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Kinder mit ADHS-bedingten Schwierigkeiten unterstützen

Dr. Sonja Braun und Prof. Dr. Manfred Döpfner haben mit dem THOKI-ADHS ein wirkungsvolles, kindzentriertes Instrument entwickelt, um Defizite in organisatorischen Fähigkeiten behandeln zu können. Das Therapieprogramm zur Steigerung von Organisationsfähigkeit, Konzentration und Impulskontrolle bei Kindern mit ADHS (THOKI-ADHS) kann in Einzel- oder Gruppensettings eingesetzt werden, auch Eltern und andere Bezugspersonen werden einbezogen. Wir haben mit Dr. Sonja Braun über die Einsatzmöglichkeiten und den Aufbau des Programms gesprochen.

THOKI-ADHS hilft dabei die organisatorischen Fähigkeiten zu unterstützen Alltag Kind mit AHDS und Muter beim Essen Bild: shutterstock / Pixel-Shot

Was ist das Besondere am Therapieprogramm THOKI-ADHS, welche Behandlungsprinzipien liegen zugrunde?

Das THOKI- ADHS ist das erste deutschsprachige Therapieprogramm, das die organisatorischen Fähigkeiten (Organizational-Skills) in den Behandlungsfokus nimmt. Verhaltenstherapeutische Interventionen werden mit dem Training organisatorischer Fähigkeiten kombiniert und vorwiegend kindzentriert umgesetzt.

Ist THOKI-ADHS nur bei ADHS oder auch bei anderen Störungen einsetzbar?

Das THOKI-ADHS wurde für den Einsatz bei Kindern mit ADHS sowie für alle Kinder mit Störungen der Organisationsfähigkeit, Konzentration und Impulskontrolle entwickelt. Es ist für alle Subtypen der ADHS anwendbar und berücksichtigt unterschiedliche Symptome und Funktionsdefizite. Zudem beachtet es die Möglichkeit einer bestehenden komorbiden Diagnose einer Störung des Sozialverhaltens.

Für welche Altersgruppe sollte es angewandt werden?

Das THOKI-ADHS ist für den Altersbereich von sechs bis zwölf Jahren konzipiert. Es ist somit im Grundschulalter einsetzbar und schließt den Übergang zur weiterführenden Schule ein.

THOKI-ADHS soll besonders alltagsnah sein, zugeschnitten auf die Anforderungen im Alltag und die Generalisierung von der Therapie in den Alltag erleichtern, wie kann man sich das vorstellen?

Im THOKI-ADHS werden problematische Situationen aus dem häuslichen sowie schulischen Umfeld möglichst alltagsnah in der Sitzung simuliert, um unter Anleitung des Therapeuten Fertigkeiten für die Bewältigung der Situation aufzubauen. Der Weg geht in der Simulation weg vom theoretischen Erarbeiten, stattdessen werden die Situationen konkret gemeinsam umgesetzt. So wird beispielsweise in der Sitzung gemeinsam gegessen, Hausaufgaben bearbeitet, die Schultasche gepackt oder sich für das Zubettgehen fertig gemacht. Die Übertragung in den Alltag wird dann durch Wochenaufgaben und den Einsatz digitaler Medien weiter unterstützt.

Das Therapieprogramm ist kindzentriert, bezieht aber Bezugspersonen mit ein, geschieht dies vor allem im familiären Umfeld oder z.B. auch mit Lehrkräften? Gibt es bestimmte Stellen in der Therapie, bei denen Bezugspersonen wichtig sind?

Auch wenn das THOKI-ADHS primär kindzentriert arbeitet, ist die Einbindung von Bezugspersonen aus dem familiären und schulischen Umfeld an vielen Stellen wünschenswert. Insbesondere die Identifikation von problematischen Alltagssituationen, das Stimulusmanagement und der Einsatz von Kontingenzmanagement profitieren stark von der Einbindung der Bezugspersonen.

THOKI-ADHS ist ein Modulsystem, muss ich alle Module anwenden oder kann ich auswählen? Welche Module beinhaltet das Programm?

Nach der Durchführung des Einstiegsmoduls kann individuell aus den 12 Modulen zu konkreten alltäglichen Situationen ausgewählt werden. Hierbei ist keine Reihenfolge oder Mindestanzahl vorgegeben.

  • Einstiegsmodul
  • Routinen: Morgenroutine, Esstisch, Abendroutine
  • Schule: Schultasche, Hausaufgaben, Arbeiten im Klassenraum
  • Spezielle Situationen: Ärger in Spielsituationen, Aufräumen, Freizeit, Individuelle Situation (Autofahrt/Öffentlichkeit/Zu Besuch)

THOKI-ADHS lässt sich auch mit anderen Interventionen kombinieren, welche würden hier vor allem in Frage kommen?

THOKI-ADHS lässt sich gut in Kombination mit anderen Interventionen, z.B. mit primär elternzentrierten oder schulzentrierten Interventionen für Kinder mit ADHS anwenden. Hier kommen vor allem das Therapieprogramm für Kinder mit hyperkinetischem und oppositionellem Problemverhalten (THOP; Döpfner et al., 2019) und das Schulbasierte Coaching bei Kindern mit expansivem Problemverhalten (SCEP, Hanisch et al., 2018) in Frage. Bei einer kombinierten Störung des Sozialverhaltens steht das Therapieprogramm für Kinder mit aggressivem Verhalten (THAV, Görtz-Dorten & Döpfner, 2019) zur Auswahl.

Bei der Durchführung von THOKI-ADHS können auch digitale Technologien eingesetzt werden, was kann dadurch bewirkt werden und welche Anwendungen kommen hier in Frage?

Im THOKI-ADHS können digitale Technologien eingesetzt werden, um die Präsenztherapie zu unterstützen und zu erweitern und insbesondere um die Generalisierung in den Alltag zu verbessern. Eine gute Möglichkeit besteht darin, dass der/die Therapeut*in über ein Videokonferenzsystem einen direkten Einblick in den familiären Alltag des Kindes erhält, die Umsetzung der Therapieaufgaben direkt beobachten kann. Aber auch Fotos und Videos aus dem Alltag, die in der Präsenztherapie gemeinsam betrachtet werden, können wichtige Ansatzpunkte beispielsweise für das Stimulusmanagement ergeben. Zudem können Kalender- oder Erinnerungsfunktionen am Smartphone gewinnbringend genutzt werden, um beispielsweise Klassenarbeitstermine im Blick zu behalten und die Motivation für die Durchführung von Lernzeiten zu erhöhen.

 

Herzlichen Dank für das Gespräch!

Dr. Sonja Braun

Dr. Sonja Braun, geb. 1986. 2005–2010 Studium der Psychologie in Bremen. 2011-2015 Ausbildung zur Kinder-und Jugendlichenpsychotherapeutin (VT) am AkiP Köln. 2011-2018 Promotion an der Universität Köln mit dem Titel der Dissertation: Entwicklung und Evaluation des Therapieprogramms zur Steigerung von Organisationsfähigkeit, Konzentration und Impulskontrolle bei Kindern mit ADHS: THOKI-ADHS, 2012-2014 Therapeutin am Institut Köln der Christoph-Dornier-Stiftung. 2011-2024 Psychologin in der Ambulanz für Kinder- und Jugendpsychiatrie der St. Augustinus Gruppe in Neuss. Seit 2024 tätig in eigener Praxis.

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Therapieprogramm zur Steigerung von Organisationsfähigkeit, Konzentration und Impulskontrolle bei Kindern mit ADHS (THOKI-ADHS) von Sonja Braun, Manfred Döpfner

 

 

 

 

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