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Mitarbeitergesundheit fördern

Angesichts zunehmender Belastungen in der Arbeitswelt wird zunehmend die Bedeutung der unmittelbaren Führungskraft für die Gesundheit der Mitarbeiter diskutiert. Führungskräfte haben dabei unterschiedliche Einflussmöglichkeiten, was ihre besondere Rolle im Rahmen des betrieblichen Gesundheitsmanagements verdeutlicht. Führungskräfte sind aber nicht nur Akteure, die als Belastung oder Ressource ihrer Mitarbeiter wirken, sondern sie sind auch selbst Betroffene.

Gesundheitsförderliche Führung wird immer wichtiger

Die Zahl der psychischen Erkrankungen ist in den letzten zehn Jahren deutlich angestiegen. Verschiedene Bedingungen und Ursachen werden für diesen Anstieg psychischer Belastungen aufgeführt, unter anderem die Zunahme von

  • Termin- und Leistungsdruck,
  • häufigen Unterbrechungen und
  • Umstrukturierungen.

Die skizzierte Belastungszunahme und die damit verbundenen gesundheitlichen Risiken stellen Unternehmen vor besondere Herausforderungen, denn sie erhöhen den Bedarf, die Gesundheit der Beschäftigten stärker zu schützen und nachhaltig zu fördern. Insbesondere die Rolle der Führung bei der Gesunderhaltung der Mitarbeiter rückt zunehmend in den Mittelpunkt des Interesses. Führungskräfte bestimmen maßgeblich mit, ob Arbeitsbedingungen als Belastung oder als Ressource wirken.

Führungskräfte können mehr tun als ihnen oftmals bewusst ist

Positives Führungsverhalten im Sinne von Wertschätzung, mitarbeiterorientierter und transformationaler Führung steht in Zusammenhang mit weniger Stresserleben und mehr Wohlbefinden der Mitarbeiter. Das belegen zahlreiche, aktuelle Studien. Diese Einflussmöglichkeiten und Bedeutung werden aber von den Führungskräften selbst häufig nicht erkannt oder unterschätzt. Stattdessen werden eher gesundheitsschädigende Einflüsse auf der privaten Seite als Gesundheitsrisiken gesehen (z. B. genetische Dispositionen, chronische Erkrankungen, ungesunder Lebensstil).

Aber allein durch den hohen zeitlichen Anteil der Erwerbsarbeit an der Lebenszeit stellen Arbeitsbedingungen besonders wichtige Einflussfaktoren dar, die die Gesundheit fördern, aber auch schädigen können. Führungskräfte beeinflussen, wie diese Arbeitsbedingungen von den Mitarbeitern erlebt werden. Dabei lassen sich mindestens vier relevante Einflusswege oder Wirkmechanismen unterscheiden, die zeigen, wie Führung die Gesundheit der Mitarbeiter beeinflussen kann:  

  • Führungskräfte nehmen durch ihr Verhalten und ihre Kommunikation den Mitarbeitern gegenüber direkten Einfluss auf deren Gesundheit. Erleben Mitarbeiter ein freundschaftliches, fürsorgliches, unterstützendes und durch offene Kommunikation gekennzeichnetes Führungsverhalten, berichten sie weniger Stresserleben, psychosomatische Beschwerden und Burnout. Umgekehrt geht negatives Führungsverhalten wie negative, passiv-vermeidende oder destruktive Führung mit mehr Stresserleben, Depressions- und Angstsymptomen, psychosomatischen Beschwerden, emotionaler Erschöpfung und Arbeit-Familie-Konflikten einher.
  • Führungskräfte gestalten die Arbeitsbedingungen der Mitarbeiter und haben damit auch indirekten Einfluss auf deren Arbeitsbelastung und Gesundheit. Wenn Führungskräfte beispielsweise in der Lage sind, Mitarbeitern die Wichtigkeit ihrer Aufgabe und Rolle zu vermitteln, Aufgaben gut zu delegieren und genügend Handlungsspielraum zu gewähren, zeigen Mitarbeiter ein höheres Wohlbefinden und geringeres Stresserleben.
  • Führungskräfte sind selbst von Stress betroffen und stellen damit nicht nur ein Gesundheitsrisiko für sich selbst, sondern auch indirekt für ihre Mitarbeiter dar. Der Arbeitsalltag von Führungskräften ist häufig von hoher Komplexität, Zeitdruck, Unterbrechungen und Arbeitsdichte geprägt. Führungskräfte der unteren und mittleren Führungsebenen sind darüber hinaus ähnlichen organisationalen und sozialen Stressoren ausgesetzt wie Mitarbeiter. Zwar haben Führungskräfte i.d.R. mehr Handlungsspielraum als Mitarbeiter, sie nehmen aber seltener soziale Unterstützung in Anspruch, z.B. aus Angst, dies könne als Schwäche ausgelegt werden. Entsprechend sind Führungskräfte in gleichem Maße wie Mitarbeiter eine wichtige Zielgruppe betrieblicher Gesundheitsmaßnahmen.

