildung an der Europa-Universität Flensburg. Mit interdisziplinärer Perspektive beschäftigt sie sich mit Humor bei der und für die Arbeit. Neben den Auswirkungen verschiedener Arten des eigenen Humors sowie der der Führungskräfte auf Wohlbefinden und Leistungsfähigkeit interessieren sie dabei sowohl Humorinterventionen als auch die Trainier- und Veränderbarkeit von Humor. Ein zukunftsweisendes Forschungsinteresse liegt in der Nutzung von Humor (und Satire) für Nachhaltigkeit – im individuellen Verhalten als auch in Organisationen. Bei ihrer freiberuflichen Tätigkeit als Coachin spielt Humor selbstverständlich ebenfalls eine Rolle.

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