Ein typisches Phänomen kommt auch im Bilderbuch-Teil zum Ausdruck, nämlich, dass das ältere Geschwisterkind plötzlich auch wieder in ein „Baby-Verhalten“ fällt. Was steckt dahinter und wie kann man dem begegnen?
Dazu gibt es viele Theorien. Eine ganz simple, die dieses Verhalten nicht unnötig pathologisiert, ist die folgende: Durch das Baby und alles, was darum herum passiert, werden Erinnerungen wach. Bestimmte Gedächtnisinhalte des älteren Kindes werden einfach reaktiviert und es wird an das heimelige Gefühl des Umsorgtwerdens und all die schönen Erfahrungen, die mit diesem Alter verbunden sind, erinnert. So wie wir vielleicht wieder Schmetterlinge im Bauch spüren, wenn wir bestimmte Lieder hören, die uns an die Zeit des Verliebtseins erinnern. Oder beim Klassentreffen plötzlich in alte Rollen verfallen.
Viele Eltern glauben, dem sofort einen Riegel vorschieben zu müssen, damit das Kind in seiner Entwicklung nicht „zurückfällt“. Solche Ängste sind unbegründet. Wenn wir das nicht als „Rückschritt“ sehen, sondern einfach als Wunsch des älteren Kindes, sich geborgen zu fühlen und die Nähe der Eltern zu spüren, dann können wir dem mit gutem Gefühl nachgeben. Dabei darf man oft feststellen: Wenn das ältere Kind ein bisschen klein sein und Nähe tanken durfte, schlüpft es danach umso lieber wieder in die Rolle des großen Kindes.
Selbstständigkeit lässt sich nicht erzwingen, indem man diese einfordert und sich dem Kind entzieht. Sie entwickelt sich eher dadurch, dass das Bedürfnis nach Bindung gesehen und erfüllt wird und das Kind dadurch die Sicherheit bekommt, dass es nicht darum kämpfen muss.