Was ist Kreativität und woher kommt sie?
Herr Krampen, man sagt, Genie und Wahnsinn liegen nah beieinander. Ist da was dran?
Das ist einer der Mythen zur Kreativität. Er stammt aus dem 19. Jahrhundert und wirkt bis heute nach. Basis waren retrospektive Analysen zu Biografie und großen Werken einzelner Menschen, die kulturelle Höchstleistungen in den Künsten, Wissenschaften oder Unternehmen erbracht haben. Nachgewiesen ist allenfalls, dass es unter den Menschen, die kreative (geniale) Höchstleistungen erbringen auch solche mit psychischen Störungen und Krankheiten gibt. Die Auftrittshäufigkeit der Krankheiten liegt bei Hochkreativen aber nicht höher als in der Allgemeinpopulation.
Ist also jeder Mensch kreativ? Oder gibt es auch gänzlich unkreative Personen?
Nach kognitiv-humanistischen Menschenbildannahmen, die sich seit knapp 20 Jahren auch in der sogenannten Positiven Psychologie niederschlagen, wird davon ausgegangen, dass jeder Mensch danach strebt, seine Persönlichkeit frei und kreativ zu entwickeln. Kreativität wird als eines der Merkmale gefasst, das Menschen grundsätzlich auszeichnet. Je nach Lebensumständen kann dies aber beeinträchtigt sein, woraus so etwas wie „funktionelle“ Nicht-Kreativität entstehen kann.
Unser Alltagsverständnis von Kreativität ist relativ breit und oft schwammig. Wie lässt sich Kreativität genau definieren?
Bezogen auf kulturelle Höchstleistungen wird Kreativität nach dem Hauptkriterium der absoluten Neuheit (Originalität) definiert. Es handelt sich also um Erfindungen, Entdeckungen, Kunstwerke etc., die in dieser Form vorher nicht existiert haben und zudem aufgrund ihrer Nützlichkeit, ihres Anregungsgehalts oder Überraschungswerts positiv bewertet werden.
Bezogen auf kreatives Denken und Handeln im Alltag wird Kreativität als divergente Fähigkeit definiert, also als die Fähigkeit mit offenen Problemstellungen, für die es nicht nur eine (konvergente) optimale Lösung gibt, flexibel und ideenreich umzugehen, solche Problemstellung zu erkennen, sie anzunehmen und zu mehreren, gegebenenfalls zu zahlreichen Lösungsansätzen zu kommen. Divergentes Denken und Handeln wird in der Regel über psychometrisch abgesicherte Testverfahren anhand von Kriterien wie Ideenreichtum oder -flüssigkeit (Produktivität), Ideenflexibilität, relative Neuheit (Originalität), Elaboration der Ideen, Imagination etc. erfasst.