MYTHOS 3: Der Selbstwert lässt sich mit ein paar wenigen, gezielten Interventionen verbessern
Hier ist leider das Gegenteil der Fall: Selbstwertprobleme sind vergleichsweise veränderungsrobust. Das ist auch plausibel, weil sie häufig schon ein Leben lang bestehen. Entsprechende Denk- und Verhaltensmuster sind also in der Regel chronifiziert, und nicht innerhalb eines einmaligen Drei-Wochen-Programms zu verändern. Wir halten es für wichtig, dies Patient*innen gegenüber transparent zu machen, denn letztlich können Therapeut*innen eine dauerhafte Veränderung des Selbstwerts nur anstoßen, indem sie selbstwertbezogene Übungen anregen und die ersten Umsetzungen begleiten. Die Übungen kontinuierlich fortzuführen und weiterzuentwickeln, obliegt den Patient*innen selbst – und dies häufig ein Leben lang. Dies hört sich schlimmer an, als es ist, denn natürlich gehen einem die Übungen umso leichter von der Hand, je mehr man übt. Und noch eine gute Nachricht gibt es aus unserer Sicht: Vieles von dem, was in einer Psychotherapie ohnehin vor sich geht, fördert nebenbei auch einen gesunden Selbstwert. Wenn Patientinnen beispielsweise Strategien an die Hand bekommen, mit denen sie auf ihre primäre Störung Einfluss nehmen können, wie etwa bei einer Angstexposition, erleben sie nicht nur eine Reduktion der Symptome, sondern erfahren oft auch intensive Gefühle der Selbstwirksamkeit – und diese Erfahrung verbessert das Selbstwertgefühl.
Wie wir in unserem Band zu Selbstwertbezogenen Interventionen in der Psychotherapie zeigen, müssen Therapeutinnen auch nicht alles neu erlernen. Viele gängige transdiagnostische Interventionen können an Selbstwertprobleme adaptiert und dort erfolgreich eingesetzt werden. Darüber hinaus existieren einige spezifische selbstwertbezogenen Interventionen, die in dem Band „Selbstwertbezogene Interventionen“ ausführlich dargestellt werden.