DeutschWissen und Gesellschaft

Milde miteinander umgehen: Beziehungspflege in schwierigen Zeiten

In der Liebe gibt es kein Geheimrezept. Oder vielleicht doch?

Herr Thomas, Sie sind Coach, Keynote Speaker und Moderator. Was hat Sie dazu bewegt, einen Ratgeber zum Thema Partnerschaft und Beziehungen zu schreiben?
Ich habe in München Persönlichkeitspsychologie studiert und bin für das Buch zurück zu meinen Wurzeln gegangen. Der Auslöser war meine eigene Beziehungsgeschichte, die eng verbunden ist mit meiner Jugend und Kindheit. Ich habe mich jahrzehntelang im Kreis gedreht, habe Beziehungen immer wieder sehenden Auges scheitern lassen, obwohl ich es durch meinen psychologischen Hintergrund besser hätte wissen müssen. Es ist wohl wie mit den Schustern, die oft selber die schlechtesten Schuhe tragen.

Was lief schief in Ihren Beziehungen und wie sind Sie das angegangen?
Ich habe lange wahlweise der jeweiligen Partnerin oder dem Schicksal die Schuld gegeben, wenn es mit einer Beziehung wieder einmal nicht geklappt hat. Das ist natürlich viel bequemer, als der Wahrheit ins Auge zu blicken und sich einzugestehen, dass das Scheitern im Grunde hausgemacht ist. So bin ich also quasi im Lebensfahrstuhl tief nach unten in meine Kindheit gefahren, um dort im Souterrain meinen eigenen negativen Mustern zu begegnen. Auf diese Reise nehme ich die Leser mit und lade sie ein, in ihren eigenen Lebens-Lift zu steigen, in den Keller hinunterzufahren und sich tief da unten dem zu stellen, was der Schweizer Psychiater und Psychotherapeut C.G. Jung den „Schatten“ nannte.

 

Zeiten wie diese erzeugen extrem viel Stress; der Kessel steht bei jedem einzelnen unter erhöhtem Druck. Die Haut wird buchstäblich dünner und auch kleine Dinge, über die man sonst eher hinwegsehen würde, nerven uns am Partner jetzt kolossal.

Mariele Walter

Corona-Krise: Ein Brennglas für Beziehungen

Viele Paare sind derzeit auf sich selbst zurückgeworfen. Wie beeinflusst die Corona-Krise Paarbezieungen?
Die Corona-Krise wirkt im Moment wie ein Brennglas für Beziehungen. Probleme, die in der Partnerschaft schon lange bestehen und vielleicht unter den Teppich gekehrt wurden, wirken auf einmal überlebensgroß. Intakte, liebevolle Beziehungen werden dagegen noch intensiver. Wir werden nach dem Ende dieser Krise zwei Bewegungen sehen: Die Trennungszahlen werden in die Höhe schnellen. Da trennen sich zumeist Paare, deren Beziehungen eh schon auf der Kippe stand. Auf der anderen Seite werden intakte Beziehungen noch stärker aus dieser Krise hervorgehen, weil man in dieser Extremsituation noch deutlicher merkt, was man aneinander hat.

Diese Extremsituation bedeutet für Paare unter Umständen auch zuviel Nähe, weil sie sich nicht mehr mit Freunden treffen können und sogar zu Hause arbeiten. Haben Sie Tipps und Tricks, wie Paare ihre Beziehung in Krisenzeiten bewahren können?
Zeiten wie diese erzeugen extrem viel Stress; der Kessel steht bei jedem einzelnen unter erhöhtem Druck. Die Haut wird buchstäblich dünner und auch kleine Dinge, über die man sonst eher hinwegsehen würde, nerven uns am Partner jetzt kolossal: Die herumliegenden Socken, die sprichwörtliche offene Zahnpasta-Tube. Versuchen Sie, die Situation von der Metaebene aus zu sehen und aus der Vogelperspektive zu erkennen, dass die Socken schon immer herumlagen, der Corona-Stress dies jetzt aber maximal vergrößert. Und vor allem: Nutzen Sie die Zeit, Konflikte, die schon lange im Untergrund schwelen, an die Oberfläche zu holen und offen anzusprechen. Im Buch gebe ich konkrete Hilfestellung, wie man so etwas bewerkstelligen kann, ohne dass der Kessel explodiert und einem die Beziehung um die Ohren fliegt.

