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Wie wir Stress bewältigen und Herausforderungen meistern können

Wie kann man es schaffen, im Alltag nicht ständig gestresst zu sein und Aufgaben hinterherzujagen? Was hilft einem dabei, nicht vor Aufgaben zu fliehen oder ewig über Rückschläge nachzugrübeln? Die Positive Psychologie hält hier wertvolle Möglichkeiten bereit. Wir haben mit Matthijs Steeneveld über sein Buch „Stress bewältigen, Herausforderungen meistern“ gesprochen und über das psychologische Kapital, das jede*r von uns trainieren und stärken kann.

Stress bewältigen und Herausforderungen meistern mit der positiven Psychologie Frau mit Schirm lachend im Regen Bild ©shutterstock / PeopleImages.com - Yuri A

Ihr Buch basiert auf den Grundsätzen der Positiven Psychologie. Worum geht es dabei? Was sind ihre Grundprinzipien?

Die Positive Psychologie ist die Wissenschaft und Praxis dessen, was Menschen zum Aufblühen bringt. Sie wurde ins Leben gerufen, um eine ausgewogenere Sichtweise innerhalb der Psychologie zu fördern, indem sie sich nicht nur auf das konzentriert, was schiefläuft, sondern auch auf Wohlbefinden, Stärken, Resilienz und mehr.  Die Positive Psychologie leugnet nicht das Schlechte, sie nimmt auch das wahr, was nicht optimal funktioniert. Es handelt sich um ein wissenschaftliches Feld mit zahlreichen praktischen Anwendungen, das Themen wie positive Emotionen, Stärken, Sinn, Motivation und Optimismus umfasst.

Was ist "psychologisches Kapital"? Hat es jede*r?

Psychologisches Kapital oder PsyCap umfasst vier Eigenschaften - Optimismus, Hoffnung, Resilienz und Selbstvertrauen - , die uns helfen, Herausforderungen gut zu bewältigen. Menschen mit einem höheren psychologischen Kapital leiden weniger unter Stress, haben ein höheres Wohlbefinden und sind leistungsfähiger. Die gute Nachricht: Jeder Mensch verfügt bereits über (ein gewisses) psychologisches Kapital und Sie können trainieren, um es weiterzuentwickeln.

Das psychologische Kapital kann also weiterentwickelt werden. Wie kann man das erreichen, was muss man dafür tun?

Ein einfacher erster Schritt besteht darin, darüber nachzudenken, wie Sie in der Vergangenheit erfolgreich mit Herausforderungen umgegangen sind. Was haben Sie dabei unternommen? Wie haben Sie ein Problem gelöst, wie sind Sie ins Handeln gekommen, was hat Ihnen geholfen, mehr Hoffnung zu entwickeln und Ihre Möglichkeiten zu erkennen? Diese persönlichen Erfahrungen sind Ihre Beispiele für Optimismus, Hoffnung, Resilienz und Selbstvertrauen. Überlegen Sie, wie Sie diese Erfahrungen nutzen können, um aktuelle Herausforderungen zu bewältigen. Es kann hilfreich sein, Ihre Gedanken aufzuschreiben oder mit anderen darüber zu sprechen. Im Buch finden Sie viele Übungen, die darauf abzielen, Ihren Optimismus, Ihre Hoffnung, Ihre Resilienz und Ihr Selbstvertrauen zu stärken.

Es ist auch wichtig zu wissen, dass Ihr psychologisches Kapital durch die Menschen in Ihrem Umfeld beeinflusst wird. Unterstützung durch Familie, Arbeitgeber, Freunde und andere hilft uns beispielsweise, mit Rückschlägen umzugehen und unsere Resilienz zu steigern.

Man muss trainieren, ähnlich wie beim Sport - ist das nicht wieder Stress?

Es macht sicherlich Mühe – ähnlich wie Sport oder jedes andere Training. Doch das bedeutet nicht zwangsläufig, dass es auf eine negative Art stressig ist. Stress ist an sich nicht das Problem; vielmehr ist chronischer Stress, der unkontrollierbar erscheint, das eigentliche Problem. Interessanterweise zeigen Forschungsergebnisse, dass Menschen mit höherem psychologischem Kapital zwar nicht weniger Stress erfahren, jedoch weniger darunter leiden.

Zurück zum Training: Ich würde es andersherum formulieren. Sie müssen nicht trainieren. Sie können sich entscheiden, es nicht zu tun und somit auf die Entwicklung der Fähigkeiten verzichten, die Ihnen helfen, mit allen Herausforderungen umzugehen.

Können Sie ein Beispiel dafür geben, wie das Training funktioniert? Wie kann ich zum Beispiel mehr Selbstvertrauen aufbauen, welche Techniken kann ich anwenden?

