In der Bundesrepublik hat die Integration seelisch erkrankter Menschen einen schweren Stand, obwohl vor wenigen Jahren das neue Bundesteilhabegesetz (BTHG) die Missstände in der Begleitung seelisch erkrankter Menschen reduzieren wollte?
Im internationalen Vergleich finden wir unser sozialpsychiatrisches Versorgungssystem gut aufgestellt. Es gibt zwar viele regionale Unterschiede, die mitunter von den jeweiligen Zuständigkeiten, dem Engagement relevanter Akteure sowie der Verfügbarkeit von Ressourcen abhängig sind, aber z.B. in Bayern haben wir eine gute sozialpsychiatrische, regional verfügbare Basisversorgung aufgebaut. Aktuell beschäftigt uns eher die Frage, ob wir diese angesichts des Fachkräftemangels so halten können, aber das ist ein anderes Thema.
Natürlich treffen wir in der Praxis überall dort, wo wir gesellschaftliche Teilhabe konkret umsetzen wollen, auch auf Hindernisse oder Barrieren. Zum Beispiel gibt es immer wieder mal Beschwerden aus der Nachbarschaft unserer ambulant betreuten Wohngemeinschaften. Andererseits gibt es auch Beispiele, in denen ein nachbarschaftliches Miteinander richtig gut funktioniert. Wir erfahren immer noch Vorbehalte gegenüber psychisch erkrankten Menschen und erleben ab und an, dass aufgrund falscher Vorstellung weiterhin Begegnungsängste bestehen bzw. eher auf Selektion als auf Inklusion gesetzt wird. Wir müssen aktiv Meinungsbildung unterstützen, Vorbehalte abbauen und Informationen bereitstellen, um gute gesellschaftliche Rahmenbedingungen zu gestalten für ein erfolgreiches inklusives Miteinander.
Wie weit sich eine gesellschaftliche Teilhabe von Menschen mit einer psychischen Erkrankung aktuell in Deutschland umsetzen lässt, ist für uns letztlich eine Frage dessen, wie es der Gesellschaft und jedem Einzelnen gelingt, sich zu öffnen, den Wandel zu einer inklusiven Gesellschaft zuzulassen, auch diesen mitzugestalten, wie hoch die Bereitschaft zur Toleranz ist und wie viel wir bereit sind, dafür zu investieren, also auch Ressourcen für einen Wandel bereitzustellen. Hierzu gäbe es noch viel zu sagen. Natürlich hängt eine gelingende Teilhabe auch davon ab, wie sich Menschen mit einer psychischen Erkrankung selbst einbringen möchten und inwieweit sie dies auch können. Es geht auch darum, wie sehr sie selbst bereit sind, sich für ein gesellschaftliches Miteinander zu engagieren und ihren Beitrag zu einer gesellschaftlichen Weiterentwicklung zu leisten, sei es durch ehrenamtliche Tätigkeiten, Selbsthilfeaktivitäten, Aufklärungsarbeit, die aktive Beteiligung an Interessensvertretungen oder auch einfach nur in zwischenmenschlichen alltäglichen Begegnungen. Auch hier kennen wir eine Bandbreite von Lebensgeschichten und Personen, in denen das nicht so sehr der Fall ist oder andere, wo das richtig gut gelingt.