Es stellt sich von Tag zu Tag deutlicher heraus, dass die zeitgenössischen Menschen die Ernährungsgewohnheiten verändern müssen, wenn sie eine Lebensweise vollziehen wollen, die der bröckelnden Erdkugel gerecht werden will. Was heißt dies konkret?
Wir haben uns entfremdet von den Grundlagen unserer Nahrung. So haben wir zum Beispiel nicht mehr vor Augen, wie wir bei der Massentierhaltung mit den Tieren umgehen. Folglich übersehen wir geflissentlich, dass die industrielle Tierhaltung einen großen Anteil an der Klimaveränderung hat. Nach Angaben der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) ist sie für 14,5 % der von Menschen verursachten Treibhausgase verantwortlich – das unabhängige Worldwatch Institute kommt sogar auf einen Anteil von mindestens 51 %, da in dessen Berechnungen die Faktoren Landnutzung, Verdauung (Methan), Düngung und Produktionskosten mitberücksichtigt wurden.
Viele von uns leben, wie es Ilija Trojanow in seinem bemerkenswerten Geleitwort ausdrückt, mit einer starken Unverbundenheit zum Existenziellen, zum Wesentlichen. Es fängt damit an, dass wir Geburt und Tod aus dem Alltag ausklammern – das geschieht abgeschottet in Ghettos der Verwandlung. Es setzt sich damit fort, dass viele von uns gar nicht wissen, wie ein Tier geschlachtet wird.
Alle wissenschaftlichen Erkenntnisse und Forderungen gehen dahin, dass die derzeitigen Gewohnheiten nicht beibehalten werden können, wenn wir den Planeten schützen wollen. Für die Produktion einer tierischen Kalorie werden mehrere pflanzliche Kalorien benötigt – das bedeutet Umwandlungsverluste, da die pflanzlichen Kalorien besser genutzt werden könnten.
Die Ernährungsfrage dabei auch eine Gerechtigkeitsfrage. Während es in Europa infolge des Klimawandels jährlich zu neuen Ernteeinbußen kommt, verlieren die Menschen im globalen Süden ihre Lebensgrundlagen. Die Folgen sind Naturkatastrophen, Flüchtlingsströme und Hunger. Die Welthungerhilfe (2023) geht davon aus, dass derzeit weltweit 735 Mio. Menschen an Hunger leiden. Davon sind 13,6 Mio. Kinder unter fünf Jahren akut unterernährt. Dagegen gilt für die Industriestaaten, dass weltweit zwei Mrd. Menschen als übergewichtig oder fettleibig gelten und dennoch einen Nährstoffmangel haben. Dabei nehmen ernährungsbedingte Krankheiten wie Adipositas, Diabetes Typ 2 oder Herzkreislauferkrankungen zu und zählen zu den häufigsten Todesursachen. Wir essen zu viel, zu fett und zu zuckerreich – und das bei zu wenig Bewegung.
Doch auch in Bezug auf viele andere Verlockungen in unseren Supermärkten müssen wir umdenken. Hierzu ein Beispiel: Die Avocado, Quinoa oder Chia-Samen gelten als sogenannte ‚Superfoods‘, auch Goji- oder Açai-Beeren sollen besonders wertvolle Nährstoffe enthalten, doch aus ökologischer Sicht sind sie weniger empfehlenswert. Um 1 kg Avocados zu erhalten, werden 1000 l Wasser benötigt, und damit sie auch optisch gut aussehen, kommt es zum Einsatz von Pflanzenschutzmitteln, was besonders für die Menschen, die sie produzieren, extreme gesundheitliche Auswirkungen hat. Meist stammen die Früchte aus Peru, der Dominikanischen Republik, Mexiko oder Indonesien. Die weiten Transportwege haben eine entsprechend schlechte Klimabilanz.