Selbstvertrauen oder "Selbstwirksamkeit", wie es der berühmte Psychologe Albert Bandura nannte, ist etwas, das man aufbauen kann. Das fängt damit an, dass man die Aufgabe bzw. die Tätigkeit, in der man mehr Selbstvertrauen gewinnen möchte, genau festlegt. Handelt es sich um eine Arbeitsaufgabe oder vielleicht darum, Fremde auf einer Party zu treffen, um Hilfe zu bitten, …

Als nächstes versuchen Sie, diese Tätigkeit oder Aufgabe in kleinere Schritte aufzuteilen. Nehmen wir an, Sie wollen mehr Selbstvertrauen haben, wenn Sie in einer Besprechung eine Präsentation halten. Das können Sie aufteilen in 1) das Erstellen des Entwurfs Ihrer Präsentation, 2) das Halten der Präsentation, 3) das Vermitteln der Inhalte, 4) das Beantworten von Fragen und Umgang mit Reaktionen. Für welche Komponenten würden Sie gerne mehr Selbstvertrauen entwickeln?

Anschließend können Sie Ihr Selbstvertrauen für diese spezifischen Aufgaben gezielt trainieren. Laut Bandura ist der beste Weg, dies zu erreichen, durch Übung. Halten Sie Ihre Präsentation zum Beispiel vor einem einzelnen Kollegen oder vor dem Spiegel. Denken Sie darüber nach, was gut gelaufen ist und was Sie beim nächsten Mal besser machen können. Wenn Ihnen das zu viel ist, können Sie auch versuchen, einen detaillierten Plan zu erstellen oder sich selbst beim Vortrag zu visualisieren. Je besser Sie wissen, wie Sie eine bestimmte Aufgabe angehen werden, desto zuversichtlicher werden Sie sein, dass Sie sie bewältigen können.

Suchen Sie auch nach Vorbildern: nach jemandem, der die Aufgabe gut beherrscht und für Sie erreichbar und vergleichbar ist. Beobachten Sie diese Person: Was macht sie besonders gut? Was können Sie von ihr lernen?

Auch wenn wir uns dessen nicht bewusst sind, lernen wir viele Dinge auf diese Art: Autofahren, Schwimmen, Fahrradfahren. Die ersten Male fühlen sich vielleicht noch beängstigend an, aber mit der Übung kommt das Vertrauen. So ist es auch bei vielen anderen Aktivitäten.

Der erste Schritt ist oft schwierig – wie kann er gut gelingen?

Das Erste ist, sich von dem Gedanken zu verabschieden, es "perfekt zu machen"! Das Einzige, was Sie bei einem ersten Schritt tun müssen, ist, ihn zu tun. Der zehnte Schritt ist genauso gut, um Fortschritte zu machen. Oder anders gesagt: Jede*r macht Fehler. Also kein Druck, jeder Schritt bringt Sie ein Stück weiter.

Der Anfang kann trotzdem schwierig sein. Machen Sie sich den Einstieg leichter, indem Sie die Materialien, die Sie benötigen, bereithalten und einsatzbereit machen. Erzeugen Sie hilfreichen sozialen Druck, indem Sie sich mit jemandem verabreden oder anderen von Ihren Plänen erzählen. Überlegen Sie auch: Was hilft mir persönlich am besten?

Auch den Fortschritt aufrechtzuerhalten ist nicht einfach, wie sollte man vorgehen?

Vielleicht sollten Sie "Wartungschecks" einplanen, entweder für sich selbst oder mit jemand anderem. Bei einem solchen Check können Sie darüber nachdenken, was Sie schon erreicht haben und darüber, ob Ihr psychologisches Kapital noch den Herausforderungen gewachsen ist, mit denen Sie konfrontiert werden. Nehmen Sie sich wöchentlich einen Moment Zeit, um zu überlegen, ob es Herausforderungen oder Hindernisse gibt, die Sie stark behindern. Was könnte Ihnen helfen, diese zu überwinden?

Es ist auch oft motivierend, sich die positiven Auswirkungen Ihres Fortschritts vor Augen zu führen. Haben Sie bemerkt, dass Sie sich besser fühlen, weniger unter Stress leiden oder Ihre Ziele besser erreichen? Diese positiven Veränderungen können der beste Grund sein, Ihre Bemühungen fortzusetzen.

 

Vielen Dank für das Gespräch!

Matthijs Steeneveld

Matthijs Steeneveld, geb. 1985, ist Organisationspsychologe und als Trainer, Coach und Berater mit dem Schwerpunkt Positive Psychologie tätig. Er hat mehrere Bücher über positive Psychologie geschrieben und ist Mitglied der Fakultät des VIA-Instituts. Er lebt und arbeitet in der Nähe von Leiden (Niederlande).

Foto: Susanne Ottenheym

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