    Das von der Belastungssituation der Führungskräfte ausgehende indirekte Risiko für die Gesundheit der Mitarbeiter wird bisher allerdings kaum betrachtet. Es ist jedoch naheliegend, dass Stress an Mitarbeiter weitergeben werden kann, indem gesundheitlich angeschlagene oder überforderte Führungskräfte ihr Verhalten den Mitarbeitern gegenüber verändern (z.B. gereizte Reaktionen, weniger Unterstützung oder Feedback). Dies wird auf Seiten der Mitarbeiter wiederum als belastend erlebt. Im Umkehrschluss kann vermutet werden, dass vor allem diejenigen Führungskräfte in der Lage und motiviert sind, gesundheitsförderlich zu führen, die über eine gute Stressbewältigung verfügen und dadurch genug Ressourcen haben, um auf die Belange ihrer Mitarbeiter einzugehen.
  • Führungskräfte üben auch direkten Einfluss als Vorbilder und Rollenmodelle aus, nicht nur in Bezug auf die Leistung, sondern auch in Bezug auf die Gesundheit. Eine Führungskraft, die Gelassenheit, Erholung, gesunde Ernährung und Teilnahme an Angeboten des Betrieblichen Gesundheitsmanagements predigt, dürfte wenig glaubwürdig wirken, wenn sie selbst regelmäßig abends und am Wochenende arbeitet, häufig nervös und angespannt wirkt, unregelmäßig und ungesund zu Mittag isst, und sich keine Zeit für Sport oder Bewegung nimmt. Es ist nicht unwahrscheinlich, dass sich gerade ambitionierte Mitarbeiter am Verhalten ihrer Vorgesetzten orientieren. Gesundheit und Gesundheitsverhalten sind dann nur Lippenbekenntnisse, die der betrieblichen Realität nicht zu entsprechen scheinen. Aus Sorge als nicht leistungsfähig zu gelten, oder auch aus schlechtem Gewissen der Führungskraft gegenüber, wird das Gesundheitsthema deshalb eher den aktuellen Leistungsanforderungen untergeordnet.

Wie kann gesundheitsförderliche Führung gemessen werden?

Um die unterschiedlichen Perspektiven, d.h. die vier Wirkmechanismen, die Bedeutung der Gesundheit der Führungskraft wie auch die jeweilige Eigenverantwortung, zu berücksichtigen, wurde der Ansatz Health-oriented Leadership (HoL) entwickelt. Der Ansatz unterscheidet mit StaffCare und SelfCare zwei unterschiedliche Bereiche.

Während sich StaffCare auf spezifische gesundheitsförderliche Mitarbeiterführung bezieht, geht es bei SelfCare um gesundheitsförderliche Selbstführung, d.h. den Umgang mit der eigenen Gesundheit. StaffCare und SelfCare umfassen jeweils drei Komponenten:

  • Wichtigkeit,
  • Achtsamkeit,
  • Verhalten

Wichtigkeit erfasst den Stellenwert, der der eigenen Gesundheit bzw. die Gesundheit der Mitarbeiter von der Führungskraft beigemessen wird. Mit Achtsamkeit ist die bewusste Wahrnehmung von Gesundheitszustand und Stresserleben und deren Anzeichen bei sich selbst und anderen, gemeint. Gesundheitsbezogenes Verhalten umfasst gesundheitsrelevante Handlungen am Arbeitsplatz und darüber hinaus (z.B. gesunder Lebensstil). In Bezug auf die Mitarbeiter bedeutet das, sie zu gesundheitsförderlichem Verhalten zu motivieren, ihnen Ressourcen dafür zur Verfügung zu stellen und für eine gesundheitsgerechte Arbeitsgestaltung zu sorgen.

Das Wirkmodell geht davon aus, dass Führungskräfte, die sich in der Arbeit gesundheitsbewusst verhalten (SelfCare), auch eher gesundheitsförderlich führen, weil ihnen das Thema Gesundheit wichtig ist, sie bewusst auf Risiken und Ressourcen achten und entsprechende Maßnahmen ergreifen. Gleichzeitig wird durch gesundheitsbewusstes Verhalten der Führungskraft (SelfCare und StaffCare) auch das gesundheitsbewusste Verhalten der Mitarbeiter unterstützt (SelfCare der Mitarbeiter): zum einen durch die Vorbildwirkung zum anderen durch Anregungen und Bereitstellung von Ressourcen, das eigene Gesundheitsverhalten zu verbessern.

SelfCare der Mitarbeiter und StaffCare wirken sich positiv auf die Gesundheit der Mitarbeiter aus. SelfCare der Führungskräfte wirkt zunächst positiv auf die Gesundheit der Führungskräfte, die sich wiederum positiv auf die Gesundheit der Mitarbeiter auswirken kann. Aber auch die Gesundheit der Mitarbeiter entlastet die Führungskräfte. Zur Erfassung und Diagnose gesundheitsförderlicher Führung wurde ein entsprechendes Instrument entwickelt und erfolgreich validiert. Mit Hilfe des Instruments können auch Selbst- und Fremdbild der Führungskraft im Sinne eines 360-Grad Feedbacks miteinander verglichen werden.

Haben wir Ihr Interesse geweckt?

Dann lesen Sie die folgenden beiden thematisch passenden Zeitschriftenartikel online:

"Gesundheitsorientierte Führung in der Altenpflege" von David Horstmann und Sabine Remdisch aus der Zeitschrift für Arbeits- und Organisationspsychologie

Zum Online Artikel

"Implementierung der Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastung am Arbeitsplatz" von Maria Stefani und Meinolf Noeker aus der Zeitschrift "Psychiatrische Pflege"

Zum Online Artikel

Franziska Pundt

Seit 2013 wissenschaftliche Mitarbeiterin der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin in Dortmund, zuvor wissenschaftliche Mitarbeiterin an verschiedenen Universitäten; 2012 Promotion an der Helmut-Schmidt-Universität Hamburg; Studium der Psychologie an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg. Forschungsschwerpunkte: Gesundheitsförderliche Führung, Führung im Wandel der Arbeit, Arbeitsintensivierung.

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Test komplett bestehend aus: Manual, 5 Fragebogen-Sets für Führungskräfte, 10 Fragebogen-Sets für Mitarbeitende, 15 Auswertungs- und Profilbogen und Mappe
HOL Health oriented Leadership

Instrument zur Erfassung gesundheitsförderlicher Führung

von Franziska Pundt, Jörg Felfe