Wer in einer Fernbeziehung lebt, hat derzeit vermutlich das gegenteilige Problem. Wie schätzen Sie die Erfolgschancen von Fernbeziehungen generell ein?
Die Gefahr bei Fernbeziehungen liegt darin, dass man sich am Wochenende meist als „Schönwetter-Matrosen" begegnet und sich die kurze Zeit natürlich so schön wie möglich machen möchte. Themen, die für langfristige Verbindungen essentiell sind, kommen dann zu wenig oder gar nicht auf den Tisch. Im schlechtesten Fall bleibt man über Jahre mit jemandem zusammen, der im Grunde gar nicht zu einem passt. Um im Bild zu bleiben: Wenn die Schönwetter-Matrosen dann plötzlich in stürmischer See navigieren müssen, geht der Kutter unter.

Mit offenen Karten spielen

Worauf muss ein Paar besonders achten, wenn es sich sozusagen „aus der Ferne liebt“?
In meinem Buch rate ich zu einer neuen, offenen Form des Datings. Wenn man jemanden kennenlernt, wendet man viel Energie auf, um dem anderen zu gefallen und ein geschöntes Bild von sich selber aufrecht zu erhalten. Der bessere Weg wäre jedoch, möglichst schnell die eigene Maske abzunehmen, sich so zu zeigen, wie man wirklich ist und die Themen anzuschneiden, die einen wirklich bewegen. Damit wird man den einen oder anderen potenziellen Partner auch abschrecken. Das ist aber nicht weiter tragisch. Denn irgendwann erkennen sich die passenden Partner ohne Masken und dann ist ein „Match“ auch nachhaltig und spielt sich nicht nur an der Oberfläche ab.

Diesen Tipp möchte ich auch Paaren geben, die sich aus der Ferne lieben. Legen Sie die Karten möglichst schnell offen auf den Tisch: Wer bin ich, wer bist du? Was bewegt uns? Welche Werte haben wir? Mut zur Substanz.

Welche Quintessenz können die Leser*innen aus der Lektüre Ihres Buches „Beziehungs-Tango“ ziehen – gibt es eine Art „Erfolgsrezept“ für die Liebe?
Ein Erfolgsrezept gibt es aus meiner Sicht nicht. Aber die Reise beginnt immer bei einem selbst. Wenn man in der Beziehung etwas ändern will, muss man zuerst sich selber auf die Schliche kommen. Das ist im ersten Moment nicht angenehm, zahlt sich aber langfristig aus. Einsicht und Akzeptanz – das sind die ersten beiden Schritte zum Erfolg.

Warum Tango? Was steckt hinter der Assoziation Beziehung-Tango?
Mich erinnert diese Dynamik aus Anziehung und Abstoßung, aus Klammern und Weglaufen, die in vielen Beziehungen wirkt, an einen Tanz. Der Tango schein mir hier am passendsten, weil er sich durch abrupte Tempi-Wechsel auszeichnet. Mit einem Ruck wird plötzlich die Richtung geändert – wie dies in schwierigen Beziehungen auch regelmäßig passiert.

Haben Sie zum Schluss noch einen Hinweis darauf, wie wir diese Tempi-Wechsel gut überstehen?
Gerade in diesen Zeiten: Gehen Sie milde miteinander um! Nicht nur mit Ihrem Partner, sondern mit allen Menschen, die Ihnen im Leben begegnen.

Vielen Dank für das Gespräch, Herr Thomas.

Ernst-Marcus Thomas

Ernst-Marcus Thomas ist Coach, Keynote Speaker und Moderator. Er arbeitet vor allem mit Managern am Thema Auftrittskompetenz. Daneben gibt er Gruppenseminare für Profi-Moderatoren, u.a. an der Medienakademie Ruhr. Thomas ist gelernter Journalist mit Zeitungs-Volontariat bei der Augsburger Allgemeinen und hat in München bei Professor Klaus Schneewind Persönlichkeitspsyschologie studiert. Außerdem hat er sich zum Trainer weiter gebildet, u.a. „Train the Trainer“ an der ARD.ZDF.Medienakademie.

Das Copyright des Autoren-Bilds liegt bei Emily Glass.