Wie haben Sie selbst ACT kennen gelernt und was schätzen Sie an dieser Therapie besonders, welche Erfahrungen haben Sie damit gemacht?
Ronald Burian:
Ich habe in meiner psychiatrischen Laufbahn die Akzeptanz- und Commitment-Therapie relativ spät kennengelernt. Ich sollte als Psychiater an einem Schmerzzentrum mitwirken und habe gemerkt, dass ich mit meiner bisherigen Ausbildung und mit meinen therapeutischen Strategien einfach an ein Limit kam. Es war für mich das totale Aha-Erlebnis, als ich ACT kennenlernte, dass es vielleicht auch darum gehen kann, erst einmal das zu akzeptieren, was da ist, dann zu schauen, was kann ich im Leben trotzdem machen, auch wenn ich eine Erkrankung habe, die chronisch ist und bleibt. Wie kann ich trotzdem ein sinnvolles und erfülltes Leben führen?
Ich habe dann selbst sogar eine Ausbildung zum Trainer gemacht, ich wollte ACT an Kolleg*innen weitergeben, denn ich habe gemerkt, dass es auch für mein eigenes Leben eine große Bereicherung ist.
Jan Philipp Klein:
Als ich das Behandlungsprogramm für Menschen mit psychosomatischen Störungen neu ausrichten sollte, habe ich gedacht, das sind genau die Patient*innen die das wirklich brauchen. Weil es besonders darum geht, dass durch den Kampf mit den körperlichen Symptomen so sehr aus dem Blick gerät: Wie will ich mein Leben eigentlich leben? Was ist mir wichtig im Leben und wie kann ich mit diesem körperlichen Symptomen so umgehen, dass das möglich ist?
Für mich war eine wichtige Erfahrung, dass Akzeptanz ja nicht bedeutet, Augen zu und durch, oder: Zähne zusammenbeißen! Früher war ich immer ganz schnell frustriert, wenn ich Dinge nicht in meine medizinischen Paradigmen einordnen konnte und plötzlich hatte ich ein Modell an der Hand, wo es einfach darum geht, mich dafür zu interessieren, was meine Patienten erleben.
Das war wirklich eine Entdeckung und ich kann ebenfalls bestätigen, dass es auch in meinem eigenen Leben gut wirkt. Was mich wirklich überzeugt, ist, dass wir mit der ACT mit wenigen einfachen Prinzipien sehr viele psychische Phänomene sehr präzise erklären können, so dass wir ein sehr mächtiges Werkzeug haben, was sich auf viele Dinge anwenden lässt.
Ronald Burian:
Mir ist es wichtig zu sagen: Es ist eine Einladung. Es gibt eine ganze Reihe von ebenfalls evidenzbasierten, wissenschaftlich erwiesen wirksamen Therapien. Unsere persönliche Erfahrung ist einfach, dass ACT sowohl bei bestimmten Krankheitsbildern eine sehr gut wirksame Methode ist als auch in der Prävention sehr hilfreich sein kann.
Jan Philipp Klein:
Man kann sehr gut auch einzelne Übungen einbauen in der Arbeit. Mit ACT kann man auf eine ganz besondere Art und Weise auf psychisches Leid schauen, das heißt, selbst wenn man nicht mit ACT im Ganzen arbeitet, auch nicht eine der Strategien einsetzt, die Haltung im Umgang mit Leid ist auch eine andere und auch das kann die Art und Weise, wie ich das, was ich vielleicht bisher therapeutisch immer gemacht habe, nachhaltig beeinflussen, selbst wenn ich weiter in meinen anderen evidenzbasierten Behandlungsmodellen bleibe.
Herzlichen Dank für das Gespräch!